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© Davids

Neue Sekundarschule: Die Mischung macht’s

Zwei Kreuzberger Schulen fusionieren zu einer Sekundarschule. Lernen in "Arenen" heißt dort das Konzept.

Der gefallene Engel hat keine Flügel mehr. Jetzt ist er nur noch eine Frau, die aussieht, als wäre sie gerade zu Boden geschlagen worden. „Frauen dürfen nicht zum Opfer männlicher Gewalt werden“, steht darunter – auf einem Computermonitor in einem Klassenraum der Ferdinand-Freiligrath-Schule an der Bergmannstraße in Kreuzberg. Jessika sitzt vor dem Rechner: „Das kitschige Foto von dem Engel habe ich im Internet gefunden und dann mit Photoshop bearbeitet“, sagt die 17-jährige Zehntklässlerin.

Ein Plakat gegen Gewalt gestalten, das war eine der Aufgaben in ihrer „Arena“ mit dem Schwerpunkt „Gesellschaft und Medien“. Arenen heißen die jahrgangsübergreifenden Schwerpunktklassen an der Ferdinand-Freiligrath-Oberschule: Ob Musik, Wirtschaft und Produktion oder Natur und Technik – zwölf Stunden pro Woche verbringen die Schüler in solch einer Arena. „Unser Arenen-Konzept ist ein sehr ausgefeiltes System zum individuellen und dualen Lernen“, sagt Schulleiterin Hildburg Kagerer.

Zurzeit muss sie es sehr oft interessierten Eltern erklären – zum Beispiel beim Tag der offenen Tür am vergangenen Sonnabend. Denn zum nächsten Schuljahr wird sich viel verändern: Aus der bisherigen Haupt- und Realschule wird eine Ganztags-Sekundarschule, die auch Kinder mit Gymnasialempfehlung aufnehmen will. Die Borsig-Realschule wird dabei mit der Freiligrath-Schule am Standort in der Bergmannstraße fusioniert. Die Borsig-Schule nimmt deshalb in diesem Jahr keine neuen 7. Klassen auf, bleibt aber noch ein Jahr in ihrem Haus am Lausitzer Platz. 2011 sollen ihre 9. und 10. Klassen dann ebenfalls in die Bergmannstraße umziehen. Die Freiligrath-Schule wird bis dahin umgebaut. Gestern haben die Bauarbeiten für eine Kantine und andere neue Räume begonnen. Dass nicht wie sonst die Haupt- an den Standort der Realschule zieht, ist ungewöhnlich. Die Borsig-Schule sei jedoch zu klein für eine vierzügige Schule, die Zöllner als Standardgröße vorgegeben hat, heißt es im Bezirksamt.

Und dort gibt es auch kein „Arenen-Konzept“. Nicht nur Hildburg Kagerer ist von den Arenen überzeugt, sondern auch die Schüler: „Ich habe durch die Medien-Arena meine Deutschnote sehr verbessert“, sagt Jessika. Seit drei Jahren beschäftigt sie sich nicht nur mit Photoshop und anderen Computerprogrammen, sondern auch mit Sprache – gemeinsam mit Schülern aus anderen Jahrgängen. Unterrichtet werden sie dabei nicht nur von zwei Lehrern – auch ein Grafikdesigner und ein Radiomoderator sind dabei. Für jede Arena gibt es mindestens eine Honorarkraft von außerhalb. „Dritte“ oder „Profis“ nennt Schulleiterin Hildburg Kagerer sie – je nach Fachrichtung können das Musiker, Designer, Diplomingenieure, Sportler, Schauspieler oder Tischlermeister sein.

„Es ist ein Konzept für alle – für die starken sowie für die schwächeren Schüler“, sagt Hildburg Kagerer vor den Eltern, die viele Fragen haben. Das ist etwas Neues für die Schulleiterin: Eltern hätten sich bislang nur selten für ihre Schule interessiert, sagt sie. Noch bezögen 70 Prozent der Eltern und damit auch der Schüler Sozialleistungen. Hildburg Kagerer hofft jedoch, dass durch die Schulreform nun eine „gute soziale Mischung“ an ihrer Schule entsteht – dass sich also auch Kinder aus Akademikerfamilien für die Schule entscheiden.

Aber wie und wo werden die künftigen Schüler Abitur machen? Auch das wollen die Eltern wissen. An der Freiligrath- Schule ist vorerst keine Oberstufe geplant – zu wenig Platz. Auch wenn die Schulleiterin das gerne ändern möchte, bleibt das ein Minuspunkt bei den Eltern. „Wir sind mit mehreren Gymnasialstandorten in Verhandlungen“, nur so viel kann Hildburg Kagerer sagen. Und: „An dieser Schule gibt es vielleicht sogar eine bessere Chance als auf dem Gymnasium, das Abitur zu erreichen“ – mit weniger Druck in 13 statt in 12 Jahren. Die Lehrer würden gerade fortgebildet. „Wir hatten uns etwas mehr versprochen“, sagt die Architektin Britta Bürger, die auf der Suche nach der richtigen Schule für ihren Sohn ist. Noch geht er in die fünfte Klasse einer Montessori-Schule. Britta Bürger gefällt zwar, dass die Freiligrath-Schule „kein Eliteverein ist“. Aber sie würden ihren Sohn doch gerne auf eine Schule schicken, „die direkt zum Abitur führt“. Andere Eltern verunsichert die Fusion: Was vom Konzept der Borsig-Schule übernommen werde, möchte eine Mutter wissen. Hildburg Kagerer antwortet nur vage: Es gebe dort gute Lehrer, die in Zukunft an der Sekundarschule unterrichten würden. Daniela Martens

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