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Im Museum Steglitz lernten Schüler alte Fototechniken kennen, betrachteten frühe Berlin-Fotografien und schufen eigene Stadtbilder.

© Doris Spiekermann-Klaas

Lernkooperationen: Raus aus der Schule

Klassen und Kurse sollen verstärkt bei Freien Trägern lernen, Kooperationen werden vom Senat gefördert. Ein Projekt des Museums Steglitz zeigt jetzt, wie es geht: Dort können Schüler eigene Fotografien ausstellen.

Dieser Wasserlauf hat Kevin Möser fasziniert. Erst schnurgerade, dann in Winkelschlägen und Bögen führte der Luisenstädtische Kanal einst durch Kreuzberg und Mitte, verband Spree und Landwehrkanal. 1926 wurde der Kanal teils zugeschüttet, zum Park umgestaltet. Doch mit dem Mauerbau verschwand das Idyll. Wo einst Wasser blinkte und Rosen blühten, verlief der Todesstreifen. Ein Stück Berliner Stadtgeschichte. Kevin Möser, Zwölftklässler der Zehlendorfer Emil-Molt-Waldorfschule, hat den Luisenstädtischen Kanal im Museum Steglitz „erstmals so richtig wahrgenommen“. Auf historischen Fotos, die er mit seinem Kunstkurs betrachtete. Danach hat er sich mit dessen Vergangenheit beschäftigt und mit Pastellkreide sein eigenes Bild vom damaligen Wasserweg gemalt, expressionistisch im Stil seines Lieblingskünstlers Lyonel Feininger.

Der Kunstkurs der Emil-Molt-Schule vor Bildern vom Gendarmenmarkt.
Der Kunstkurs der Emil-Molt-Schule vor Bildern vom Gendarmenmarkt.

© Doris Spiekermann-Klaas

„Schule im Museum“ heißt das Projekt des Museums Steglitz, in dessen Rahmen der Kunstkurs alten Stadtansichten einen neuen Ausdruck gab. Zugleich verfolgten die Schüler den Wandel des Stadtbildes an den entsprechenden Orten. Spannende Anregungen gab eine Ausstellung des Museums mit Fotografien, die der preußische Hoffotograf Hermann Rückwardt angefertigt hat. Als Erster seiner Zunft dokumentierte er im späten 19. Jahrhundert die städtebauliche Entwicklung Berlins.

„Ich wollte junge Leute in diese Ausstellung holen und so das Interesse und die Sensibilität für ihre Stadt stärken“, sagt die Leiterin des Museums, Gabriele Schuster. Ziel waren längerfristige Kooperationen mit Schulen, wie sie auch das Rahmenkonzept Kulturelle Bildung des Berliner Senates anstrebt. Deshalb lud Gabriele Schuster 2010 die Emil-Molt-Schule sowie die Steglitzer Friedrich-Bayer-Schule, eine integrierte Sekundarschule, zur Drakestraße 64A in Lichterfelde-West ein. Dort hat das Museum des Heimatvereins Steglitz großzügige Ausstellungsräume.

Von der Friedrich-Bayer-Schule kam die Klasse 10a, ließ sich von Rückwardts Fotografien anregen, selbst interessante Orte in ihrem Bezirk auszukundschaften. Jeweils im Duo zogen die Jugendlichen zur Schwartzschen Villa, zum Steglitzer Rathaus oder zur einstigen Kadettenanstalt an der Finckensteinallee los, fotografierten, recherchierten in Bibliotheken und präsentierten in ihren Laptops die Ergebnisse: verpackt in Fotoalben, in denen man per Mausklick blättern kann.

Berlin entdecken. Alexander und sein Plakat von der Stadtbahnbrücke.
Berlin entdecken. Alexander und sein Plakat von der Stadtbahnbrücke.

© Doris Spiekermann-Klaas

Von der Kadettenanstalt, an der 1881 die erste elektrische Straßenbahn der Welt vorbeifuhr, hatten Vanessa Reetz (16) und Yasemin Bukan (17) zuvor „keine Ahnung“. Die Begegnung mit dem Gebäudekomplex, der nach 1945 von der US-Army genutzt wurde und heute das Bundesarchiv beherbergt, war für beide „eine neue Erfahrung“. Ein Foto zeigt die zwei zwischen Bücherregalen im Bundesarchiv. Da sitzen sie im Schneidersitz am Boden und studieren Ortsgeschichte.

Am vergangenen Wochenende kamen nun die Steglitzer 10a-Schüler mit ihren Laptops und der Kunstkurs aus Zehlendorf ins Museum zur Vernissage ihrer Werke: Ein Fest, komplett von den Schülern gestaltet. Eine Auswahl der Arbeiten des Emil-Molt-Kurses hängt ab sofort bis zum 3. April in den Museumsräumen, jeweils kombiniert mit den dazu passenden Fotografien Hermann Rückwardts. Und mittendrin steht eine Vitrine mit Kameras aus der Kaiserzeit. Es ging ja auch um die Frage: „Wie wurde damals das Stadtbild dokumentiert, wie machen wir das heute mit dem Notebook?“

Vanessa und Yasemin mit ihrer Laptop-Doku.
Vanessa und Yasemin mit ihrer Laptop-Doku.

© Doris Spiekermann-Klaas

Für die Leiterin des Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung, Annette Richter-Haschka, ist die Steglitzer Initiative ein „prima Beispiel, wie Schulen und Museen für beide Seiten gewinnbringend kooperieren können“. Gegründet wurde der Fond, nachdem die Koalition 2008 das Rahmenkonzept für Kulturelle Bildung beschlossen hatte. Damit will der Senat die „Zusammenarbeit von Schulen und Kitas mit freien Trägern im kulturellen und künstlerischen Bereich fördern.“ Der Fond soll Vorhaben anschieben und koordinieren. Dabei können einzelne Projekte über ihren Bezirk jährlich Finanzhilfen von 3000 Euro beantragen. „Die Projekte werden immer mehr“, freut sich Richter-Haschka. „Sie schaffen Freiräume, die eine Schule nicht bieten kann.“ Annette Wostrak, Kulturbeauftragte der Berliner Grünen, ist dagegen skeptisch. Noch immer gebe es Bezirke, die kaum Interesse zeigten und „nicht mal Fördergelder weiterverteilen“. Andere jedoch wie Charlottenburg-Wilmersdorf seien „sehr aktiv“.

Im Museum Steglitz hat Alexander Porsch (18) von der Emil-Molt-Schule ein Foto der Stadtbahnbrücke in Mitte plakativ verfremdet. So, wie sein englischer Lieblingskünstler malt, Julian Opi. Vorne links schaut ein Junge mit großen Augen auf die Stadt. Gespannt auf Berlin.

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