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Kurz vor ACHT: Unbequeme Verantwortung

Viele Schüler wissen nicht über die DDR Bescheid und basteln sich ihr eigenes romantisiertes Bild. Für Lehrer gibt es Rahmenpläne, um dieses Defizit zu beseitigen, doch einige Kollegen ignorieren diese Pläne.

„Die Idee war gut, nur die Mauer nicht“ – diesen Satz kann man schon mal zu hören bekommen, wenn man mit Jugendlichen aus dem Ostteil über die DDR spricht. Da sie das Regime selbst nicht erlebt haben und da in der Schule das Thema mitunter gar nicht behandelt wird, zimmern sie sich aus dem, was sie in ihrer Umgebung so aufschnappen, ein geschöntes, da unvollständiges DDR-Bild zurecht.

Wohin das führt, wird bei Umfragen deutlich. Da heißt es etwa auf die Frage, was denn „Planwirtschaft“ gewesen sei: „Es wurde nur so viel produziert, wie benötigt wurde“: Kein Wort von Misswirtschaft, stundenlangem Anstehen, jahrelangem Warten auf Telefon und Auto, verfallenen Innenstädten oder eintönigen Produktpaletten. Ebenso wenig haben die meisten Schüler eine Vorstellung von dem, was die Stasi anrichtete oder etwa davon, dass die Studien- und Berufswahl extrem eingeschränkt war, dass nur Bücher erscheinen durften, die „von oben“ erlaubt waren oder dass man von der Unabhängigkeit der Justiz nur träumen konnte.

Da viele Eltern offenbar kein Bedürfnis verspüren, ihre Kinder mit diesen Tatsachen vertraut zu machen, müssten das die Lehrer tun – der historischen Wahrheit und der politischen Mündigkeit ihrer Schüler zuliebe. Der Senat hat deshalb mit Rahmenplänen, Vorschriften, Fortbildungen, Lektüre- und Exkursionstipps einiges getan, um die Pädagogen auf ihre Pflichten zu stoßen bzw. Hilfestellung für den Unterricht zu geben. Das kam auch vergangene Woche wieder zur Sprache, nachdem Bundestagsvizepräsident Thierse und Berlins SPD-Fraktionschef Müller in Zusammenhang mit der jüngsten Schießbefehl-Debatte geäußert hatten, es gebe Verbesserungsbedarf im Hinblick auf die schulischen Rahmenpläne.

Was aber tun, wenn Lehrer Vorschriften und Tipps ignorieren? Wenn sie den Mauer- und Stasi-Museen fernbleiben, weil das nicht „ihre“ DDR ist, die ihnen da entgegenspringt? Dann sollte es Erwachsene geben, die das bemerken. Es kann ja wohl kaum sein, dass ein ganzes Kollegium mitsamt Schulleiter und Eltern unisono Interesse daran haben, die DDR schönzureden. Jeder Lehrer – egal ob er Mathematik oder Sport unterrichtet – müsste doch in der Lage sein, zu einem differenzierten DDR-Bild beizutragen. Und wenn ein Geschichtslehrer bemerkt, dass sein Vorgänger den Stoff in der 9. Klasse so schleppend behandelt hat, dass in der 10. Klasse keine Zeit mehr bleibt für die DDR, dann muss er das eben im Kollegium zur Sprache bringen. Es darf nicht sein, dass Lehrer Rahmenpläne ignorieren und dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden, nur weil Kritik unter Kollegen unbequem ist.

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