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Heimat. Im Laden in Bohsdorf, in dem Strittmatter aufwuchs, gibt es eine Gedenkstätte für den Schriftsteller. Foto: Patrick Pleul/dpa

© dpa/dpaweb

Berlin: Schwieriger Ehrenbürger

Spremberg streitet darüber, ob man Erwin Strittmatter anlässlich seines 100. Geburtstags würdigen soll.

Spremberg – Die Stadt in der Niederlausitz hat ein Problem: Ihr berühmtester Sohn, der 1994 gestorbene Schriftsteller Erwin Strittmatter, einer der meistgelesenen Autoren der DDR, wäre im August 2012 hundert Jahre alt geworden: Erwin Strittmatter ist Ehrenbürger von Spremberg. 1912 wurde er hier geboren. Er schrieb Werke wie „Tinko“, „Ole Bienkopp“ und die später verfilmte Romantrilogie „Der Laden“.

Aber Spremberg ist sich uneins – wie man mit dem Geburtstag umgehen soll. Es dreht sich um Strittmatters Vergangenheit während der Nazizeit, mit der Spremberg seit mehr als drei Jahren hadert. Noch befassen sich Ausschüsse damit, die Stadtverordneten werden im Februar eine Entscheidung treffen. Geht es nach Egon Wochatz, der seit der Wende 12 Jahre lang Bürgermeister war und für die CDU im Stadtparlament sitzt, soll das Rathaus die Jubiläumsfeiern organisieren und Bürgermeister Klaus-Peter Schulze (CDU) Schirmherr sein. Wochatz ist Mitglied des Strittmatter-Vereins, der im 15 Kilometer entfernten Bohsdorf den Laden übernommen hat, in dem Strittmatter aufgewachsen ist und nach dem er seine Romantrilogie benannt hat.

Bürgermeister Schulze aber sperrt sich, solange Strittmatters Vergangenheit nicht aufgeklärt ist. Die Linke-Landtagsabgeordnete und Stadtverordnete Birgit Wöllert dagegen sagt: „Er ist ein bedeutender Schriftsteller, der unsere Region bekannt gemacht hat. Ihn totzuschweigen, macht es nicht besser.“ Anders Andreas Lemke (53), er ist Chef der SPD-Fraktion im Stadtparlament und gegen eine Ehrung. „Strittmatter war nicht Getriebener, er war Motor der Diktaturen. Er ist es nicht wert, durch Spremberg geehrt zu werden.“ Lemkes harte Haltung hat einen Grund. 2005 begann er, über den Sozialdemokraten und Gewerkschafter Ernst Tschickert zu forschen. Die Nazis hatten ihn ins KZ Sachsenhausen gesperrt, nach dem Krieg wurde er von den Sowjets in ein sibirisches Arbeitslager gesteckt – weil er nach der Zwangsehe von SPD und KPD in der Ostzone weiter Kontakt zur SPD in West-Berlin hielt. Spremberg benannte 2009 einen Platz nach ihm. „Der hat seine Fahne nicht nach dem Wind gehängt“, sagtLemke. „Wenn man beide Männer vergleicht, sträubt sich alles. Wir können doch keinen Mann ehren, der sich in der DDR an die Spitze der Diktatur gestellt hat, nur weil er ein berühmter Schriftsteller war.“ Durchsetzen kann sich Lemke bislang nicht. Nach heftiger Debatte hatte das Stadtparlament 2008 entschieden, dass die Strittmatter-Promenade nicht umbenannt wird. In Gollgow bei Gransee (Oberhavel), in dessen Ortsteil Schulzenhof Strittmatter seit 1954 bis zu seinem Tod 1994 wohnte, läuft das anders. Ortsvorsteher Egon Brehe sagt: „Wir werden Strittmatter ehren, wollen ihn aber politisch nicht kaputtreden.“

Fest steht: Strittmatter war nicht nur Zuträger der Staatssicherheit in den frühen 1960er Jahren. Er war, wie 2008 Wissenschaftler herausfanden, bei der Ordnungspolizei, die der Waffen-SS unterstand. Strittmatters Behauptung, er sei Kompanieschreiber gewesen und habe nie geschossen, gilt als gestrickte Legende. Er soll Spezialausbildungen in Partisanenbekämpfung absolviert haben und war in Slowenien, wo seine Einheit den Widerstand niederschlagen sollte. Ob Strittmatter an Kampfhandlungen oder Erschießungskommandos beteiligt war, bleibt wegen vernichteter Unterlagen wohl ungeklärt. Die Landesregierung beschloss 2008, den Brandenburgischen Literaturpreis Umwelt nicht mehr nach Strittmatter zu benennen. Alexander Fröhlich

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