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Lücke statt Brücke, dafür freie Fahrt.

© Kai-Uwe Heinrich

Verkehr in Berlin: Senat ist gegen einen Neubau der Waisenbrücke

Über Jahrhunderte überspannte die Waisenbrücke die Spree, bis sie 1961 verschwand. Im Vorjahr wurden Wünsche für einen Neubau laut, doch der Senat lehnt ab.

Friedrich III. ist eigentlich erst als Friedrich I. wirklich berühmt geworden. Der Dritte war er in seiner Funktion als Kurfürst von Brandenburg, der Erste wurde er, als er 1701 zum König in Preußen aufstieg. An ihn erinnern in Berlin auch Dinge, die es schon lange nicht mehr gibt – und im Falle der Waisenbrücke, die einst am Märkischen Museum die Spree überquerte, aller Voraussicht nach auch nie mehr geben wird. Ein Wiederaufbau, so hat jetzt Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner in seiner Antwort auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Stefan Förster noch einmal bestätigt, habe „derzeit keine Priorität und ist deshalb ohne benennbare Realisierungsperspektive“.

Entsprechend hatte sich die Verkehrsverwaltung, wie berichtet, schon im Sommer 2016 geäußert, als im Stadtmuseum Berlin der Wunsch nach einer „Neuen Waisenbrücke“ geäußert wurde und dies auch Thema der vom Museum veranstalteten Sommerakademie war. Man träumte dort von einer fußläufigen Verbindung des Märkischen Museums zum Kloster- und Nikolaiviertel und vor allem zum Humboldt-Forum, hatte auch schon einen ersten Entwurf zweier junger Architekten zu bieten.

Weil die Waisenbrücke (hier eine Aufnahme von 1908) den Verkehr auf der Spree behinderte, wurde sie 1961 abgerissen.
Weil die Waisenbrücke (hier eine Aufnahme von 1908) den Verkehr auf der Spree behinderte, wurde sie 1961 abgerissen.

© Stadtmuseum

Die Brücke hat eine lange Geschichte

In der Behörde, auch mit Blick auf die nahe Jannowitzbrücke, beschied man dagegen kühl, dass man Brücken dort errichten müsse, „wo sie zur Lösung dringender Verkehrsprobleme notwendig sind, und im Moment steht die Sanierung unserer vorhandenen Brückenbauwerke erst einmal im Vordergrund“. An dieser Haltung, so geht aus Kirchners Antwort hervor, hat sich seither nichts geändert.

Eine Brücke hat es an der noch durch einen letzten Stumpf lokalisierbaren Stelle seit Anfang des 18. Jahrhunderts gegeben, zunächst war es eine reine Holzbrücke, erst Blocks-, bald aber schon Waisenbrücke genannt. Das lag – und hier kommt Kurfürst Friedrich ins Spiel – an dem Waisenhaus, das dieser ab 1697 nahe der Brücke auf der nördlichen Spreeseite errichten und später, da war er bereits König, erweitern ließ. Ursprünglich war es ein Hospital, übernahm aber bald schon die Funktion eines Waisen- und Siechenhauses. Unter Friedrichs Nachfolger Friedrich Wilhelm I., dem Soldatenkönig, fanden dort auch Veteranen Aufnahme, aber der Schwerpunkt der Aufgaben blieb doch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein die Aufnahme verwaister Kinder. Der wiederholt erweiterte Komplex, zu dem auch eine Kirche gehörte, wurde 1943 durch Bomben zerstört.

Das Aus für die Brücke kam 1960/61

Die Waisenbrücke – mittlerweile eine zwischen 1892 und 1894 gebaute Steinbrücke im romanischen Stil und verkleidet mit rotem Sandstein – überstand den Luftkrieg, die Schlacht um Berlin allerdings nicht: Ein deutsches Sprengkommando zerstörte den südlichen Brückenbogen, der aber schon bald nach der Kapitulation von den Sowjets durch eine Notbrücke ersetzt wurde. Ohnehin war der Ort in den Jahrzehnten zuvor wiederholt Schauplatz von Gewalt gewesen, erfundener wie realer: Erich Kästner wählte sie in seinem Roman „Fabian“ als Ort einer Schießerei zwischen einem Kommunisten und einem Nationalsozialisten, während bei den Märzkämpfen 1919, mit über 1200 Toten einer der blutigsten Konflikte der revolutionären Auseinandersetzungen, der Stab der Volksmarinedivision im nahen Marinehaus untergebracht war und die Brücke gegen Freikorps und Regierungstruppen verteidigt wurde, ohne Erfolg und unter hohem Blutzoll.

Das Aus für die in der Nachkriegszeit noch einmal gründlicher reparierte Brücke kam 1960/61. Der modernen Binnenschifffahrt war sie nicht mehr gewachsen. „Die Brückenbogen sind so tief, dass große Schleppzüge selten ohne Havarie diese Stelle passieren. Hinzu kommt, dass die Strompfeiler zu eng beieinander stehen“, hieß es Anfang 1960 in der „Berliner Zeitung“, die über den Beschluss des Magistrats zum Abriss der Brücke und dessen kurz bevorstehende Umsetzung berichtete. Der Verkehr solle dort künftig nur noch über die Jannowitzbrücke geführt werden, teilte damals auch der Tagesspiegel seinen Lesern mit. So ist es noch immer und so soll es nun auch bleiben.

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