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 "Fair Play with Greece". Damit können sich alle einverstanden erklären, aber bei den Bedingungen für die Hilfe aus der EU gab es keine Einigung.

© dpa

Solidarität statt Carepakete: Was Griechen in Berlin über die Krise denken

Griechen in Berlin sind „sehr betrübt“ über die Lage in ihrer Heimat. Den Kurs von Premier Tsipras finden sie aber grundsätzlich richtig. Fürs Referendum müssten sie nach Hause fliegen.

Es geht nicht um Geld, sagt Anastasia Pliagou von der griechischen Botschaft. Die Griechen bräuchten jetzt keine Carepakete oder Bargeld, sondern Solidarität. „Wir müssen zusammenstehen und dürfen nicht zulassen, dass sich die extremen Stimmen durchsetzen.“ Die aus dem rechten Lager, die Griechenland schon lange nicht mehr für EU-kompatibel halten. Am Sonntag können die Griechen selber abstimmen, ob sie noch Teil der Eurozone sein wollen.

Für die 12 500 offiziell in Berlin gemeldeten Griechen – in Deutschland sind es mehr als 280 000 – wird es aber keine Möglichkeit geben, hier am Referendum teilzunehmen. Im Ausland zu wählen, sei in der griechischen Verfassung nicht vorgesehen, sagt Pliagou. Einige werden vielleicht in die Heimat fliegen, um am Referendum teilzunehmen, glaubt Kiriakos Fotiadis, Vorsitzender der Hellenischen Gemeinde Berlin. Er selbst sieht dazu keine Veranlassung. „Das Referendum wollte keiner haben. Und niemand weiß, wie es ausgehen wird. Ein knappes Ja oder ein knappes Nein würde niemandem helfen.“

Missverständnisse zwischen Griechen und Deutschen

Die griechischen Freunde von Michaela Prinzinger, in Berlin lebende Übersetzerin, denken da ganz anders. „Alle sind erleichtert und sagen: Gottseidank können wir uns äußern. Wir sind am Ende unserer Kraft, schlimmer kann es nicht mehr kommen.“ Wie das Referendum ausgeht, könne niemand einschätzen. Ministerpräsident Alexis Tsipras habe im griechischen Fernsehen erklärt, es werde über das letzte Angebot der Geldgeber abgestimmt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte dagegen im deutschen Fernsehen, es gebe keine Grundlage mehr für eine Abstimmung, da das Hilfspaket ausgelaufen sei.

Michaela Prinzinger, die ein deutsch-griechisches Blog betreibt, lebt in Kreuzberg. Mit dem Blog will sie Missverständnisse und Klischees ausräumen.
Michaela Prinzinger, die ein deutsch-griechisches Blog betreibt, lebt in Kreuzberg. Mit dem Blog will sie Missverständnisse und Klischees ausräumen.

© Mike Wolff

Da liegt für Prinzinger das Hauptproblem: Beide Seiten reden aneinander vorbei, missverstehen sich, haben andere Perspektiven auf dasselbe Problem. Die Übersetzerin betreibt einen Blog, um die tiefe Kluft in der Wahrnehmung zu überbrücken. Dabei geht sie über den Umweg der Kulturvermittlung, Austausch von Studenten und Künstlern, damit kennt sie sich aus. Carepakete bräuchten die Griechen derzeit nicht, aber Verständnis für ihre Lage.

Privatmedien machen Stimmung gegen Tsipras

In Griechenland würden vor allem die Privatmedien Stimmung gegen die Regierung Tsipras machen, da sei es „schwierig, Informationen zu filtern, um eine eigene Position zu finden“. Deutsche bräuchten aber als Touristen in Griechenland keine Angst zu haben. „Ich bin noch niemals dumm angesprochen worden. Die Griechen sind sehr gastfreundlich“. Die Stimmung unter den Griechen in Berlin beschreibt Fotiadis als „sehr betrübt“. Es gebe eine große Enttäuschung, dass die Verhandlungen zwischen den Geldgebern und der griechischen Regierung kein vernünftiges Ende gefunden haben.

Die Hellenische Gemeinde kümmert sich vor allem um die griechischen Neuberliner. Rund 3000 Griechen sind seit Beginn der Krise nach Berlin gekommen, um hier zu arbeiten. Im vergangenen Oktober gab es noch rund 80 Anfragen pro Tag, jetzt sind es nur noch 10 bis 15. Das liege an der Tourismussaison, sagt Fotiadis. Aber vielleicht auch daran, dass viele junge, gut ausgebildete Griechen schon ausgewandert sind. „Da stellt sich die Frage, wer die Reformen in Griechenland eigentlich umsetzen soll.“

Berliner Forum Griechenlandhilfe bittet um Spenden

Denken die Griechen in Berlin anders über die Krise als ihre Verwandten zuhause? Nein, sagt Fotiadis, „die meisten sind sich einig, dass ein Signal an die Geldgeber fällig war: Es reicht! Die Sparvorgaben lösen die Probleme nicht.“ Auch konservative Griechen stünden hinter dem Nein zum Spardiktat der Geldgeber. Ob es aber diplomatisch immer klug war, wie Tsipras und Varoufakis agierten, sei eine andere Frage. Viele Griechen sind durch die Krise arbeitslos geworden, sie verlieren nach einem Jahr ihre Krankenversicherung. Für sie bittet das Berliner Forum Griechenlandhilfe, um Geldspenden, um vor Ort kostenlose medizinische Hilfe leisten zu können. Sprecher des Forums ist der Schauspieler, Liedermacher und Gastronom Kostas Papanastasiou, auch bekannt als Tavernen-Wirt in der TV-Serie Lindenstraße. Papanastasiou hat in seinem Restaurant „Terzo Mondo“ in Charlottenburg eine Anlaufstelle für die Griechenlandhilfe eingerichtet. Am Mittwochabend trifft sich das Forum wieder bei Papanastasiou, der als Alt-68er viel von globaler Solidarität hält. Die Vor-Ort-Hilfe in verschiedenen griechischen Städten wird von „Ärzte für die Welt“ organisiert. Ursprünglich war sie nur für Obdachlose und Asylbewerber gedacht.

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