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SPD-Kandidat Tobias Schick war im Finale auch von Linken, Grünen, Freien Wählern, CDU und FDP unterstützt worden. Er holte schließlich 68,6 Prozent.

© dpa/Frank Hammerschmidt

Wahlsieg gegen die AfD: SPD-Politiker Tobias Schick wird neuer Oberbürgermeister in Cottbus

Cottbus ist die rechte Hochburg Brandenburgs, doch diesmal scheitert die AfD mit ihrem Angstprogramm. Der SPD-Kandidat holt fast 69 Prozent der Stimmen.

Der SPD-Politiker Tobias Schick wird neuer Oberbürgermeister der Stadt Cottbus. Bei der Stichwahl um den Chefposten im Rathaus der Lausitzer Metropole gewann der 41-jährige Sozialdemokrat, frühere Leistungssportler und bisherige Geschäftsführer des Stadtsportbundes am Sonntag mit klarem Vorsprung vor dem AfD-Landtagsabgeordneten und Berufsfeuerwehrmann Lars Schieske.

Nach der Auszählung aller 106 Wahllokale kam Schick auf 68,6 Prozent, während Schieske mit 31,4 Prozent weit dahinter einlief. Schick – charismatisch, integrativ, pragmatisch – war im Finale auch von Linken, Grünen, Freien Wählern, CDU und FDP unterstützt worden, wofür er sich am Abend bedankte.

Er wisse, dass das nicht selbstverständlich sei, er hoffe, dass diese Zusammenarbeit zum Wohle der Stadt fortgesetzt werde, sagte Schick dieser Zeitung. Er habe in den sechs Monaten Wahlkampf, in den teils schwierigen Gesprächen mit Cottbusern „ein paar Kilo abgeworfen und sehr viel gelernt.“

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Möglicher AfD-Sieg sorgte für hohe Wahlbeteiligung

Er wolle im Amt auch diejenigen überzeugen, die blau gewählt haben: „Wenn wir in Cottbus etwas Ordentliches wuppen wollen, brauchen wir alle Unterstützung“. Zu den Gratulanten auf der Wahlparty der SPD in der Cottbuser Almhütte gehörte Harald Altekrüger, CDU-Landrat im Nachbarkreis Spree-Neiße. Er freue sich auf Schick, auf einen Oberbürgermeister, mit dem man auf Augenhöhe zusammenarbeiten könne, sagte Altekrüger.

79.812 Wahlberechtigte waren zu den Urnen gerufen. Die Wahlbeteiligung war mit 55,1 Prozent höher als im ersten Wahlgang. Die Oberbürgermeisterwahl in der mit 101.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Brandenburgs, die mitten im schwierigen Strukturwandel um den Ausstieg aus der Braunkohle in der Lausitz steht, war deutschlandweit mit Spannung erwartet worden. Denn die AfD hat mit Energiekrise und Ukraine-Krieg gerade landauf und landab wieder stärkeren Zulauf, im jüngsten Brandenburg-Trend des RBB lagen die seit 1990 regierende SPD und AfD landesweit in der Landtagswahl-Sonntagsfrage gleichauf mit 24 Prozent vorn.

Doch in Cottbus trug wohl gerade ein möglicher AfD-Sieg, mit dem die rechtsextreme Partei deutschlandweit erstmals in einer Großstadt den Oberbürgermeister gestellt hätte, zur Mobilisierung der strukturellen Mehrheit jenseits der rechtsextremen Partei bei.

Richtungswahl in Cottbus: „SPD? Ne, lass mal“, hieß es auf den Plakaten der AfD.
Richtungswahl in Cottbus: „SPD? Ne, lass mal“, hieß es auf den Plakaten der AfD.

© Foto: Thorsten Metzner

Schon am Nachmittag war die Wahlbeteiligung mit rund 43 Prozent – inklusive des 20-Prozent-Rücklaufs von Briefwahlvoten – für eine Stichwahl überaus hoch. Offenbar befürchteten viele, dass ein AfD-Stadtoberhaupt dem gerade spürbaren Push-Effekt für die Stadt schaden würde, in die für eine tragfähige Zukunft nach der Braunkohle derzeit Milliarden investiert werden.

Energie Cottbus: „Wir sind Rotweiss statt braun!“

So ist ein neues Bahnwerk (1200 Jobs) für die Wartung von ICE im Bau. Eine Universitätsmedizin wird an der BTU Cottbus-Senftenberg aufgebaut. Gerade hat der Kraftwerksbetreiber LEAG angekündigt, für zehn Milliarden Euro eine Gigawatt-Factory in der Lausitz zu errichten, Europas größten Solarpark. Und der marode Cottbuser Flughafen wird für Millionen saniert. Die Arbeitslosigkeit ist mit 7,8 Prozent in Cottbus zwar höher als im Landesschnitt, aber niedriger als etwa in Berlin (8,9 Prozent) oder in strukturschwachen westdeutschen Regionen.

Vor der Stichwahl zwischen SPD und AfD hatte eine Allianz demokratischer Parteien aufgerufen, Schick zu wählen, auch FDP, Freie Wähler und CDU. Linke und Grüne hatten von vornherein keine eigenen Kandidaten aufgestellt und für den SPD-Mann geworben. Auch Gewerkschaften, der evangelische Kirchenkreis, der Intendant des Staatstheaters Cottbus Stephan Märki und Gesine Grande, die Cottbuser Unipräsidentin, gehörten zu seinen Unterstützern.

Wahlsieger: Tobias Schick auf der SPD-Wahlparty in Cottbus.
Wahlsieger: Tobias Schick auf der SPD-Wahlparty in Cottbus.

© Foto: Thorsten Metzner

Noch am Vortag bezog auch Regionalligist Energie Cottbus öffentlich Position, mit einem Spot, in dem Spieler sich für Toleranz und gegen Ausgrenzung aussprachen: „Wir sind Rotweiss statt braun!“. Der Spot sei am Samstag beim Heimsieg gegen Lok Leipzig (3:1) im Stadion der Freundschaft erstmals und mehrfach gezeigt worden, teilte der Verein via Twitter mit. „Weil es richtig ist & weil es wichtig ist!“ Die Botschaft war klar, auch ohne direkte Erwähnung der OB-Wahl.

Und die SPD hatte im Ringen um Cottbus in den letzten zwei Wochen noch Prominenz aufgeboten, mit Auftritten von Generalsekretär Kevin Kühnert, Berlins Regierender Franziska Giffey und Ministerpräsident Dietmar Woidke.

Cottbus ist Hochburg von rechtsextremer Szene und AfD

Denn es ging um eine Richtungsentscheidung – für die Stadt selbst, aber wegen der Signalwirkung weit über Cottbus hinaus. Zwar hatte Schick schon im ersten Wahlgang der Oberbürgermeisterwahl am 11. September, bei der sieben Bewerber antraten, mit 31,8 Prozent die meisten Stimmen geholt – allerdings lag er nur mit knapp fünf Prozentpunkte vor Schieske mit 26,4 Prozent. Der Unterschied war nicht groß, zumal die Querdenker-Partei Die Basis auf vier Prozent kam. Und die AfD konnte sich gerade in Cottbus gute Chancen ausrechnen, das Rathaus zu erobern.

Der Cottbuser AfD-Politiker Lars Schieske holte 31,4 Prozent der Stimmen in der Stichwahl. Im ersten Wahlgang erhielt er 26,4 Prozent.
Der Cottbuser AfD-Politiker Lars Schieske holte 31,4 Prozent der Stimmen in der Stichwahl. Im ersten Wahlgang erhielt er 26,4 Prozent.

© Foto: dpa/Silke Nauschütz

Die Stadt gilt als der Hotspot der rechtsextremen Szene im Land. Das rechte Milieu hat sich hier über Jahrzehnte verfestigen können. Es hat sich ein Netzwerk aus Hooligans, Sicherheitsunternehmen, Neonazis und Modelabels etabliert, mit wirtschaftlicher Kraft. Politisch ist Cottbus die wohl stärkste Bastion der AfD im Land, die zur Landtags- und Kommunalwahl 2019 stärkste Kraft geworden war, zur Bundestagswahl 2021 zweitstärkste.

Schieske, der direkt in den Landtag gewählt worden war, nahm an Veranstaltungen des Vereins Zukunft Heimat“ teil, den der Verfassungsschutz Brandenburg als rechtsextremistisch einstuft. Um Schieske zu unterstützen, hatten die AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chruppala Auftritte in Cottbus absolviert. Der AfD-Kandidat hatte im Wahlkampf gegen „Bonzen“, „Ausländerkriminalität“ und einen drohenden Strukturbruch Stimmung gemacht. Über das klassische bisherige AfD-Wählerpotenzial – so sah es während der Auszählung aus – kam Schieske am Ende trotzdem nicht groß hinaus.

Cottbus gilt als schwer regierbar

Bleibt es dabei, würde die SPD mit der Cottbus-Wahl neben Potsdam nun wieder in zwei der vier kreisfreien Städte Brandenburgs den Oberbürgermeister stellen. CDU-Amtsinhaber Holger Kelch, der Cottbus seit 2014 regierte, war aus gesundheitlichen Gründen zur Wahl nicht wieder angetreten.

Die Amtsübergabe im Rathaus an seinen Nachfolger Tobias Schick ist für den 30. November vorgesehen. Danach beginnen für ihn die eigentlichen Herausforderungen. Cottbus, mit einer latenten Gefahr der Selbstblockade aufgrund von zersplitterten politischen Verhältnissen im Stadtparlament, gilt als schwer zu regieren.

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