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Mitten im Leben.

© Thilo Rückeis

Spendenserie: Das sichere Nest

Eine WG ermöglicht Schwerkranken das selbst bestimmte Leben. Der Trägerverein braucht Spenden, um die Räume fertig zu bauen.

Die schlichte rote Thermoskanne ist in dieser Geschichte mehr als nur ein Behälter für Heißes. Sie ist voller Ingwer-Orangen-Tee, den Michaela Hohenadel gebrüht hat. Die 54-Jährige hat die Kanne dann eine Weile in dem Korb vorn an ihrem Rollator umhergefahren, in dem sie alles mögliche durch die Wohnung transportiert. Und sie schließlich auf den adventlich geschmückten Esstisch gestellt. Das alles fällt ihr nicht so leicht wie anderen Menschen. „Dass ich hier weiter ein selbst bestimmtes Leben führen kann, ist mir sehr wichtig“, sagt sie. Dafür steht die Kanne.

„Durch die Krankheit ist man doch recht eingeschränkt, da ist man froh, im Alltag mehr Freiheit als in einem Pflegeheim zu haben.“ Michaela Hohenadel lebt im Wohnprojekt für schwer Kranke des Vereins „Netzwerk integriertes Wohnen“ (Niwo) an der Scharnweberstraße in Friedrichshain. Seit sieben Jahren funktioniert die Verbindung zwischen Nerven und Muskeln bei ihr nicht mehr richtig. Ataxie heißt die Krankheit. Dadurch ist sie auf den Rollator angewiesen. Ihre Mitbewohnerin Evelyn Bahlo, 52 und seit 20 Jahren an Multipler Sklerose (MS) erkrankt, hat ihren Rollstuhl schon am Tisch angehalten, vor einer hübschen Teetasse. So sitzen die beiden hier öfter gemeinsam – zum Teetrinken oder Mittagessen.

„Der jugendliche Charme des Kiezes ist einmalig, es gefällt mir hier so gut. Und die WG. Vorher habe ich ziemlich einsam in einer anonymen Hochhauswohnung in Steglitz gewohnt“, sagt Michaela Hohenadel. Den Entschluss wegzuziehen fasste sie, nachdem sie vor ihrer Haustür überfallen worden war. „Ich wollte in einer Gemeinschaft leben, die ein sicheres Nest bietet, etwa bei einer Katastrophe.“ Oder einfach im nicht immer ganz einfachen Alltag: „Ein Spaziergang auf der Straße oder eine Fahrt im Bus sind für mich wie für andere eine Alpenbesteigung. Zu Hause möchte ich mich ohne Hindernisse bewegen können.“

Kein Problem in der großen Wohnetage des Projekts mit fünf teils barrierefreien, teils rollstuhlgerechten Ein- und Zwei-Zimmer-Wohnungen, alle mit Duschbad und Küchenzeile falls die Bewohner mal keine Lust aufs Kochen in der Gemeinschaftsküche haben. Zum Konzept gehört auch noch ein angeschlossener Seminarraum im Erdgeschoss, in dem es Gesundheits-Workshops und Qigong-Kurse für die Bewohner geben soll – und für andere Interessenten aus dem Kiez. „Das hilft bei der Inklusion“, sagt die Architektin Inka Drohn, die den Verein 2008 gründete und das Niedrigenergiehaus plante, in dem das Wohnprojekt untergebracht ist. Ebenso wie das benachbarte buddhistische Hospiz, mit dem der Verein kooperiert. Durch die Arbeit dort kam sie auf die Idee, ein Wohnprojekt ins Leben zu rufen, in dem auch jüngere, teilweise lebensbedrohlich erkrankte Menschen einen Platz zum eigenständigen Leben finden – möglichst bis zuletzt.

Drei der Wohneinheiten der WG stehen aber noch leer. „Leider können wir die Wohnungen noch nicht so billig anbieten, wie wir wollen, weil wir ein hohes Darlehen für den Bau zurückzahlen müssen“, sagt Inka Drohn. Dafür sucht sie nach Spendern. Bei der Tagesspiegel- Spendenaktion hat sich der Verein aber beworben, weil auch Geld für einen Küchenumbau, elektrische Türöffner und eine Spezial-Badewanne für das Gemeinschaftsbad fehlt: „Wir hoffen, dass wir eine günstige Pflegewanne mit Lifter im Internet finden, für etwa 7000 Euro und es irgendwie schaffen, sie selbst einzubauen“, sagt Inka Drohn. Michaela Hohenadel guckt versonnen: „So ein Wannenbad wäre ein Supererlebnis für meinen Rücken. Im Wasser fühlt man sich so angenehm schwerelos. Ich träume schon von Aromatherapie.“

Infos zum Projekt: www.niwo-berlin.de; Tel. 29365796). Konto: Spendenaktion Der Tagesspiegel e. V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse (BLZ 100 500 00), Konto 250 030 942. Bitte Namen und Anschrift notieren. Onlinebanking ist möglich. Internet:www.tagesspiegel.de/spendenaktion

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