zum Hauptinhalt

Stadtleben: Erst an die Dame, dann auf die Zwölf

Doof kämpft gut? Von wegen. Frank Stoldt hat Muckis und Grips. Beides braucht er, wenn er heute bei der Schachbox-WM antritt

Intellectual Fightclub klingt doch gleich viel besser als Boxstall. Das hat sich auch der Berliner Schachbox-Verein gedacht und es an die Trainingsraumtür im Keller der Franz-Mett-Sporthalle in Mitte geschrieben. Ein Boxring, ein Tisch mit Schachbrett, zwei Stühle, weißes Neonlicht. Von der Decke baumeln abgewetzte Ledersandsäcke und an den Wänden kleben Schlagpolster, die aussehen, als ob sie schon viele linke Haken einstecken mussten.

Da stiefelt auch schon Schachboxer Frank Stoldt, 37, geboren und aufgewachsen im Wedding, herein. Fester Händedruck, offener Blick und wie bestellt der Satz: „Ich bin froh, Schachboxer zu sein. Das Publikum ist intellektueller. Keine Unterwelt, kein Rotlichtmilieu wie sonst beim Boxen.“ Damit hat Polizist Stoldt, der mal Berliner Kickboxmeister war, absolut nichts am Hut. Und mit einem Aktionskünstler wie Iepe Rubingh, der seit 2003 Schachboxkämpfe bewirbt, eigentlich auch nichts. Er sei Sportler, kein Künstler, sagt Frank Stoldt. Dass die Kombination aus Körper und Geist so unterschiedliche Leute anziehe, sei jedoch toll am Schachboxen. „Iepe hätte ich sonst nie kennengelernt. Höchstens festgenommen, weil er bei einer Kunstaktion mal wieder eine Straßenkreuzung gesperrt hat“, lacht er.

Sonnabendabend geht's für Frank „Anti Terror“ Stoldt um die Wurst. 2005 war EM, jetzt ist in der überschaubaren Liga schon WM. Und „der beste Schachboxer, den wir in Europa finden konnten“, wie Iepe Rubingh grinsend sagt, tritt im Halbschwergewicht gegen David „Double D“ aus den USA an. Nicht in der Max-Schmeling-Halle, sondern in der Lagerhalle des angesagten Tape Clubs in Tiergarten. Und umrahmt von Vorkämpfen, hippem Licht- und Sounddesign und einem Auftritt des alten Rap-Giganten Kurtis Blow bei der After Show Party.

„Der Amerikaner soll sehr intelligent sein“, sagt Frank Stoldt, der die meisten seiner 25 Kämpfe beim Schach gewonnen hat. Sechs Runden Schnell-Schach und fünf normale Boxrunden wechseln sich bei einem Kampf ab. Nach maximal elf Runden fällt die Entscheidung durch K.O. oder Schachmatt. Und damit jeder die Schlacht auf dem Schachbrett verfolgen kann, wird der Spielverlauf auf eine Leinwand projeziert und kommentiert.

Logisch, dass Favorit Stoldt den WM-Titel nach Berlin holen will. „Aber so ’ne Hass-Show unter Boxern wie bei den Kohle-Kämpfen, wo sich alle nur platt hauen wollen, gibt’s bei uns nicht." Der Bessere soll gewinnen. „Ich werd' den David mögen, er ist schließlich Schachboxer.“

Dass Boxen und Schach „beglückende Verbindungen“ in der ganzen Welt schafft, erlebt Bereitschaftspolizist Frank Stoldt jeden Tag. Im Auftrag der Uno bildet er im Kosovo seit Januar Polizisten aus und trainiert in einem albanischen Boxverein. „Die Halle ist eine Kriegsruine mit Einschusslöchern und zuerst konnte ich kein Wort Albanisch und die Albaner kein Englisch. Trotzdem haben sie mich so herzlich aufgenommen wie einen Freund.“ Genauso lief’s beim Schach, wo ihn alte Serben, die den ganzen Tag auf der Straße sitzen und spielen, wortlos willkommen hießen.

Bei aller Harmonie an Boxring oder Schachbrett wird Stoldts jungenhafte Stimme stählern, wenn er über seinen Idealsport philosphiert, mit dem er sich körperlich auspowern und mental fordern will. „Schach und Boxen ist Krieg und gewonnen wird er im Kopf“, sagt Frank Stoldt. Sieger werde, wer seine überschäumenden Emotionen so in den Griff bekommt, dass er weiter logisch denken kann. Läuft deshalb Meditationsmusik auf den Kopfhörern, die die Kontrahenten immer beim Schach tragen? „Nee, Meeresrauschen, damit wir die Zwischenrufe der Zuschauer nicht hören.“ Zum Schachboxen ist Frank Stoldt übrigens durch einen Tipp seiner Frau gekommen. Und weil der Sport die Charakterbildung fördert, sei er prima für den Nachwuchs geeignet, meint der Vater einer kleinen Tochter. Man lerne eben auch, Grenzen zu akzeptieren. „Irgendwann gibt es immer jemanden, der besser ist als du und der dich eines Tages schlägt“, sagt Frank Stoldt. Sonnabend aber nicht!

Tickets für die Schachbox-WeltmeisterschaftM in der Lagerhalle des Tape Clubs, Heidestraße 14 in Tiergarten, gibt's ab 15 Euro. Beginn ist am heutigen Sonnabend um 20 Uhr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false