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Max Scheibe

© David Heerde

Berlinrevue: Käpt’n Leidenschaft

Voll berauscht und subversiv: Der Entertainer Mark Scheibe lädt neuerdings zur Berlinrevue in den Admiralspalast.

Abends auf der Bühne ist der Herr Scheibe ein cooler Hund. Bei der Premiere seiner ziemlich genialen Berlinrevue kürzlich im Admiralspalast bot er das ganze Ausdrucksrepertoire vom zuckrigen Plauderer über den nervösen Nöler bis zum subversiven Sarkasten. Und wenn er singt, das 15-Mann-Orchester dirigiert, in die Klaviertasten haut und die Haartolle schüttelt, ist er ganz Käptn auf der „Geileere der Leidenschaft", wie's im fidelen Eingangssong der Revue heißt.

Tags in seiner Weddinger Wohnung – Boheme trifft Retroschick – räumt der Musiker und Entertainer Mark Scheibe erstmal Notenblätter und Kaffeetassen vom Tisch, legt ein Bettlaken als Decke auf und schleppt einen Sessel herbei. Das offene, leicht nervöse Jungsgrinsen passt ebenso zum Anzug wie seine raumgreifenden Bühnengesten.

Nach Berlin ist der 40 Jahre alte Bremer gleich zweimal gekommen: Zuerst Mitte der Neunziger, als er dem Tanztheaterfex Johann Kresnik als Ballettrepetitor an die Volksbühne folgte. „Da wohnte ich in einem besetzten Haus in Mitte“, erinnert er sich, „aber denen gefielen meine Anzüge nicht." Und dann endgültig 2001, als hier seine Tochter Lola geboren wurde und er vor allem verhindern wollte, „eine lokale Berühmtheit in Bremen zu werden“. Daran hat der musikalische Anarcho-Autodidakt als Fernseh- und Theaterkomponist, Playbackproduzent und vor allem als ständiger Pianopartner von Jörg Thadeusz beim Satiremagazin „Extra Drei" gearbeitet. Mit Thadeusz arbeitet er immer noch, aber jetzt beim RBB. Und komponiert auch für Rainald Grebe und Cora Frost.

Beim hauptstädtischen Clubpublikum ist Scheibe als Erfinder und Gastgeber des schrillen Montagsclubs in der Hotelbar in Prenzlauer Berg berühmt geworden. Und ein gut Teil dieser feierfreudigen Mitmachtruppe fand sich auch bei der ausverkauften erste Ausgabe der Berlinrevue ein. Ob der gerne auch mal laute Herr Scheibe ein Trash-Entertainer ist? Auf keinen Fall, versetzt er. „Ich will triviales Amüsement, aber auch Tiefe. Die Unterhaltung liegt mir sehr am Herzen, deswegen betreibe ich sie mit großem Ernst."

Das darf man getrost glauben, denn für jede Berlinrevue setzt sich Scheibe zwei Wochen hin und schreibt Arrangements. Jeder der acht Gäste von der Jazzerin Iris Romen über den Köpenicker Volksschauspieler Jürgen Hilbrecht bis zur coolen Anna Lanfer wird von fettem Orchestersound begleitet. Das hebt den ohnehin hochklassigen Talentschuppen deutlich auf Glamourniveau und zitiert zugleich unaufdringlich die Geschichte des Amüsiertempels Admiralspalast.

„Diese Verschwendung, Musik extra für einen Abend zu komponieren, die will ich haben", spricht Herr Scheibe und sieht dabei gar nicht wie ein Nostalgiker aus. Was sicher auch daran liegt, dass er die „champagnerhafte Melodie" eines süffigen Bossa Nova mit einem rabenschwarzen Text über Unterschichtenelend kontrastiert. Oder als Song des Monats den Nonsens-Titel „Nacktmulle" präsentiert.

Ein Jazzer, wie oft geschrieben, will die alle Nase lang zum Klavier hopsende Betriebsnudel mit der Tolle aber nicht genannt werden. Er wolle Romantik und Rausch, sagt Scheibe, dazu sei ihm jedes Mittel recht: egal ob Swing, Tango, Soul oder Walzer. „Die Stile sind nur Klangfarben, mit denen ich male." Sogar vor Gunter Gabriels Gassenhauer „Komm unter meine Decke" macht er nicht halt: der hat zwar nicht wirklich was mit Berlin zu tun, aber erheitert dafür als Lounge-Version in Salonjazz, schräge Neue-Musik-Nummer und Schunkeleinlage für Hippster.

Klar, dass ein Maniac wie Mark Scheibe mit der Berlinrevue Großes vor hat: mehr Publikum, ein größeres Orchester und immer originellere Gäste. Die dürfen sogar mal Nachwuchsmusiker aus Bremen sein, wo Scheibe im Auftrag der Deutschen Kammerphilharmonie Simon Rattle mit dem preisgekrönten Schülerbildungsprojekt „Melodie des Lebens" Konkurrenz macht.

Als Gastgeber ist Herr Scheibe abends auf der Bühne übrigens genauso fürsorglich wie tagsüber daheim. Seine Anmoderationen sind fast so respektvoll wie die Arrangements. Seine Botschaft an Sängerinnen und Sänger lautet: „Deine Musik ist groß und gehört ganz groß gespielt."

Berlinrevue im Admiralspalast, immer am ersten Montag im Monat um 20 Uhr. Am 1. September unter anderem mit Johanna Zeul und Flowin' Immo. Karten kosten 12 Euro plus VVK.

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