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Stadtleben: Sag mir, wo die Blumen sind

100 Jahre Fleurop: Am 17. September 1908 gründete der Kreuzberger Max Hübner den ersten floristischen Versandhandel

Zehn Jahre vor der Novemberrevolution strahlte der Adel noch in vollem Glanze, und ein Geschäftsmann konnte sich glücklich preisen, wenn er beispielsweise als „Hoflieferant des Prinzen Hermann von Sayn-Wittgenstein“ auftreten durfte. Im „Berliner Adreßbuch 1908“ findet sich dieser Eintrag, kostengünstig abgekürzt, unter dem Namen des Blumenhauses Theodor Hübner in der Prinzenstraße 29 parterre, gegründet 1866, nunmehr, wie ein augenfälligerer Eintrag ergänzt, „Berlins größte Blumenbinderei“.

Eine für die deutsche wie die internationale Floristik traditionsreiche Adresse: In der Kreuzberger Prinzenstraße hatte der damalige Inhaber Max Hübner die Idee zu der von ihm initiierten, in Berlin heute vor 100 Jahren gegründeten „Blumenspende-Vermittlungs-Vereinigung“. Ein sperriger Name für eine damals neue, noch immer florierende Geschäftsidee: Der aus zunächst 98 Geschäften bestehende Verband wurde die Keimzelle des Blumenversandhandels Fleurop.

Max Hübner war nicht allein ein fantasievoller, selbst über die rechte Warenpräsentation nachsinnender Geschäftsmann, sondern ebenso ein geschickter Lobbyist, der erste Vorsitzende des 1904 ebenfalls in Berlin gebildeten Verbandes Deutscher Blumenhändler. Der Blumenhandel in den Städten hatte damals eine erste Blütezeit, die Verbandsgründung war eine Reaktion auf den Trend zur Blüte und sollte ihn langfristig stärken. Aber ärgerlich war es schon, wenn die Blumengrüße, vom selben Händler verkauft und versandt, beim Empfänger nur mit hängenden Köpfen ankamen.

Hübner trennte erstmals Verkauf und Versand, erfand die Arbeitsteilung, die im Prinzip noch heute gilt: Der Kunde kauft hier, der Händler nimmt Kontakt zu einem Verbandsmitglied am Zielort auf, und dieser liefert dort den Strauß aus. Das ging nur mit technischen Hilfsmitteln, mit Telefon und besonders Telegramm, für das Hübner gleich einen Codeschlüssel erfand, standardisierte Abkürzungen für die Aufträge: Man telegrafierte „jomax“ – und schon stand auf der Schleife des Blumengebindes „Dem genialen Künstler“, eine Lobpreisung, die es bei Künstlerinnen leider nicht gab. Sie mussten sich mit „cidon = unübertrefflich“ oder „ladut = groß“ begnügen.

Das Berliner Modell machte bald auch international Schule: 1910 wurde in den USA im großen Stil die „Florist’s Transworld Delivery Association“ aufgezogen, ein Austausch über den Atlantik hinweg kam durch den wenige Jahre später ausbrechenden Weltkrieg nicht mehr zustande. Erst nach dessen Ende konnte die Geschäftsidee weiter wachsen und gedeihen, über die Grenzen hinweg und wieder mit dem Blumenhändler Max Hübner, Berlin-Kreuzberg, an der Spitze. 1927 wurde er in Zürich zum ersten Präsidenten der europäischen Blumenspenden-Vermittlung gewählt, für die sich bald der Name Fleurop, zusammengezogen aus „flores Europae“, einbürgerte.

Heute ist die deutsche Fleurop AG mit Sitz Berlin und rund 9000 angeschlossenen Händlern Teil eines international agierenden Firmenkonglomerats, zu dem 50 000 Floristen in 150 Ländern gehören. Zum 50-jährigen Jubiläum hatte man sich eine neue Zentrale in der Lichterfelder Lindenstraße 3–4 spendiert, dort sitzt das Unternehmen noch heute. Zum 100-Jährigen wurde der Bau umfassend saniert und aufgehübscht, und man darf wohl davon ausgehen, dass zum heutigen Jubiläumstag auch reichlich Blumengrüße eintreffen.

Heute gegen 12.30 Uhr starten vom Pariser Platz aus 100 Blumen-Boten die Aktion „Fleurop beschenkt Berlin“. Ausführlich hat sich der Autor Frank Wendler mit der Firmengeschichte befasst: „100 Jahre Fleurop. Eine Kulturgeschichte“. Nicolaischen Verlagsbuchhandlung, Berlin. 178 Seiten, 40 farbige, 40 schwarzweiße Abbildungen, 24,90 Euro

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