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© David Heerde

Filmfestival: Ungehobene Schätze

Heute startet das „Festival des gescheiterten Films“ im Babylon Mitte. Gezeigt werden ambitionierte Filme jenseits des Mainstreams, die bisher nur Absagen bekommen haben.

Etliche Tage unbezahlter Arbeit, Kosten in Höhe einer Weltreise und beinah niemanden interessiert das Ergebnis: Das ist die Erfahrung vieler junger Filmschaffender. Sie drehen mit Enthusiasmus und Herzblut einen Kurzfilm, reichen ihn bei zahllosen Festivals ein und bekommen im besten Fall eine Absage. Meistens gibt es gar keine Reaktion.

So erging es auch Kamerafrau Anja Theurich und Regisseur Hagen Döcke aus Friedrichshain. 2007 drehten sie „Rudi Pilunske – Eine Schrankenwärtergeschichte“, Theurichs Diplomabschlussfilm an der Beuth-Hochschule für Technik in Wedding. Jetzt nimmt der 16mm-Streifen am „Festival des gescheiterten Films“ teil, das heute im Babylon Mitte am Rosa-Luxemburg-Platz startet.

Die 18 Minuten über den Tag des Bahnwärters Rudi Pilunske entstehen an sechs Drehtagen in einem kleinen Dorf in der Prignitz: Mit fast zwanzig Teammitgliedern, vielen Dorfbewohnern als Statisten und der finanziellen Unterstützung von Theurichs Familie in Höhe von rund 10 000 Euro. Nach einer zweimonatigen aufwendigen Postproduktion, in deren Rahmen der Film sogar englische und französische Untertitel erhält, reicht Döcke das Werk bei zahlreichen deutschen und ausländischen Festivals ein – erfolglos. Und das, obwohl Theurichs Dozenten begeistert sind von der sorgfältigen Machart des Films und seiner ungewöhnlichen, langsamen Erzählweise. „Genau die war wohl das Problem: Wenn in den ersten zwei Minuten nicht etwas richtig Aufregendes passiert, schafft ein Film es heutzutage nicht ins Festivalprogramm“, sagt Döcke, der Mediengestalter gelernt hat, als freier Kameramann sein Geld verdient und sich seine Leidenschaft, Regie zu führen, nur als Hobby leisten kann. „Das war schon alles sehr enttäuschend damals. Besonders schlimm ist aber, dass du heute kaum eine Chance beim Film hast, wenn deine Werke nicht auf den wichtigen Festivals gelaufen sind“, sagt Anja Theurich.

Gedreht werden ambitionierte Filme jenseits des Mainstreams immer wieder – vorausgesetzt, das nötige Kleingeld ist vorhanden. Doch das heißt eben noch lange nicht, dass diese Werke dann auch ihr Publikum finden. Deshalb sind Theurich und Döcke sehr froh, dass ihr „Rudi Pilunske“ im Rahmen des Festival des gescheiterten Films nun zusammen mit rund 70 anderen Filmen in mehreren deutschen Städten gezeigt wird, darunter Berlin, Frankfurt und Hamburg. Was den vermeintlich negativ konnotierten Titel des Festivals angeht: Mit dem hätten sie überhaupt kein Problem, sagt Döcke lächelnd. Im Gegenteil, Scheitern sei ein großer Teil des Lebens und Voraussetzung für jede Weiterentwicklung.

Auch die 30-Jährige Theurich hat nach der schlechten Erfahrung mit der Schrankenwärtergeschichte nicht aufgegeben. Sie dreht weiter Kurzfilme – womit sie kaum etwas verdient, weshalb sie nach wie vor auf die Unterstützung durch ihre Familie angewiesen ist – und bewirbt sich zurzeit für ein Kamera-Aufbaustudium an der „Hamburg Media School“. Einer ihrer Lieblingsregisseure ist der Chinese Wong Kar-Wai („In the mood for love“). Theurich bewundert dessen Erzählkunst und „dass er jedem einzelnen Bild die Berechtigung gibt zu sein. Ich frage mich – ist es denn nicht auch in Deutschland möglich, solche Filme zu machen?“ Eva Kalwa

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