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Jägerblick. Steinadler werden König der Lüfte genannt. Sie symbolisieren Mut und Kraft.

© dpa

Steinadler in Brandenburg: Der Wappenvogel kehrt zurück

In Brandenburg brüteten Steinadler letztmals im Jahre 1876. Jetzt entdeckt der „König der Lüfte“ wieder seine alte Heimat. Vermutlich kommen die beobachteten Adler über die Ostsee aus Skandinavien.

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Sie standen an einem Acker bei Alt-Tucheband in Märkisch-Oderland und beobachteten Wildgänse: zwei Vogelkundler der Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburgischer Ornithologen. Plötzlich schnatterten die Gänse und blickten aufgeregt zum Himmel. Zwischen Nebelschleiern segelten zwei Adler heran. Den einen erkannten Wolfgang Koschel und Bernd Bischof sofort: brettartig breite Flügel, Spannweite 2,50 Meter, bulliger Körper, keilförmiger Schwanz – ein Seeadler. Toller Anblick, aber in Brandenburg keine Seltenheit mehr. Der andere aber, den hätten sie eher an Felswänden der Dolomiten oder im schwedischen Fjällen-Gebirge erwartet als über der Alten Oder. „Ein Steinadler!“, rief Bernd Bischof seinem Freund zu. Der riss das Fernglas hoch. Kein Zweifel: Es war der König der Lüfte.

Der Zeitpunkt der ungewöhnlichen Begegnung ist in der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg in Buckow (Landkreis Havelland) genau vermerkt. Es war am 14. Dezember 2013, um die Mittagszeit. Die zwei erfahrenen Hobby-Ornithologen aus Berlin hatten ihr Erlebnis sofort der Fachwelt gemeldet. Es bestätigt Experten, die schon lange vermuten, dass Steinadler in absehbarer Zukunft in Brandenburg wieder heimisch werden könnten. „Man sieht diese majestätischen Vögel schon seit einigen Jahren ab und zu bei uns“, sagt der Präsident des Landesamtes für Umwelt und Gesundheit, Matthias Freude. Ihm selbst war das bereits vor einiger Zeit im Havelland vergönnt. Offiziell registriert sind bislang aber nur wenige Beobachtungen: durchschnittlich ein bis drei pro Jahr.

Die Schwingen sind kürzer als die vom Seeadler

„Wir wussten sofort, das ist eindeutig ein Steinadler“, sagt Wolfgang Koschel. Die Schwingen rund 30 Zentimeter kürzer als beim Seeadler, außerdem schlanker, nach außen verjüngt. Der Schwanz abgerundet, das Federkleid tiefbraun. Nur eine halbe Minute konnten sie sein Flugbild genießen. Ruhig segelte dieser seltenste Vertreter der Adlerfamilie im Wind dahin, „wie mit dem Himmel verbunden“. Dann verschwand er im Dunst.

Adlerland Brandenburg. Etwa 160 Seeadler leben derzeit zwischen Spreewald und Uckermark. Falls der Steinadler hinzukommt, sind die Vorbilder für den stilisierten Roten Adler im gut 800 Jahre alten Landeswappen wieder komplett. Aquila chrysaetos, so sein lateinischer Name, wäre keinesfalls ein zugezogener Exot. Ebenso wie der Wolf oder Luchs, die im vergangenen Jahrzehnt langsam zurückgekehrt sind, gehörte auch der Steinadler bis Mitte des 19. Jahrhunderts zur gewohnten Fauna der Mark. Steinadler waren damals von den Alpen bis zur Nord- und Ostseeküste verbreitet. Doch eine Ausrottungskampagne gegen alle Adlerarten machte ihnen ein Ende. Da sie manchmal Lämmer, Hühner oder Gänse schlugen, galten die großen Greifvögel als Schädlinge. Mit Fallen, Giftködern und Gewehr brachte man sie zur Strecke oder zerstörte die Eier im Horst. Vom Seeadler überlebten das in Brandenburg nur wenige Exemplare, die Steinadler verschwanden gänzlich. Das letzte Paar brütete 1876 in der Schorfheide. Seine Verwandten überlebten nur in den Felswänden der Alpen, wo man sie schwerer jagen konnte und ihre Horste sicherer waren. Doch auch dort setzte man ihnen heftig nach. „Mein erster Adler ... der heiß ersehnte Schuss“, schrieb der alpenländische Heimatautor Ludwig Ganghofer noch um die Jahrhundertwende in seinen Jagdgeschichten. Erst 1925 wurde der Steinadler in Deutschland unter Schutz gestellt. Heute leben in Bayern noch 50 Brutpaare.

Im Anflug auf die Mark. Steinadler sind etwas kleiner als die in Brandenburg bereits wieder heimischen Seeadler.

© Imago

Halten konnten sich die Steinadler auch in den Gebirgsregionen Osteuropas, Skandinaviens und in Schottland. Aber inzwischen finden sie offenbar langsam auch wieder am Flachland Gefallen. In Dänemark und auf Gotland sollen bereits mehrere Brutpaare leben. Vogelkundler gehen davon aus, dass es sich bei den in Brandenburg gesichteten Tieren um jüngere Vagabunden aus Skandinavien handelt, die möglicherweise auf der Suche nach neuen Revieren sind. Der Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte, Torsten Langgemach, spricht von Gastvögeln. „Steinadler sind mit etwa fünf Jahren geschlechtsreif“, erklärt er. Danach bleiben sie ihrer Partnerin und ihrem Revier meist ein Leben lang treu – und das kann mehr als 30 Jahre dauern, bei Vögeln ein biblisches Alter. Das Weibchen legt pro Jahr nur ein bis zwei Eier, die Jungvögel werden spätestens zur nächsten Balz aus dem Horst und Revier vertrieben. „Dann gehen sie auf eine Zerstreuungswanderung, wie einst unsere Handwerksgesellen“, sagt Langgemach. Bevorzugt tun sie das in den Wintermonaten – und geraten so auch nach Brandenburg.

Die Mark ist durchaus ein geeignetes Steinadlerland. Es gibt extrem dünn besiedelte Gegenden, große, alte Bäume, in die die Steinadler gern ihre Horste bauen – und genügend Niederwild wie Kaninchen, Wildgänse oder Füchse. „So ein Steinadler sieht zehnmal so gut wie wir Menschen und hebt mit seinen dolchähnlichen Klauen ein Beutetier hoch, das ebenso schwer ist wie er selbst – bis zu 6,5 Kilogramm“, sagt Adlerexpertin Brigitte Kraft vom Landesbund für Vogelschutz Bayern. Sie hat schon viele der mächtigen Vögel im Fernglas bewundert. „Wäre ja toll, wenn das auch in Brandenburg wieder möglich wäre“, sagt sie – und schwärmt vom spektakulären Girlandenflug der balzenden Paare. „Sie steigen auf und ab und machen manchmal sogar eine Rolle rückwärts.“

Wollen Sie Fischadler beobachten? Hier geht es

Die Fischadler sind zurück aus dem Süden: Im Herbst zogen sie in ihre Quartiere in Nordafrika, im Gegensatz zu den See- und Steinadlern, ihren größeren entfernten Verwandten. Diese verbringen auch den Winter in Mitteleuropa. Wie die Seeadler waren auch die Fischadler in Brandenburg in den fünfziger Jahren durch Verfolgung fast ausgestorben. Seither hat sich der Bestand erholt, vor allem seit dem Verbot des Pestizids DDT in der DDR in den siebziger Jahren. Live im Nest der Fischadler dabei sein kann man mit einer Web-Cam der Sielmann-Stiftung an den Groß Schauener Seen.

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