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Ein Pkw fährt Mitte Dezember am Tempelhofer Damm an einem Schlagloch vorbei. Nach dem kürzlichen Wintereinbruch treten im gesamten Stadtgebiet verstärkt Straßenschäden auf, die durch Frost entstanden sind.

© dpa

Streit um Finanzmittel: Viele Schlaglöcher auf Berlins Straßen bleiben ungestopft

Nur zögerlich und teilweise zu spät hat Finanzsenator Ulrich Nußbaum den Bezirken Geld zur Verfügung gestellt, um Schlaglöcher zu reparieren. Ein Teil der Mittel könnte deshalb verfallen. Kritik am Senator kommt nun sogar aus der eigenen Regierungskoalition.

Kaum ist der erste Schnee geschmolzen, zeigen sich Berlins Straßen wieder in ihrem gewohnt erbärmlichen Zustand – und nach jedem Frost wird es schlimmer. Manche dringend notwendige Reparatur bleibt liegen, und an vielen Baustellen stockt nicht nur der Verkehr, sondern auch die Arbeit. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) hat den Bezirken in diesem Jahr nur zögerlich die Hälfte der vom Abgeordnetenhaus bewilligten Sondermittel zur Schlaglochbeseitigung zur Verfügung gestellt, zum Teil zu spät für die notwendigen Ausschreibungen und Genehmigungen. Dafür kritisiert den Finanzsenator jetzt selbst die Regierungskoalition.

„Selbst mit verbundenen Augen merkt man sofort, wenn man in Berlin ist, weil das Auto zu ruckeln beginnt“, sagt Spandaus Baustadtrat Carsten Röding (CDU). Auf rund 600 Millionen Euro wird der Bedarf geschätzt, um das desolate Straßennetz instand zu setzen. Allein 60 Millionen pro Jahr wären nötig, um zu verhindern, dass sich der Straßenzustand weiter verschlechtert.

Tatsächlich stehen den Bezirken in diesem Jahr 32,5 Millionen Euro für den Straßenunterhalt zur Verfügung, 2013 sollen es 35,5 Millionen werden. Dazu kommt das Schlaglochsonderprogramm von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD). 25 Millionen Euro pro Jahr hat das Parlament dafür in den Doppelhaushalt eingestellt. Doch unter Hinweis auf den milden Winter 2011/12 hat der Finanzsenator die Sondermittel in diesem Jahr auf 13 Millionen gekürzt und will hinsichtlich 2013 abwarten, wie hart dieser Winter den Straßen zusetzt.

Ende Juli wurden den Bezirken zunächst fünf Millionen Euro bewilligt, Ende September folgten weitere acht Millionen. Viel zu spät, heißt es in den Tiefbauämtern. Acht Wochen dauert bei einer öffentlichen Ausschreibung das Vergabeverfahren, mindestens vier weitere Wochen die behördliche Anordnung durch die Verkehrslenkung, sagt Stadtrat Ulrich Davids, der in Mitte den Baudezernenten vertritt. Die späte Bereitstellung hat zu einer Häufung von Baustellen zum Jahresende geführt, durch die Vielzahl von zeitgleichen Anträgen haben sich die Bearbeitungszeiten bei der Verkehrslenkung deutlich verlängert. Einige Bauarbeiten werden deshalb wohl in diesem Jahr nicht mehr beginnen.

„Für die Verantwortlichen in den Bezirken ist es medial und politisch kaum vermittelbar, dass zwar Geld für die Beseitigung von Schlaglöchern vorhanden war, aber es zum wiederholten Male an der Umsetzung haperte“, sagt Ulrich Davids. „Es entsteht der Eindruck, die Bezirke wären grundsätzlich nicht in der Lage, die angeforderten oder bereitgestellten Mittel in einer angemessenen Zeitspanne zu verausgaben.“ Marc Schulte (SPD), Stadtrat für Stadtentwicklung in Charlottenburg-Wilmersdorf, spricht deshalb von einer „Luftnummer“ Nußbaums, „um den Bezirken den Schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben“.

Davids fordert neben der dauerhaften Erhöhung der Straßenunterhaltungsmittel eine Abkehr von der Jahresbindung, damit Bauarbeiten auch ins Folgejahr verschoben werden können. Die restlichen zwölf Millionen dürfen nicht zum Jahresende verfallen, sondern müssen ins kommende Jahr übertragen werden, meinen auch die Baustadträte Röding und Schulte. Die Kommunalpolitiker dringen zudem darauf, dass die Mittel für 2013 frühzeitig bereitgestellt werden. Als „komplett absurd“ bezeichnete der Spandauer Baustadtrat das Argument, die Sondermittel seien nur für die Beseitigung einzelner Schlaglöcher aus dem jeweiligen Winter gedacht. „Die Maßnahmen, die damit finanziert und von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung akzeptiert wurden, betreffen größere Straßenabschnitte auf Hauptverkehrsstraßen.“

Auch in den Koalitionsfraktionen trifft die Schlagloch-Politik des Senats auf Unverständnis. „Es gibt genug Schlaglöcher, die zu schließen sind, und an keinem steht geschrieben, aus welchem Winter sie stammen“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Heiko Melzer. „Unsere klare Erwartungshaltung ist, dass die Bezirke für beide Jahre die vollen 25 Millionen Euro nutzen können und ihnen 2013 genug Zeit zur Verfügung steht, die Mittel zu verbauen.“ Als „sehr unerfreulich“ bezeichnete auch der stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses Daniel Buchholz (SPD) das Verhalten des Senators. „Wir wollen, dass die Mittel von den Bezirken auch ausgegeben werden können, dafür haben wir sie in den Haushalt eingestellt.“

Der ADAC forderte am Montag den Aufbau einer „Schlagloch-Feuerwehr“, um Straßen umgehend wenigstens provisorisch ausbessern zu können. Unabhängig davon müssten die Straßen jetzt endlich systematisch erneuert werden, sagte Vorstand Volker Krane.

Haben Sie Aufnahmen von Schlaglöchern auf Berlins Straßen? Schicken Sie Ihre Fotos und Erfahrungsberichte per Mail an leserbilder@tagesspiegel.de.

Sie wollen das Thema "Schlaglöcher" mit Humor nehmen? Hier geht's zur Kolumne unseres fiktiven Redaktionspraktikanten Cedric zu Guttenberg zum Thema Schlagloch-Bingo.

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