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Tempelhofer Park: Hauptsache mit Wiesenmeerblick - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren bewahrten die Entwürfe für den künftigen Tempelhofer Park zwar die Weite, aber der Senat wollte zumindest die Ränder bebauen. Was Stefan Jacobs darüber schrieb.

Die Stadtentwicklungssenatorin ist eine halbe Stunde früher da, um den Geist des Ortes zu atmen. Am besten geht das beim Blick aus den Fenstern unterm Hangardach, denen das wetterbedingt wieder sattgrüne Wiesenmeer des Ex-Flughafens zu Füßen liegt wie einem Hochsitz. Der Ort im Flughafengebäude ist also passend gewählt, um die sechs Entwürfe zu präsentieren, auf deren Basis die Gestaltung des Tempelhofer Parks weiter geplant werden soll. Während die ersten Besucher nahen, schaut Ingeborg Junge- Reyer zufrieden auf den Park, in dem die Berliner samt Schnauze und Riesenschnauzer so friedlich koexistieren wie sonst selten: Griller bringen ihren Müll in die Tonnen, Hunde werden an der Leine in die Auslaufgebiete geführt, Skater und Radler teilen sich die breiten Wege mit Spaziergängern, die Vogelschutzgebiete werden allein dank freundlicher Hinweisschilder akzeptiert, und die Reißt-den- Zaun-nieder!-Chaoten sind seit dem Eröffnungswochenende verschwunden.

Als häufigste Resonanz erlebe sie die Mahnung, die in Berlin einmalige Weite nicht zu zerstückeln, sagt Junge-Reyer, die nun vor etwa 100 Diskussionsteilnehmern Platz genommen hat. „Wir werden sehr genau zuhören“, verspricht sie dem Publikum für dieses Wochenende, das der Bürgerbeteiligung gewidmet ist.

Der Respekt vor der Weite prägt auch die sechs Entwürfe, die eine Jury aus 78 eingereichten Arbeiten ausgewählt hat. Das Berliner Büro Topotek 1 zeigt eine von Wegen durchzogene „Stadtsavanne“, die von Baumgruppen eingerahmt wird, aber in der Mitte frei bleibt. Nur dezente, kreuzförmig gestaltete Elemente wie Sportplätze und Bänke sind vorgesehen.

Auf den Randbereich konzentriert sich auch das Berliner Büro bbzl, das vor allem den äußeren Rundweg attraktiver machen will. „Der ist mit knapp sechs Kilometern so lang wie die Strecke von der Siegessäule zum Alex“, erklärt die Planerin Ulrike Böhm. Der große Bogen vom West- zum Südrand soll deshalb einer Küstenlinie nachempfunden werden – mit weitem Blick vom Waldrand aufs Wiesenmeer. Von der Neuköllner Seite her sollen Stege in das tiefer liegende Gelände ragen; an anderen Stellen können parzellierte Themengärten entstehen.

Der Dresdner Planer Till Rehwaldt bestückt die Riesenwiese mit ovalen Fesselballons, die er „Temploide“ nennt. Außen führen elliptische Wege entlang, die auch die künftigen Stadtviertel queren. Diese Baugebiete – Wohnen am Columbiadamm und an der Oderstraße, Gewerbe am Tempelhofer Damm und an der Ringbahn – waren neben der Erhaltung von Gebäude und Startbahnen eine Vorgabe im Wettbewerb. Sie bringen manche Parkfans schon jetzt in Rage, wie die in Gang gekommene Diskussion erweist. Ein Linksparteigänger aus Tempelhof vergleicht die Bebauung der Ränder mit dem Verkauf von Seegrundstücken, der wenigen nütze und Tausende strafe. Eine Frau äußert sich „geschockt über die gewaltigen Bebauungspläne“, ein weiterer Anrainer meint, er sehe „keinen Mehrwert“. Andere fürchten, dass der Schillerkiez durch neue, teure Nachbarn nicht nur optisch vom Park abgeschnitten, sondern für viele unbezahlbar werde.

Junge-Reyer will Mietsteigerungen nicht ausschließen, aber per Bundesratsinitiative zumindest bremsen, sofern der Berliner Vorstoß dazu genug Unterstützerländer finde. „Keinesfalls entstehen abgeschlossene Gebiete“, stellt sie klar, aber der Bedarf an neuem Wohnraum in der Stadt sei durchaus vorhanden. Entlang der Stadtautobahn und Ringbahn wiederum sei „moderne und innovative Produktion sinnvoll und richtig“, sagt die Senatorin und erinnert daran, dass der Senat noch vor zwei Jahren als ideenlos gescholten worden sei, weil er den allergrößten Teil der vier Quadratkilometer großen Fläche frei lassen wollte.

Das Pariser Planungsbüro Base will das Wiesenmeer ebenfalls erhalten, aber mit inselartigen „Satelliten“ bestücken, die für allerlei Aktivitäten genutzt werden können. Wofür genau, solle das Volk entscheiden, etwa per Onlineabstimmung.

Das Berliner Büro Capatti Staubach gibt dem Park eine Energieplantage und einen Aussichtshügel. Nur die Kollegen von Gross.Max aus Edinburgh bepflanzen auch den zentralen Bereich mit Wald.

Bei schönem Wetter sind jedes Wochenende weit mehr als 20 000 Besucher im Park. Ein Stammgast wünscht sich einen Badesee, den ihm Junge-Reyer aber nicht versprechen mag. Die spektakuläre See-Idee lief ohnehin außer Konkurrenz.

Andere monieren profane Probleme wie fehlende Sitzgelegenheiten und Behindertenparkplätze sowie allzu lange Wege. Junge-Reyer stellt einen neuen Eingang an der Paradestraße in Aussicht und verspricht, dass das Prinzip „umsonst und draußen“ – mit Ausnahme der Gartenschau IGA 2017 – weiter gelte. Doch dass der Park an seinen Rändern durch Neubauten angenagt werden soll, fassen manche Parkfans als Drohung auf.

Ausstellung im Bauteil A2: So. 11–18 Uhr, Diskussion mit Reiner Nagel (Abteilungsleiter Sen Stadt) 11 Uhr, Präsentation 14 Uhr. Vom 30.8. bis 12.9. tgl. 12 bis 18 Uhr.

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"

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