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Organist mit Leib und Seele. Kantor Helge Pfläging, hier an der Englischen Orgel in der Templiner Maria-Magdalenen-Kirche.

© Annette Kögel

Spendenaufruf in Templin: Kantor sammelt Geld für Glockenspiel

Helge Pfläging ging von Berlin nach Templin. Er ist Kantor, er liebt Orgeln – und sammelt für ein Glockenspiel. Dazu führt er auch hinter die Kulissen.

„Sind Sie schwindelfrei?“ Diese Frage stellt Helge Pfläging all jenen Besuchern, die er ausnahmsweise mitnimmt ins Heiligste der Kirchenorgel, in ihr Innenleben, auf die mittlere Etage, zwischen die 2 708 Orgelpfeifen. Dafür muss man eine steile Holzleiter heraufkraxeln, wie man sie sonst noch von Hochbetten oder alten Scheunen auf dem Dorf kennt. Willkommen in einem der größten Gotteshäuser im Norden Brandenburgs, willkommen in der evangelischen Maria-Magdalenen-Kirche in der Mittelaltermauerstadt Templin. Also die Holzstiege hinauf.

Da hockt sich der 38-jährige gebürtige Berliner und Kantor mit einem Licht in der Hand vor all die Abstrakten-Züge. Die bewegen sich, wenn er die Tasten unten an den Manualen der Schuke-Orgel von 1994 anschlägt. Dann öffnen die hölzernen Verbindungen per Zug die Ventile zu den Pfeifen, und die Kirche wird vom Orgelklang erfüllt. Pfläging liebt seine Orgeln, das sieht man schon am Strahlen im Gesicht. „Die Orgel ist ein omnipotentes Instrument“, sagt der Kirchenmusiker, „sie hat eine ergreifende Klangfülle, da bebt der Bauch, und ich kann mit ihr ein ganzes Orchester imitieren.“ Nur Rhythmus erzeugen, das geht nicht, aber dafür lädt Helge Pfläging dann mal Bläser und Paukenspieler ein, „auch eine sehr erhebende Sache“.

Jetzt kommt der Ex-Berliner in der Uckermark wieder hoch aus der Hocke. Da, wo er jetzt steht, da wünscht er sich ein Glockenspiel. „Es ist etwa so groß wie eine Kommode“ – so ein Schalenglockenspiel würde er gern einbauen lassen, so eines, wie es in der Lindenkirche in Wilmersdorf steht. „Damit kann man alles, was Melodie hat, noch mehr hervorheben, barocke Stücke wunderbar ergänzen und lustige Lieder auch für Kinder spielen.“ Oder, so wie Helge Pfläging es ausdrückt: „Dann fliegt das Zuhörerherz richtig hoch.“ Dafür will der Kantor, dessen Heimatgemeinde einst die Hoffnungskirche Neu-Tegel in Nordberlin war, jetzt nicht nur an seinen Orgeln alle Register ziehen. „Eigentlich bräuchte ich einen Lottogewinn“, sagt er. Oder einen Mäzen. Oder ganz viele Einzelspender. Oder innovative Ansätze für Projekte gemeinsam mit dem Landkreis, für dessen Unterstützung er zuletzt schon sehr dankbar gewesen sei und den er „ja nicht belästigen will“.

25 000 Euro kostet das Glockenspiel

Dass Templin, die Stadtgemeinde mit insgesamt rund 16 250 Einwohnern, so einen agilen Kirchenmann seit dem 1. Juli 2013 in ihren Reihen zählt, hat eigentlich mit den Kirchensparzwängen in der deutschen Bundeshauptstadt zu tun. „Ich wollte mal andere Luft schnuppern und war auch auf der Suche nach einer vollen Stelle“, erzählt Pfläging. Die fand er dann erst mal ab 1.1.11 im Landkreis Dahme. „Aber da musste ich die Reißleine ziehen, da hätte ich mit dem Kirchenchor nichts Großes auf die Beine stellen können.“ Anders als vergangenes Wochenende, als beim Weihnachtskonzert viele der 800 Plätze besetzt waren und der Schülerchor des Gymnasiums Templin „Vocalensemble XL“ mit 60 Jugendlichen und die 40 Kantoreichorsänger die Kirche erfüllten. Die beiden schellenglockenhellen Zimbelsterne der größten Orgel der Uckermark läuteten zwar nicht, aber dafür kann man sie Heiligabend hören.

Und so ein Glockenspiel? Das würde 15 000 Euro kosten, der Einbau mit allem Drum und Dran noch mal 10 000 Euro, rechnet Pfläging vor. Eigentlich würde er ja gerne das wegen Zahlungsschwierigkeiten der ukrainischen und russischen Kunden von der Insolvenz bedrohte brandenburgische Unternehmen Schuke mit einem Auftrag unterstützen. Doch das Geld hat er ja nicht. Aber immerhin Erfahrungen mit leidenschaftlichem Spendensammeln, etwa bei den Orgelmatineen.

Mit etwas Glück zur Orgel

So konnte er dank Spenden der Templiner, auch aus der Region, den Motor der Englischen Orgel erneuern. Die steht auf der anderen Kirchenseite, links vorm Altar. Da, wo auch die alte, filigran gearbeitete Geldspende-Schatztruhe ruht, die wohl schon der alte Kurfürst hatte aufstellen lassen. Bei der Englischen Orgel hatte Helge Pfläging insofern Glück, als dass diese dem alten Besitzer in Lorsch bei Darmstadt beim Aufbau rund 15 Zentimeter zu groß war und nicht passte. „Dumm gelaufen“, sagte Pfläging lächelnd. Das Angebot fand der Kantor im Internet, und so landete die Orgel aus Großbritannien letztlich in der Templiner Kirche. Deren Feldsteinfundamente wurden im 15. Jahrhundert gelegt. Das große Gotteshaus mit seiner Holzbalkendecke und der inzwischen grünen Schuke-Orgel wurde nach dem Wiederaufbau nach dem Stadtbrand anno 1749 eingeweiht.

Der Templiner Bürgermeister Detlef Tabbert ist selbst kein Kirchenmitglied, er ist auch parteilos, für die Linke im Stadtparlament. Aber Tabbert hat in letzter Zeit viel mit Kirchen zu tun, der evangelischen, der katholischen, und der freikirchlichen Baptistengemeinde. Gerade hat er den Schilderstreit der klassischen Kirchen mit Rüdiger Weida und seiner anerkannten Glaubensgemeinschaft der Dogmenkritiker von der Satirekirche der Fliegenden Spaghettimonster nonchalant geschlichtet.

Eigene Masten für Nudelmessenschilder

Der „Bruder Spaghettus“ durfte, wie berichtet, seine Nudelmessenschilder erst mal an den Städtepartnerschaften-Schildern Templins befestigen. Die Kirchen wollten sein Schild nicht an ihren Gottesdienst-Masten haben. Nun darf der Kirchenkritiker eigene Masten kaufen und aufstellen, die auf seine freitäglichen Nudelmessen in seiner ausgebauten Kirche auf seinem Grundstück in Röddelin, Gemeinde Templin, hinweisen. Im Piratenoutfit, an dem Altar mit Bierflaschen.

Rüdiger Weida schätzte zu DDR-Zeiten immerhin einzelne Pfarrer der oppositionellen Kirchen. Auch Pfläging liebt die Freiheit, er will die Kirchenmusik durchlüften und die Menschen mit positiven Werken beleben. Vielleicht sogar mit einem neuen Glockenspiel. Pfläging könnte das womöglich schaffen. Schließlich bedeute sein Autokennzeichen OHV, wie der Wahl-Uckermärker lächelnd sagt: „Organisten haben Vorfahrt“.

Maria-Magdalenen-Kirche, Martin-Luther-Straße 24, 17268 Templin. 24.12.: 15 Uhr Krippenspiel, 17 Uhr Gottesdienst mit Bläsern und Kantorei-Musik. 31.12.: ab 23 Uhr Orgelknaller wie Bachs Toccata und Fuge D-Moll oder „Pomp and Circumstances“ mit Videoübertragung. Mitternacht auf dem Kirchturm mit Ausblick und Glockengeläut. 2015 wird Bachjahr. Eintritt frei, Spenden erbeten. Am 27.9. kommen Die Prinzen und am 7.11. Angelika Milster in die Kirche. Karten: Kirchenbüro 03987 7142. Karten und Kontakt zu Helge Pfläging: 03987 201 551. E-Mail: ev.kirche.templin@t-online.de; www.kantorei-templin.de.

Spenden für das Glockenspiel bitte an „RKVA Eberswalde“, IBAN DE 74520604100503901742, BIC: GENODEF1EK1 – Stichwort „Schuke-Orgel“.

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