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Weiter besetzt. Auf dem Kreuzberger Oranienplatz rücken Flüchtlinge und Unterstützer wieder zusammen. Foto: Britta Pedersen/dpa

© dpa

Berlin: Ultimatum für den Oranienplatz

Die alten Zeltbewohner sind weg, einige neue wollen bleiben. Nun verliert der Innensenator die Geduld.

Der Senat will das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz nicht länger dulden. „Unsere Geduld ist am Ende“, erklärte Innensenator Frank Henkel (CDU). Er forderte die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), ultimativ auf, den Platz räumen zu lassen. „Ich werde sie schriftlich auffordern, bis zum 16. Dezember die Schlafzelte entfernen zu lassen“, sagte Henkel. Andernfalls werde der Senat sein Aufsichtsrecht wahrnehmen. „Rechtlich sind auch weitergehende Maßnahmen denkbar, die bezirkliche Verantwortliche persönlich betreffen."

Monika Herrmann twitterte eine erste Reaktion: „Verliert der Innensenator jetzt die Nerven? ...Völlig unverhältnismäßige Überreaktion.“ Herrmann hatte angekündigt, das Camp nicht räumen zu lassen, obwohl sich ein Teil der Flüchtlinge und ihre Unterstützer nicht an den vereinbarten Kompromiss zur Auflösung des Camps hielten. Auf dem Platz übernachten weiterhin 10 bis 20 Besetzer.

Im Infozelt hängt mittlerweile ein Einsatzplan für die Nachtwache. Im Internet, auf der Seite „Refugee Strike Berlin“, werden Freiwillige für die Nachtschichten gesucht. Es geht darum, bei ersten Anzeichen einer polizeilichen Räumung eine Unterstützerdemo heranzutelefonieren. Das Protestcamp ist gut organisiert.

Mehr als 100 Flüchtlinge vom Oranienplatz waren am Sonntag in Notunterkünfte umgezogen, weit mehr als ursprünglich geplant. „Das ist eine tolle Leistung“, sagt Tania Gärtner, die seit Monaten humanitäre Hilfe leistet. Ins Camp seien inzwischen „andere Leute“ eingezogen, zu denen könne sie nichts sagen. Der Betrieb funktioniert weiter wie gehabt: Es gibt Strom und Gasflaschen für die Beheizung der Zelte. In der Nacht zu Dienstag blieb es ruhig, hieß es bei der Polizei – anders als am Sonntagabend, als bei einer Spontandemonstration 31 Polizeibeamte verletzt worden waren. Militante Demonstranten, wahrscheinlich aus dem linken Spektrum, attackierten die Polizisten mit Flaschen und Steinen und besprühten sie mit Reizgas. Silvia Brinkhus, Sprecherin der Gewerkschaft der Polizei Berlin (GdP), sagte dazu am Dienstag: „Es kann nicht sein, dass Chaoten eine solche Gelegenheit nutzen, ihren Unmut über die Situation als solche auf diese Weise an der Polizei auszulassen. Die Beamten machen nur ihren Job und sind sicherlich auch nicht begeistert, zum Prellbock der Politik zu werden.“ Auch der Vorsitzende des Innenausschusses, Peter Trapp (CDU), betonte: „Steine, Flaschenwürfe und Reizgas sind keine Argumente, um Forderungen durchzusetzen. Die Polizei ist lediglich in Amtshilfe tätig und unsere Polizisten dürfen nicht verheizt werden.“

Von den Flüchtlingen hat sich bisher niemand von den Attacken auf die Polizei distanziert. Auf einer Pressekonferenz im Camp wurde vor allem die Bürgermeisterin angegriffen. Sie habe versucht, die Protestbewegung zu spalten. Ein Haus zur Verfügung zu stellen, reiche nicht aus. Die Leute von „Refugee Strike“ betrachten auch die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg inzwischen als feindlich gesinnt, obwohl diese die wesentlichen Forderungen der Flüchtlinge teilen.

Zu den Gegnern von links gesellen sich die von rechts. Sozialsenator Mario Czaja (CDU) macht Herrmann für die Verwirrung beim Umzug in ein Heim der Caritas verantwortlich. Dort waren Flüchtlinge aus Hamburg untergeschlüpft, die offenbar in Berlin bessere Perspektiven für sich sehen als an der Elbe. CDU-Generalsekretär Kai Wegner pflichtete dem Parteikollegen bei. „Bezirksbürgermeisterin Herrmann trägt die Verantwortung für die Eskalation der Lage.“ Sie müsse die Besetzung des Platzes umgehend beenden.

Monika Herrmann teilte gestern über die Internetforen Twitter und Facebook mit, dass sie wegen der Bezirksamtssitzung am Dienstag keine Zeit für Interviews habe (siehe auch nebenstehender Text). Am Mittwoch wollen die Flüchtlingsaktivisten von „Refugee Strike“ wieder um 15 Uhr vom Oranienplatz bis zu ihrem Amtssitz in der Yorckstraße ziehen und dort bis 20 Uhr demonstrieren. Vielleicht ändern sie ja noch die Demoroute und ziehen vor das Rote Rathaus. Letztlich wird dort entschieden.

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