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Christoph Sanft leitet das Salonorchester Berlin. Er spielt Piano, Akkordeon und Saxophon.

© privat

Deutsch-polnische Evergreens in Berlin-Steglitz: "Unsere musikalischen Wurzeln sind nah beieinander"

Das Salon-Orchester Berlin lässt deutsche und polnische Tanzmusik der 20er und 30er Jahre wieder aufblühen. Ein Interview.

So nah und doch so fern: Polen liegt nur eine Autostunde von Berlin entfernt, polnischstämmige Berliner sind die zweitgrößte Migrantengruppe an der Spree. Doch Künstler aus Polen und Berlin arbeiten noch selten zusammen – beispielsweise musikalisch. Christoph Sanft, Leiter des Salon-Orchesters Berlin, will das ändern. Gerade gab das Orchester im Zehlendorfer Bürgersaal ein ausverkauftes Konzert mit polnisch-deutschen Evergreens und Sängern aus Polen.

Herr Sanft, was ist ihre Idee?

Ist es nicht merkwürdig: Wir leben hier nah an der Grenze zu Polen, aber viele Berliner haben eine wesentlich engere Beziehung zur Kunst und Kultur westeuropäischer Länder. Und wie viele Berliner sprechen Polnisch? Ganz wenige.

Beherrschen Sie die Sprache?

Ich lerne seit vielen Jahren Polnisch. Auch weil ich finde, wir sollten Polen genauso selbstverständlich als EU-Land betrachten wie Frankreich. Deshalb haben wir mit dem Verein für Interkulturelle Begegnungen unser grenzüberschreitendes Projekt begonnen, fokussiert auf Salon- und Tanzmusik der 20er und 30er Jahre.

Wie gingen Sie vor?

Wir haben erst mal elf polnische Evergreens für unsere Instrumentalbesetzung mit Piano, Akkordeon, Geige, Trompete, Posaune, Saxophon, Schlagzeug und Bass sowie für Sänger neu arrangieren lassen. Schon spürten wir, wie nah unsere musikalischen Wurzeln beieinander sind, Takt und Rhythmen ähneln sich verblüffend. Selbst Titel, von denen wir noch nie gehört hatten, waren uns rasch eingängig wie Ohrwürmer.

Welche Titel haben sie ausgesucht?

Zum Beispiel „To ostatnia niedziela“, übersetzt „Dieser letzte Sonntag“. Oder den Tango „Odrobine szczescia“, das heißt: Ein bisschen Glück. Beide Stücke hat Jerzy Petersburski komponiert. Sie sind in Deutschland kaum bekannt, im Gegensatz zu Petersburskis Lied „Tango Milonga“, das später – mit einem deutschen Text – als „Oh Donna Clara“ ein Welthit wurde. Aber wir haben auch deutsche Evergreens geprobt, die später in Polen populär wurden wie „Julischka“ oder: „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“.

Welche polnischen Künstler wirken bei ihren Konzerten mit?

In Zehlendorf waren Malgorzata und Marek Picz vom Chor der Deutschen Oper als Sänger dabei.

Und ihre Zukunftspläne?

Wir haben viel Zuspruch, auch aus der polnischen Community. Das Projekt ist uns wichtig, gerade weil beide Länder eine belastete gemeinsame Geschichte teilen und die Differenzen auch heute heftig sind. Weitere Konzerte sind schon in Planung – und einige der Evergreens spielen wir wieder bei unserem Silvester-Ball im Bürgersaal Zehlendorf.

Christoph Sanft (56) ist Mitbegründer und Leiter des Salonorchesters Berlin. Das Salonorchester hat Tradition: Es existiert seit 1980/81. Mehr Infos gibt es auf www.salonorchesterberlin.de.

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