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Sein oder Nichtsein. Zoodirektor Bernhard Blaszkiewitz erläuterte gestern im Tierpark das Ergebnis der Obduktion am Modell eines Eisbären-Schädels. Foto: dapd

© dapd

Untersuchungsergebnis: Knut war nicht zu retten

Jetzt ist es amtlich: Der Eisbär-Star Knut litt an einer Hirnentzündung und ertrank. Möglicherweise sind auch andere Eisbären im Zoo mit dem Erreger infiziert.

Sie wirken wie die Geschworenen, als sie am Freitagmorgen durch die Flügeltür in den pompösen Saal des Schlosses Friedrichsfelde treten: Institutsdirektoren, Chefs von Zoo und Naturkundemuseum, Mediziner. Acht Referenten sind erschienen, um die Todesursache des berühmtesten Zootieres der Welt zu verkünden.

Die Pathologin Claudia Szentiks vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung trägt die Diagnose vor: Knut sei ertrunken, weil sein Gehirn entzündet war – wohl infolge einer Infektion. Die Untersuchungen seien noch nicht vollständig abgeschlossen. Es könne Wochen oder Monate dauern, den Erreger zu identifizieren. Vermutlich sei es ein Virus, aber gerade bei Wildtieren seien fast unendlich viele Möglichkeiten denkbar.

Deshalb ist das Ausschlussprinzip einfacher: BSE und das übergeordnete TSE fallen ebenso aus wie Tollwut, Staupe, Parasiten, Toxoplasmose und Trichinen. Und: „Dieser Eisbär litt nicht unter Stress, er hatte auch kein Trauma.“ Anderenfalls hätte man Spuren an den Nebennieren gefunden, aber die seien normal gewesen. Im Übrigen habe man alle Organe untersucht und dabei keine Missbildungen gefunden, die auf einen Gendefekt schließen lassen würden. Zu der von besorgten Fans des Eisbären in Umlauf gebrachten Stress-Theorie fügt Zoodirektor Bernhard Blaszkiewitz hinzu, dass Knut in Gesellschaft der drei älteren, ihm gegenüber teils aggressiven Weibchen rund 30 Kilo zugenommen habe. „Davon verstehe ich was“, sagt Blaszkiewitz, aber es wird nicht ganz klar, ob er Stress meint oder Gewichtszunahme. Eine Journalistin hinten im Raum murmelt, dass man durch Stress auch dick werden könne.

Der Tierpathologe Achim Gruber von der Freien Universität sagt, fast alle Regionen von Knuts Gehirn seien schwer geschädigt gewesen. Es sei erstaunlich, dass sich der Bär bis zu dem Krampfanfall vor zwei Wochen normal verhalten habe. Möglicherweise habe Knut selbst die Krankheit gespürt, aber nicht unbedingt gelitten. Wildtiere ertrügen großen Schmerz, ohne dass man es ihnen ansehe, sagt Gruber.

Die Fachleute sind sich einig, dass Knut todgeweiht war: Für eine Behandlung sei die Erkrankung zu schwer gewesen. Ungewiss ist, ob auch Knuts Mitbewohnerinnen infiziert sind. Laut Blaszkiewitz gibt es keine Indizien. Ohne Kenntnis des Erregers könne man die Übertragungsgefahr nicht beurteilen, sagt Szentiks. Und einen Eisbären prophylaktisch in den Computertomografen zu schieben, sei unmöglich. Das Risiko für die Pfleger dürfte wegen der genetischen Unterschiede und der Distanz zwischen Bären und Menschen gering sein.

Pathologie sei eine Sache, sagt Zoo-Vorstand Gabriele Thöne, Gefühle eine andere. Als Botschaft von Knut bleibe über dessen Tod hinaus, dass der menschgemachte Klimawandel den Lebensraum seiner Artgenossen bedrohe. Außerdem bleibe der Schmerz seiner Fans, weshalb „ein Ort der Trauer und des Gedenkens“ notwendig sei. Daher lasse der Zoo eine Bronzeplastik des kleinen Knut fertigen.

Das Fell des Bären ist ans Naturkundemuseum vergeben. Eine Dermoplastik – der Fachbegriff für „Ausstopfen“ – von Knut könne Teil einer späteren Ausstellung über den Klimawandel werden, sagt Museumsdirektor Ferdinand Damaschun. Man habe hervorragende Spezialisten für die Arbeit. Heute wollen Knuts Freunde am Zoo gegen das Vorhaben protestieren. Auch sie wollen des Eisbären gedenken. Nur versteht jeder etwas anderes darunter.

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