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Berlin: Volk und Wurst

Gestern war definitiv der letzte Tag für die Grillbude am Brandenburger Tor

Thomas Heeder – Jeans, Lederjacke, Feinrippshirt – sagt zum Beispiel „Wir sind das Volk“ oder „Der Kunde ist König“. Das sind Sätze, die bleiben, auch wenn nun Schluss ist mit der Wurstbude am Pariser Platz, der momentan berühmtesten in Deutschland. Am letzten Tag kommt sogar der Bayerische Rundfunk. Und RTL. Da improvisiert man schnell eine Pressekonferenz.

„Gucken Sie sich doch nur die Schlange an. Das ist doch Wahnsinn.“ Heeder und sein Kompagnon Curt Bösenberg wollen sich gar nicht beruhigen. Bei einer selbstverfertigten Umfrage hätten sich 99,5 Prozent für die Bude ausgesprochen. „99,5 Prozent“, wiederholt Heeder ehrlich erschüttert. „Das spricht doch für sich.“ Trotzdem müssen Heeder und Bösenberg jetzt die Trauerfeier organisieren. 11 Uhr, Pariser Platz: Die Würstchenbude mit der schönen Sandsteinattrappe und dem grünen Plastikdach wird zu Grabe getragen. Fünf Jahre stand sie vor dem Tor, als Zuflucht für alle Hungrigen.

Nun muss sie weg, weil sie die Würde des historischen Ortes stört, befand Stadtentwicklungssenator Strieder. Aus Solidarität hat sich eine große Wurstbudenlobby eingefunden. Bis zu 30 Menschen stehen an, um ein letztes Mal ihr Recht auf Currywurst einzulösen. „Die Wurst muss hier bleiben“, ordnet Malermeister Bernd Schultze aus Caputh an. Unternehmer müssen schließlich zusammenhalten, wenn der Staat sich mal wieder derart unvorteilhaft einmischt. „Wird ja allet kaputtverwaltet.“ Es brodelt schon ein wenig in der hungrigen Menge.

Verkäuferin Brigitte Weise fordert angesichts der ausweglosen Lage einen Aufstand. „Nur weil et irgendwelchen Heinis nicht gefällt, soll die Bude hier weg?“ Aber es gibt auch versöhnliche Stimmen. Ein Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung sähe den Grillstand lieber auf der anderen Seite des Tores – was Strieders Verwaltung ebenfalls abgelehnt hat. Und Peter Grosch, Architekt, hat zwar gerade eine Bratwurst verputzt und überdies viel Verständnis für die „Berliner Lebensfreude“, wäre aber um des Platzes willen lieber hungrig geblieben.

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