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Grauer Flitzer. Der von Volkswagen neukonstruierte Elektrorennwagen I.D. R Pikes Peak beim Training am Devil's Playground.

© Andreas Conrad

I.D. R Pikes Peak: Volkswagen unter Strom

Die mit dem Akku-Renner gewonnenen Erkenntnisse will Volkswagen auch für die Entwicklung der elektrischen Serienwagen nutzen.

Große Stapel blauer T-Shirts hatte das Team von Volkswagen-Motorsport vorsorglich bedrucken lassen, um im Falle eines Sieges auch optisch triumphieren zu können, dass sein eigens entwickelter Akku-Rennwagen beim berühmten, seit 1916 jährlich ausgetragenen Bergrennen „Pikes Peak International Hill Climb" nahe Colorado Springs einen neuen „Electric Record“ aufgestellt habe. Doch als am vergangenen Sonntagvormittag vor dem Garagenzelt im Fahrerlager die Hemdchen unter dem Jubel der Projektleiter, Ingenieure und Mechaniker verteilt wurden, war der Aufdruck schon überholt. Hatte doch VWs Weltklasse-Fahrer Romain Dumas in dem grauen I.D. R Pikes Peak die knapp 20 Kilometer lange, durch 156 Kurven von 2862 auf 4302 Meter über dem Meeresspiegel führende Strecke in nur 7:57.148 Minuten durchsaust und damit nicht allein den bestehenden Elektro-Streckenrekord um eine ganze Minute, sondern sogar den Allzeitrekord um 16 Sekunden unterboten.

Ausgerechnet ein Elektro-Motorrad war gestürzt

Dabei hatte der Tag nicht gerade optimal begonnen. Anfangs sah es noch nicht nach einem „Race to the Clouds“ aus, wie das Rennen in den Rocky Mountains zu Recht respektvoll genannt wird, präsentierte sich der Gipfel vor strahlendem Blau. Aber bei der den Rennwagen vorgelagerten Sektion der Motorräder war ausgerechnet der Fahrer eines Elektro-Krads gestürzt. Erster Abbruch des Rennens also, eine gute halbe Stunde Unterbrechung, während derer sich dicke Wolken heranschlichen und einen Teil der Piste einnässten. Erst danach durfte Dumas in seinem I.D. R starten, mit dem er sich beim Qualifying die Pole-Position erkämpft hatte. Alles andere hätte zum Problem werden können. Die Strecke am Pikes Peak (Motto: „The mountain decides“) ist kein Rundkurs, sondern eine Einbahnstraße. Wenn einer der Wagen, wie es hier nicht selten geschieht, verunglückt, wird das Rennen unterbrochen und alle folgenden müssen zurück auf Los. Für Benziner kein Problem, die Mechaniker kippen dann eben schnell ein paar zusätzliche Liter in den Tank. Beim Elektroauto aber müssen die Akkus aufgeladen werden und das dauert. Selbst beim Schnelladesystem des I.D. R bis zu 30 Minuten.

Zwei identische Elektromotoren mit einer Gesamtleistung von 680 PS treiben den Wagen an, versorgt werden sie von Lithium-Ionen-Batterien – ein fein abgestimmtes Miteinander, bei dem sogar die optimale Temperatur der mal zu kühlenden, mal zu erwärmenden Akkus eine Rolle spielt. Am Pikes Peak zählen dabei nicht Ausdauer und Reichweite, sondern nur geballte Kraft bis zum Gipfel. Runter könnte der Wagen zur Not ohne Antrieb rollen. Klar, man könnte ein paar Akkuzellen mehr einbauen, aber dann würde er schwerer, was die zusätzliche Kraft wieder aufwöge, so erklärte es Willi Rampf, ehemals Renningenieur bei Formel-1-Teams, später Technischer Direktor bei Volkswagen Motorsport und dort eigens für das Projekt I.D. R als Berater reaktiviert. Erfahrungen und Kenntnisse seien dabei gewonnen worden, die wiederum der Entwicklung der elektrischen Serienautos zugutekämen, sagte Rampf. Auch die Ingenieure im VW-Werk Braunschweig – dort konzentriert der Konzern seine Entwicklung und Fertigung von Batteriesystemem – hätten daran mitgewirkt.

1987 hatte Walter Röhrl auf Audi gesiegt, der VW war ausgefallen

Viel war am Rennwochenende im VW-Team von der großen technischen Herausforderung die Rede, die der laut Rampf von „Management und Marketing“ erst vor neun Monaten beschlossene Bau des Akkurenners bedeutet habe, doch ist der Erfolg am Berg vielschichtiger. Ausgebügelt ist damit die unvergessene Schlappe von 1987 beim bisher letzten VW-Einsatz am Pikes Peak, als der doppelt motorisierte Renn-Golf kurz vor dem Ziel liegenblieb und Walter Röhrl auf Audi siegte. Vergessen fürs erste das Diesel-Debakel, kam der mittlerweile ungeliebte Kraftstoff in den vielen um den I.D. R kreisenden Vorträgen, Gesprächen und Interviews doch allenfalls am Rande vor, und dies sogar in positiver Form. Das Monstrum von einem Generator, das den Wagen mit Strom versorgt, wird mit Glyzerin betrieben, das sei ein Abfallprodukt der Biodiesel-Produktion, ließ Rampf wissen.

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Doch vor allem hat VW mit dem I.D. R jetzt einen prima „Botschafter der Elektromobilität“, wie Sven Smeets, Direktor von Volkswagen Motorsport, es umschrieb, während Frank Welsch vom Markenvorstand Volkswagen Pkw, Geschäftsbereich „Technische Entwicklung“, ihn gar als Vorboten der neuen I.D.-Familie reiner, voll digitalisierter Elektro-Volkswagen pries. Eine Familie, die sich schon durch die Namen von der Vergangenheit der Benziner und Diesel abzugrenzen versucht. Waren die noch noch in den Siebzigern gerne nach Ballspielen (Golf, Polo) oder Winden (Passat, Scirocco) benannt worden, geht nun eine Generation mit futuristisch anmutenden Namenskreationen wie Buzz, Vizzion oder Crozz an den Start, als erste eine kompakte viertürige Limousine, die 2020 auf den Markt kommen soll und bislang nur unter dem Kürzel I.D. läuft. Dafür gibt es ein ganzes Bündel von Erklärungen, von Innovative Driving bis Intelligent Driving.

Wobei es in der Tat ebenso innovativ wie intelligent ist, auf einer Strecke wie am Pikes Peak auf Strom zu setzen. Herkömmliche Autos mit Verbrennungsmotoren verstänkern nicht nur die klare Bergluft, sondern verlieren beim Klettern durch deren permanent sinkenden Sauerstoffgehalt immer mehr an Leistung. Für einen E-Renner ist das kein Problem, nur sein Fahrer schnappt dann schon mal nach Luft. So hatte auch Dumas beim Rasen am Berg zusätzlichen Sauerstoff dabei, wollte sich allerdings nicht, wie er vor dem Rennen verriet, über eine Atemmaske oder gar Nasensonde versorgen, sondern durch einen Schlauch zwischen den Lippen. So ein Rennwagen ist schließlich keine Intensivstation.

Technische Daten

Abmessungen (L/B/H): 5,2 m / 2,35 m / 1,2 m
Antrieb: Zwei Elektromotoren mit einer Gesamtleistung von 680 PS bei einem Drehmoment von 650 Nm
Mindestgewicht: 1100 Kilo (inkl. Fahrer)
Höchstgeschwindigkeit: 240 km/h, von 0 auf 100 km/h in 2,25 Sekunden

Der Autor reiste auf Einladung von VW zum Bergrennen auf dem Pikes Peak.

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