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Berlin: Von Tisch zu Tisch: Ristorante Landhaus am Poloplatz

Willkommen im alten West-Berlin! Damals, innerhalb der Mauern, wurde jede grüne Wiese zum Aufbau von Ausflugsrestaurants genutzt, ja, es gab in den späten Achtzigern sogar eine kleine Edelfresswelle im Grünen.

Willkommen im alten West-Berlin! Damals, innerhalb der Mauern, wurde jede grüne Wiese zum Aufbau von Ausflugsrestaurants genutzt, ja, es gab in den späten Achtzigern sogar eine kleine Edelfresswelle im Grünen. In deren Rahmen entstand hoch im Norden, dort, wo Frohnau am grünsten ist, ein schniekes kleines Landhaus mit Blick auf den Poloplatz, der zur Kulisse gesellschaftlicher Höhepunkte ausersehen schien. Die Bewirtschaftung übernahm, soweit ich mich erinnere, der Schweizerhof, der auch seinen gewesenen Küchenchef entsandte. Kind und Kegel reisten zum Champagnerschlürfen und Turnier-Gucken, hübsch nobel, geradezu hanseatisch war es dort droben. Die kleine Berliner Welt sah eine kleine Weile aus wie eine Fotoszene aus einem Gourmet-Magazin.

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Dann kam die Wende und machte nach und nach die innerstädtischen Ausflugsrestaurants überflüssig. Auch der Durchbruch des Polosports blieb mangels Millionären aus, und so kippte die Stimmung, und nur noch die große Uhr auf der Terrasse des noblen Landhauses erinnerte an bessere Zeiten. Es zog ein italienisches Restaurant ein, und das wäre es gewesen, gäbe es das italienische Restaurant nicht immer noch. Neulich habe ich es durch Zufall wiedergefunden - und fand die Speisekarte interessant.

Erster Eindruck von innen: Ähm. Ein architektonisches Wunderwerk war das Ding zwar nie, aber es ist doch erstaunlich, was ein Dutzend Betriebsjahre in einem bürgerlich-modernen Dekor anrichten können; wenigstens den Teppichboden sollte mal jemand erneuern. Doch es locken edle Schnäpse und professioneller Service, und so kann man sich dennoch wohl fühlen. Die Speisekarte ist zum Teil handgeschrieben und sehr klein, dazu gibt es . . Nein, erst die Weine: Eine kundig ausgesuchte, nicht sehr große Kollektion der besten Italiener zu verblüffend niedrigen Preisen. Der 98er Vintage Tunina von Jermann mag nicht der größte Jahrgang dieses tollen Weißweins sein, dennoch dürfte er kaum irgendwo sonst für 89 Mark auf der Karte stehen - allein so etwas lohnt die Anreise auch aus Zehlendorf.

Auf den Tellern dann, jenseits des angetrockneten Baguettes, interessante Normalität. Es wird typisch italienisch-ehrgeizig gekocht, was letzte technische Perfektion meist ausschließt. So hätten wir uns die Kombination von Seezungenfilets und Hummer durchaus saftiger, den Spinat dazu etwas weniger weich vorstellen können; dennoch wurde durch die feine, sanft süße Sauce mit Trockenbeerenauslese eine sehr runde Sache draus (46 Mark). Auch die knusprige Wachtel auf Rucola mit ein paar aromatischen Steinpilzen gefiel uns als angenehm würzige Vorspeise (14 Mark). Die hausgemachten Bandnudeln wurden ganz schlicht nur mit Gemüsestreifen und etwas Olivenöl angerichtet (13 Mark), und dann gab es noch zartes, saftiges Spanferkel mit Kartoffelplätzchen, das zwar keineswegs italienisch anmutete, aber seine 28,50 Mark dennoch wert war. Abwärts ging es erst bei den wenig einfallsreichen Desserts, denn die Kombination von zwei Schokomousses schmeckte äußerst vorgefertigt. Sollte sie nicht aus der Fabrik gekommen sein, kann sich der Küchenchef die Mühe des Selbstmachens auch sparen. Etwas besser gelangen die knusprigen süßen Cannelloni, aber die Süßigkeiten sind sicher nicht die Stärke dieser Küche.

Doch alles in allem lohnt ein Besuch gerade für den möglichen Fall aufkeimenden Frühlings, und für Fans guter italienischer Weine. Droben im einst so kulinarischen Berliner Norden hat dieses Restaurant nicht viel Konkurrenz. Vielleicht ist ja mal ein neuer Teppichboden drin.

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