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Update

Debakel bei Berlins Industrie- und Handelskammer: IHK-Präsident Daniel-Jan Girl überraschend abgewählt

Daniel-Jan Girl muss nach nur neun Monaten sein Amt abgeben. Grund: Er hat seinen Sitz in der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer verloren.

Seine überraschende Wahl im September 2021 hatte frischen Wind in Berlins Industrie- und Handelskammer (IHK) gebracht. Nun fegt offenbar genau dieser Wind ihn selbst aus dem prestigeträchtigsten Ehrenamt der Berliner Wirtschaft: Daniel-Jan Girl muss sein Amt bei der nächsten Sitzung der Vollversammlung, dem höchsten beschlussfassenden Gremium der Kammer, am 28. Juni abgeben. Grund: Bei den in den vergangenen Wochen durchgeführten Wahlen hat er nicht mehr die nötigen Stimmen für einen Sitz in der Vollversammlung (VV) erhalten. Das teilte die IHK am Dienstagnachmittag mit.

Demnach haben mehr als 17.000 Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Stimmen für 230 Kandidatinnen und Kandidaten abgegeben. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 6,3 Prozent der Gesamtheit aller Unternehmen der Hauptstadt. Sie sind automatisch Mitglieder der IHK.

Knapp 47 Prozent der neu gewählten Vollversammlungsmitglieder sind Frauen, hieß es. In der vergangenen Legislaturperiode lag der Anteil nur bei 30 Prozent, der Bundesschnitt liegt bei 22 Prozent. 63 Kandidatinnen und Kandidaten (63,6 Prozent) sind neu in die Vollversammlung eingezogen. Die neue Vollversammlung tritt am 28. Juni zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Auf dieser Sitzung werden dann Präsidium sowie Präsident beziehungsweise Präsidentin neu gewählt.

Keine Hintertür mehr für den Präsidenten

Der 41-jährige Girl saß viele Jahre im Präsidium der Kammer und hatte sich bei der Wahl zum Präsidenten im vergangenen September für viele Beobachter überraschend gegen das Präsidiumsmitglied Tobias Weber durchgesetzt. Der Geschäftsführer und Inhaber des Unternehmens City Clean war von der bisherigen Kammerpräsidentin Beatrice Kramm nominiert worden. Doch Girl überzeugte die Mehrheit der Delegierten mit einer guten Vorstellung, sagten Beobachter damals.

Girl profilierte sich in seinen ersten Monaten mit Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit in der Wirtschaft und warb für seine Idee, Berlin möge im Jahr 2035 eine Weltausstellung Expo ausrichten. Offenbar genügte das nicht, um ihn auch in einer breiten Öffentlichkeit bekannt genug zu machen. Er landete mit insgesamt 235 Stimmen lediglich auf Platz zehn der Nachrückerliste in seiner Wahlgruppe. Es war der vorletzte Platz. Zum Vergleich: Die Kandidatin Isabel Worch von der Zugvogel GmbH wurde mit 569 Stimmen auf Platz 1 dieser Liste gewählt.

Vor einigen Jahren hätte die Kammer es Girl noch ermöglichen können, über eine politische Hintertür ins Präsidium einzuziehen und theoretisch sogar als Präsident wiedergewählt zu werden. Über das umstrittene Prinzip der Kooptation konnten Kammern Persönlichkeiten, denen sie eine besondere Stellung in der regionalen Wirtschaft zuschrieben, in ihre Gremien holen - ohne reguläre Wahl. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes 2015 setzte diesem Prinzip aber enge Grenzen. Damals gaben mehrere Prominente, darunter der Charité-Chef, ihr Stimmrecht in der Kammer ab.

Eine Abwahl aus politischen Gründen soll es nicht gewesen sein

Girl setzte sich in seiner Wahlgruppe "Unternehmensservices" nicht durch. Ein Mitglied der Vollversammlung, das nicht genannt werden will, sieht Girls Zuordnung in dieser Wahlgruppe, die als Sammelbecken für alle Unternehmen gilt, die sich keiner anderen Branche zuordnen kann, als einen wichtigen Grund für das Scheitern. Hier sei die Konkurrenz besonders hoch. Dass Girl aus politischen Motiven aktiv abgewählt worden sei, glaubt die Person eher nicht.

„Ich danke den 230 Kandidatinnen und Kandidaten sehr für ihre Bereitschaft, sich in der nächsten Vollversammlung zu engagieren", ließ Girl über eine Pressemitteilung der Kammer erklären. Er freue sich, dass der im vergangenen Jahr eingeleitete Erneuerungskurs jetzt erfolgreich abgeschlossen wird und zwei Drittel der Mitglieder neu in die Vollversammlung einziehen.

Mit fast 47 Prozent Unternehmerinnen-Anteil werde die nächste VV deutlich weiblicher und diverser als alle bisherigen Vollversammlungen. "Dafür stelle ich meinen Platz gerne zur Verfügung. Die in den letzten acht Monaten von einem starken Team initiierten Projekte werden mit Sicherheit die Arbeit der IHK auch in Zukunft nachhaltig prägen.“

Senator Schwarz setzt weiter auf gute Zusammenarbeit

Der oder die Präsidentin der Kammer gilt traditionell als eine der ersten Ansprechpartner der Landesregierung. Berlins Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) ging in einer ersten Reaktion nicht direkt auf Girls Abwahl ein, sagte dem Tagesspiegel, die IHK sei für ihn eine wichtige Adresse. "Ich habe mit dem aktuellen Präsidium vertrauensvoll zusammengearbeitet, und das ist auch mein Anspruch für das nächste Präsidium. Unsere Zusammenarbeit ist ja keine Kuschelveranstaltung, klare Kante gehört manchmal dazu. Aber wir arbeiten sehr dialogorientiert und darauf setze ich auch in Zukunft, um den Wirtschaftsstandort Berlin gemeinsam erfolgreich weiterzuentwickeln."

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