zum Hauptinhalt
Klare Ansage. Die Forderung nach besseren Bedingungen für angestellte Lehrer stand im Zentrum des Protests vor der Innenverwaltung. Später ging es weiter zur Schulbehörde. Foto: Davids

© DAVIDS

Warnstreik an Berliner Schulen: 3000 Lehrer protestieren

GEW fordert vom Regierenden Bürgermeister Aufnahme von Tarifverhandlungen. Am 15. Mai droht die nächste Aktion – dann ist mündliches Abitur. Finanzsenator Nußbaum lehnt Tarifverhandlungen als Berliner "Sonderweg" weiterhin ab.

Mit einer erhöhten Streikbereitschaft haben die Lehrer am Dienstag auf den vergeblich Versuch des Senats reagiert, den Arbeitskampf gerichtlich verbieten zu lassen. Auch die neuen Angebote zur Auflösung der Arbeitszeitkonten heizten die Stimmung offenbar weiter an. In der Folge fielen einige tausend Stunden Unterricht aus, während rund 3000 Lehrer zum Senat zogen. Keine Probleme soll es hingegen bei den Klausuren zum Mittleren Schulabschluss und zum Abitur gegeben haben.

Bei Bildungsverwaltung und Landeselternausschuss waren nach ersten Auswertungen keine streikbedingten Schwierigkeiten für die rund 25 000 Prüflinge bekannt. „Alle Schüler sind in guten Händen gewesen“, teilte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Nachmittag mit. Die Schulleitungen hätten den Prüfungstag „umsichtig organisiert“.

Dies dürfte nicht mehr so einfach sein, wenn am 15. Mai der nächste Streik droht: Dann sind die mündlichen Abiturprüfungen, bei denen es schwieriger ist, Streikende zu vertreten. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) appellierte am Dienstag in einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister, den Streik zu verhindern, indem der Senat „ernsthafte Verhandlungen“ aufnimmt. Aus der Senatskanzlei hieß es dazu, der Regierende Bürgermeister reagiere grundsätzlich nicht auf offene Briefe.

Der Senat hatte bisher argumentiert, dass er keine Verhandlungen führen könne, da dies wegen der Tarifgemeinschaft der Länder nur auf Bundesebene möglich sei. Dem hatte das Arbeitsgericht am Montag widersprochen. Ob der Senat gegen diese Entscheidung in Berufung geht oder aber tatsächlich an den Verhandlungstisch zurückkehrt, war am Dienstag noch nicht zu erfahren. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) zeigte sich allerdings trotz der Gerichtsentscheidung unnachgiebig: Es sei „wirklich abwegig“, dass die Gewerkschaften das Land jetzt zwingen wolle, aus der Tarifgemeinschaft der Länder auszuscheren „und einen neuerlichen Sonderweg zu gehen“, sagte er auf Anfrage.

In den Schulen herrschte am Dienstag Einigkeit darüber, dass sich der Senat mit seinen jüngsten Vorschlägen zur „weiteren Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs“ geschadet habe. „Etliche Kollegen, die vorher noch gezögert haben, hat das zum Mitstreiken motiviert“, sagte eine Lehrerin der Buckower Heinrich-Mann-Schule, die am Morgen mit anderen Streikenden im Café Rix in Neukölln zusammensaß, bevor sie sich auf den Weg zu den Kundgebungen vor der Innen- und Bildungsverwaltung machten.

Etliche Grundschulen hatten den Eltern nahe gelegt, ihre Kinder nicht zur Schule zu bringen, um die Vertretung der Streikenden zu erleichtern. „Bei uns sind zwei Klassen fast komplett zuhause geblieben“, hieß es aus einer kleinen Grundschule in Mitte, wo drei Lehrer streikten.

Es gab auch Schulen, an denen niemand streikte

Die Streikbeteiligung war jedoch sehr unterschiedlich von Schule zu Schule und Bezirk zu Bezirk. Laut Bildungsverwaltung beteiligten sich rund 300 Schulen der rund 800 öffentlichen Schulen. Die Zahl kann nur geschätzt werden, weil am Abend noch keine Meldungen aus Mitte und Steglitz-Zehlendorf vorlagen. Als Streikende offiziell gemeldet waren in den zehn übrigen Bezirken 1526 Lehrer. Nimmt man die beiden fehlenden Bezirke hinzu, können es insgesamt rund 1800 gewesen sein. GEW-Sprecher Tom Erdmann sagte auf Anfrage, dass es aus den östlichen Bezirken weniger Streikmeldungen gegeben habe als aus westlichen Bezirken. Überall gab es auch Schulen, in denen sich niemand am Ausstand beteiligte, wie etwa an der Peter-Ustinov-Schule in Charlottenburg. Schulleiterin Ulrike Kecsmar begründete das mit den zahlreichen Prüfungen.

Von anderen Schulen waren hingegen 20 Lehrer auf der Straße, wie etwa am Gymnasium Tiergarten. Hier war sogar der Lehrer im Ausstand, dessen Leistungskurs die Abiturklausur in Biologie schrieb. Er verteilte aber noch persönlich die Klausuraufgaben, bevor er sich zur Kundgebung aufmachte. Eine betroffene Schülerin zeigte für den Streik am Prüfungstag „Verständnis“ angesichts der Situation der angestellten Lehrer. Allerdings fand Elternvertreter Manfred Wolff, ein Streik am Prüfungstag sei „nicht okay“. Auch der Landeseltern- und der Landesschülerausschuss hatten sich im Vorfeld gegen die Terminierung des Streiks ausgesprochen. Allerdings herrscht auch bei ihnen Einigkeit darüber, dass sich der Senat mehr einfallen lassen müsse, um die Ungleichbehandlung zwischen Angestellten und Beamten einzudämmen.

Dieses Thema stand auch im Vordergrund der Kundgebungen. Kaum ein Plakat, dass nicht „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ forderte. Eine angestellte Lehrerin sagte, sie fühle sich „doppelt betrogen“: Weil sie netto über 500 Euro weniger verdiene als die Beamten und weil sie nach 15 Dienstjahren nicht mehr verdiene als ein Berufsanfänger. Wie berichtet, hat der Senat die Zulage für Berufsanfänger bis 2017 zugesichert, um die Junglehrer in Berlin zu halten. Wer sie einmal hat, der behält sie „unwiderruflich“.

Regina Kittler (Linkspartei) sprach am Dienstag von „Brosamen“, die der Senat den Lehrern zubillige. Hingegen begrüßten die grünen Bildungsexperten Stefanie Remlinger und Özcan Mutlu die Regelung zur Altersermäßigung und die erhöhte Flexibilität beim Abbau der Arbeitszeitkonten sowie die obligatorischen Fortbildungen. Sie kritisierten allerdings, dass neue Ungerechtigkeiten entstünden, weil die Lehrer von Mangelfächern künftig generell die Wahl haben, nur noch ein berufsbegleitendes Referendariat zu absolvieren und von Anfang an voll zu verdienen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false