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Axel Kreitz und seine Frau Hannelore durften im Führerhaus mitfahren. Für ihn ein Lebenstraum

© Klaus Kurpjuweit

Kindheitstraum Bahnführer: Was passiert eigentlich, wenn der S-Bahnfahrer einschläft?

Einem Berliner wurde ein Kindheitswunsch erfüllt. Zusammen mit seiner Frau durfte er eine Stunde lang in der Kabine des S-Bahnführers mitfahren.

Als Steppke stand er oft am Ostkreuz und beobachtete das Gewusel der S-Bahnen. Es begeisterte ihn so sehr, dass er Lokführer werden wollte. Wie vor vielen Jahren die meisten Jungs, die sich dann aber doch – älter geworden – für andere Berufe entschieden. Auch aus dem Steppke am Ostkreuz ist kein Lokführer geworden, sondern ein Bankkaufmann. In den Führerstand der S-Bahn hat es Axel Kreitz jetzt aber doch noch geschafft – im Rentenalter. Zusammen mit seiner Frau hatte er die vom Tagesspiegel und der Bahn organisierte und verloste Tour gewonnen.

Obwohl er sonst viel Auto fährt, wollte Kreitz zusammen mit seiner Frau Hannelore selbstverständlich mit der S-Bahn von Grunewald zum Treffpunkt im Ostbahnhof fahren. Doch dann die schlechte Nachricht: Im Radio gab’s die Meldung, dass es auf der S 7 wegen einer Signalstörung zu Verspätungen oder auch Ausfällen kommen könne. Bange Frage: Sollte die Fahrt beim Fahrer daran scheitern?

Nicht mit dem Fahrer sprechen

Die S-Bahn zeigte sich gnädig und brachte das Paar rechtzeitig zum Treffpunkt. Teamleiter Klaus Rühmann empfing sie dort. Er ist zuständig für rund 80 der insgesamt knapp 1100 Triebfahrzeugführer der S-Bahn. Auf seine Frage, auf welcher Strecke die Führerstandsgäste denn fahren wollten, musste Kreitz nur kurz nachdenken. Der Ring sollte es sein, beginnend am Ostkreuz. „Dort kommt meine Frau selten hin.“ Er selbst sei öfter mit der S-Bahn unterwegs, häufig nur so zum Spaß. Vom Kindheitswunsch muss wohl immer noch etwas in ihm stecken.

Nächstes Hindernis: Der Fahrer muss einverstanden sein, dass er nun Besuch bekommt. „Die meisten machen so was aber mit“, sagte Rühmann zuversichtlich. Abgesprochen war hier nichts. Und richtig. Ein kurzes Gespräch mit dem Fahrer eines Zuges der S 42 – und Rühmann winkte. Die Gäste konnten einsteigen. Vier Personen insgesamt dürfen gleichzeitig im Führerstand sein. „Und bitte nicht mit dem Fahrer sprechen“, bat Rühmann. Dieser müsse sich weiter auf seine Arbeit konzentrieren.

Fahren, Bremsen, Signale beachten

Dass diese gar nicht so einfach ist, belegte Rühmann mit einem Beispiel: „In einer Schicht muss ein Triebfahrzeugführer bis zu tausend Signale beobachten.“ Und fahren und bremsen. Und Ansagen machen. Und manchmal auch versuchen, kleinere Schäden auszubessern. Dieses Mal war’s nicht nötig.

Und Triebfahrzeugführer Christian Schlosser fuhr, als gäbe es die Gäste neben und hinter ihm nicht. Blick immer nach vorn. Schalter nach vorn: Fahren. Nach hinten: Bremsen. Er kann den Zug mit einer Hand steuern. Sieht kinderleicht aus; ist aber harte Arbeit, wie Rühmann erklärte.

Eine Vollbremsung bei Tempo 100?

Als Teamleiter darf er mit dem Fahrer sprechen und ihn bitten, einmal zu zeigen, was passiert, wenn er nicht aufpasst. Zum Beweis, dass er fit ist, muss er ständig einen Taster drücken und in bestimmten Abständen wieder loslassen, um ihn dann erneut zu drücken. Wird das Prozedere unterbrochen, etwa weil der Fahrer zusammengebrochen ist, bremst der Zug automatisch. Und heftig. So weit ließ es Rühmann aber nicht kommen. Schlosser verzögerte nur das Loslassen – und schon schrillte ein Warnton. „Nicht zu überhören“, stellte Kreitz fest. Und Schlosser drückte wieder aufs Knöpfchen. „Eine Zwangsbremsung bei jetzt erreichtem Tempo 100 wäre auch für die Fahrgäste nicht schön“, sagte er doch einmal während der Fahrt. Und schwieg dann wieder.

Und schwupps, vorbei

Was das Zeichen „ZAT“ am Bahnsteig bedeutet, erklärte Rühmann: „Zug-Abfertigung durch den Triebfahrzeugführer – mit Führerstands-Monitor.“ An den Bahnsteigen angebrachte Kameras, die den Bereich vor dem haltenden Zug erfassen, übertragen ihre Bilder auf den viergeteilten Monitor im Zug, sodass der Fahrer den Aus- und Einstieg der Fahrgäste sehen kann. Oder er muss über Spiegel beobachten. Das System habe – bis auf wenige Ausnahmen – die örtlichen Aufsichten ersetzt, sagte Rühmann. Und Kreitz fragte nur: „Ob das gut ist?“

Schwupps, schon war eine Stunde rum und das Ostkreuz wieder erreicht. Und Kreitz war wieder bei seinem Kindertraum angekommen: „Triebfahrzeugführer würde ich immer noch gern werden. Und nach der Fahrt jetzt erst recht.“

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