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Laptop und Schreibmaschine. Zwei Generationen, ein Ziel.

© Getty Images/horstgerlach

Weil das Software-Update fehlt : Berlins Bezirksparlamenten droht das Digital-Aus

Das drohende Aus einer veralteten Software könnte Berlins zwölf Lokalparlamente lahmlegen. Das Problem ist lange bekannt – doch die Zuständigkeit ungeklärt. Dabei geht es auch ums Geld.

Stand:

Den zwölf Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) droht Ende des Jahres der Verlust ihrer Arbeitsfähigkeit. Weil der Support der Software „Allgemeines Ratsinformationssystem“ (Allris3), die für ihre Arbeit grundlegend ist, zum Jahresende eingestellt wird, müssten die Parlamente wieder analog arbeiten. Das erklärte Jelisaweta Kamm (Grüne), Vorsteherin der BVV Mitte und Vorsitzende im Rat der Vorsteher. „Dann gehen wir zurück in die 90er-Jahre“, sagte Kamm im Unterausschuss Bezirke des Berliner Abgeordnetenhauses und erntete ungläubige Blicke der Parlamentarier.

Nach übereinstimmender Darstellung könnte die Lage kaum ernster sein. Wie verschiedene BVV-Vorsteher dem Tagesspiegel bestätigten, hängt die Arbeitsfähigkeit der Bezirksparlamente zentral vom Funktionieren der Software ab. Von der Sitzungsvorbereitung über die Ergebnisdokumentation bis hin zur Abrechnung der Entschädigung für die Verordneten arbeiten die Büros der Bezirksvertretungen ausschließlich mit Allris3.

Wird das Programm nicht rechtzeitig durch die Nachfolgeversion ersetzt, droht die Abschaltung des hoffnungslos veralteten Systems. Zwölf Bezirksparlamente wären weitestgehend lahmgelegt, die öffentliche wie interne Organisation und Dokumentation ihrer Tätigkeit nicht länger möglich. Kamm erklärte: „Wir wären gezwungen, wieder mit Zettel und Stift zu arbeiten.“

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Das Update gibt es seit Jahren

Das Problem ist lange bekannt. Übereinstimmenden Aussagen zufolge wurden entsprechende Hinweise seit mehr als zwei Jahren wechselweise an den Rat der Bürgermeister, die Innenverwaltung und die seit der Wiederholungswahl für die Verwaltungsdigitalisierung zuständige Senatskanzlei erteilt. Das Update steht seit Jahren zur Verfügung und ist in zahlreichen anderen Kommunen längst in Betrieb. In Berlin passierte bislang nichts.

Wer für die Durchführung zuständig sei, ist weiterhin ungeklärt, wie Martina Klement (CSU), Staatssekretärin für Digitalisierung in der Berliner Senatskanzlei, zugab.

© Getty Images/Nora Carol Photography

Martina Klement (CSU), Staatssekretärin für Digitalisierung, gab zu, dass die sogenannte „Fachverfahrensverantwortung“ – also die Frage, wer für Durchführung und Finanzierung des dringend benötigten Updates verantwortlich ist – weiterhin ungeklärt ist. Ende November habe sich eine Taskforce unter Beteiligung von Bezirken, Innenverwaltung, Senatskanzlei und IT-Dienstleistungszentrum gegründet und darauf verständigt, eine sogenannte Voruntersuchung zu beauftragen.

Die „berlinweite Bestandsaufnahme“ soll klären, welche Allris-Komponenten aktuell von den einzelnen Bezirken wie genutzt werden. Auch bei der Anwendung der veralteten Software fehlt es weniger als ein Jahr vor dem Auslaufen des Supports an Einheitlichkeit und Übersicht. Das Programm verstößt außerdem seit Jahren gegen die im Land geltenden Mindeststandards für von Behörden genutzte Software.

Das absehbare Scheitern ist die Folge eines über Jahre hinweg ignorierten Zuständigkeitsvakuums. Nachdem die Geschäftsstelle zur Koordinierung und Beratung bezirklicher IT-Verfahren (KoBit) 2009 aufgelöst wurde, fühlte sich niemand verantwortlich. Seitdem wird die bezirksübergreifende Allris-Koordinierung – etwa die Zahlung der jährlichen Lizenzgebühren an den Hersteller – durch den Leiter des BVV-Büros in Treptow-Köpenick übernommen. Der Mitarbeiter ist weder vom Fach noch gehört die Tätigkeit zu seinen eigentlichen Aufgaben.

Bei der Suche nach einer Lösung geht es nicht zuletzt ums Geld. 70.000 Euro kostet das fällige Update schätzungsweise pro Bezirk. Hinzu kommen Kosten beispielsweise für die Schulung von Mitarbeitenden der BVV-Büros. Geld, das die Bezirke in ihren Haushalten für das laufende Jahr nicht eingestellt haben. Klements Einzelplan wurde im Zuge der jüngsten Budgetstreichungen überdurchschnittlich gestutzt. Zudem ist völlig unklar, ob nicht doch die Innenverwaltung inhaltlich wie finanziell zuständig ist.

Für die Opposition und insbesondere die AfD ist der Fall ein gefundenes Fressen. Karsten Franck, Fraktionsvorsitzender in der BVV Tempelhof-Schöneberg und Mitglied im Unterausschuss Bezirke, bezeichnete die drohende Allris-Abschaltung als „historisch einmaligen Vorgang in Berlin“. Werde keine Lösung gefunden, belege das „die fehlende Wertschätzung für die 660 ehrenamtlich arbeitenden Bezirksverordneten aller Parteien“.

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