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Brandenburgs Agrarminister Axel Vogel (re.) besucht Tino Ryll, der seine Produkte online und an lokale Läden verkauft.

© S. Stache/dpa

„Wir wollen klein wachsen“: Warum immer mehr Brandenburger Bauern ihre Betriebe umstellen

Landwirte und Politik wollen mehr auf Direktvermarktung setzen. Das „Regional“-Siegel geht vielen allerdings nicht weit genug. Ein Hof-Besuch im Fläming.

Hinter dem Haus von Ronny und Tino Ryll suhlen sich 30 Schweine im Dreck. „Wir halten Mangalitza-Wollschweine und die alte DDR-Rasse Leicoma“, sagt Tino Ryll. „Wenn jetzt die Schweinepest käme, wäre das nicht schön. Wir müssten die Tiere in den Stall bringen, und wohl 20 von ihnen für einen sehr niedrigen Preis schlachten lassen.“

Doch die Sorgen der Landwirte aus dem Fläming sind weit geringer als jene anderer Kollegen. Denn der Betrieb in Reinsdorf in der Gemeinde Niederer Fläming setzt von Anfang an auf Direktvermarktung.

Die Brüder Ryll machen aus ihren Sauen mithilfe eines örtlichen Schlachters Leberwurst, Blutwurst und Grützwurst. Unter der Marke „Genussland Fläming“ werden sie online und bei Einzelhändlern in der Region vermarktet.

„Wir wollen nicht die Weltmarktführer sein“, sagt Tino Ryll. „Wir wollen in der Region aktiv sein, wir wollen klein wachsen – das ist das Gesündeste.“ Womit sich Ryll deutlich von den Vertretern der großen Agrargenossenschaft unterscheidet, die bislang das Bild von Brandenburgs Landwirtschaft prägen.

Ein Unterschied, der sich im Geldbeutel des Landwirts fortsetzt: Für ein Kilo herkömmliches Hausschwein können Bauern in Brandenburg derzeit Preise von 1,22 bis 1,47 Euro erlösen. „Und durch die Schweinepest wird sich der Preis vermutlich noch stärker auf einen Euro pro Kilo zubewegen“, sagt Ryll. Für seine Mangalitza-Schweine erhält er dagegen „sechs bis sieben Euro pro Kilo“.

Direktvermarktung stabilisiert die Preise

Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel unterstützt Betriebe wie den der Rylls. „Die Direktvermarktung ist eine große Chance für die Brandenburger Landwirtschaft“, sagt der Grünen-Politiker bei einem Besuch in dieser Woche. „Landwirte, die ihre Produkte direkt vermarkten, können selber Preise aushandeln, die längerfristig stabil und tragfähig sind.“

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Das gelte auch für die Fleischwirtschaft. Mit den sinkenden Preisen räche sich die Exportorientierung vieler Betriebe, sagt Vogel. „In Deutschland haben viele Schweinezüchter lange vom Ausbruch der afrikanischen Schweinepest in China und den steigenden Schweinefleischpreisen profitiert.“ Doch dieser Markt breche nun ein.

Breitet sich die Schweinepest weiter aus, müssten 20 Tiere auf dem Hof geschlachtet werden.
Breitet sich die Schweinepest weiter aus, müssten 20 Tiere auf dem Hof geschlachtet werden.

© Soeren Stache/dpa

Wer dagegen auf die Region setzt, hat derzeit wohl gute Karten. Immerhin hat das Land Berlin etwa seine Schulverpflegung umgestellt: Derzeit müssen 30 Prozent der verwendeten Produkte bio und regional sein, ab 2021 sogar 50 Prozent.

Und bei Kartoffeln setzt man schon in diesem Jahr ganz auf Bio und Regional, sagt die Berliner Verbraucherstaatssekretärin Margit Gottstein. „Was uns fehlt, ist die Produktion aus Brandenburg.“ Um die Berliner Kriterien für Regionalität erfüllen zu können, greife man auf die „weitere Region“, etwa Mecklenburg, zurück.

Wo kommen die regionalen Produkte wirklich her?

Einer, der in Brandenburg schon Biokartoffeln produziert, ist Heinz-Peter Frehn vom Biohof Schöneiche in der Gemeinde Steinreich. Er ärgert sich über diesen weiten Begriff der Regionalität. „Wenn auch die Pfalz noch regional ist, weil man den Begriff nicht definiert hat, dann kommen wir nicht weiter“, sagt Frehn.

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„Ohnehin brauchen wir hier für alles, was wir produzieren, ein paar Cent mehr, als Kollegen etwa aus Niedersachsen, weil die Bodenbeschaffenheit hier nicht so gut ist, wir dadurch höhere Kosten haben.“ Während die Ernte von Biogurken in diesem Jahr im Grunde ein Totalausfall ist, erlebe man bei den Kartoffeln ein gutes Jahr.

„Es heißt immer, wir wollen Bio und Regional – aber wenn es an den Preis geht, dann wird es schwieriger“, sagt Frehn. „Wir hoffen, dass wir da eine garantierte Abnahme bekommen, damit uns die sicheren Standbeine nicht auch noch verloren gehen.“

Brandenburger Produkte sollen ein Siegel bekommen

Landwirtschaftsminister Vogel will deswegen ein Regionalsiegel für Brandenburg einführen und möchte es am liebsten in den Berliner Ausschreibungsbedingungen verankern. Und er will die lokale Produktion und Direktvermarktung auch in der Fleischwirtschaft verstärken.

Neben der Haltung von Haus- und Mangalica-Schweinen betreibt der Hof regenerative Landwirtschaft.
Neben der Haltung von Haus- und Mangalica-Schweinen betreibt der Hof regenerative Landwirtschaft.

© Soeren Stache/dpa

„Wir sind gegenwärtig im Gespräch mit Investoren, um die eigene Schlachthofkapazität in Brandenburg zu erhöhen“, sagt Vogel. Denn davon gebe es noch viel zu wenig – was die Direktvermarktung naturgemäß bremst. Geplant sei etwa die Ansiedlung einer Lohnschlachterei, wo Bauern ihre Tiere schlachten lassen können, um das Fleisch selbst weiter zu verarbeiten. Und auch mit Anbietern von mobilen Schlachtanlagen sei man im Gespräch.

Elke Henrion vom Büffelhof Bobalis in Jüterbog hat einen kleinen Schlachthof in ihrer Nachbarschaft. 1998 stieg sie mit ihrem Gatten Henri Henrion in die Haltung von Wasserbüffeln ein, produziert wird Mozzarella. Heute gehören 170 Wasserbüffel zu ihrer Herde. Alle 14 Tage werden zwei Tiere geschlachtet. Und gut 50 Prozent ihrer Produktion gehen auf den Berliner Markt, wo die Ware etwa über die „Bio Company“ vermarktet wird.

„Für uns war die Corona-Krise eine Umsatzsteigerung“, sagt Henrion. Die Direktvermarkter hätten gespürt, dass mehr Menschen zu Hause gekocht und auf Qualität geachtet haben. Zumindest beim Büffelmozzarella funktioniert die Vermarktung also schon.

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