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Du bist jetzt mein Vize. Matthias Platzeck richtet Klaus Wowereit die Krawatte und tauscht mit ihm den Platz im Flughafen-Aufsichtsrat.

© Reuters

Nach dem BER-Debakel: Wowereit will wieder aufsteigen

Im BER-Aufsichtsrat ist Klaus Wowereit in die zweite Reihe degradiert worden. Jetzt will Berlins Regierungschef gerne mal mit anderen Themen punkten. Am liebsten gleich heute.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es war von langer Hand vorbereitet, dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, SPD-Landeschef Jan Stöß und SPD-Fraktionschef Raed Saleh ein gemeinsames „Zukunftspapier“ vorstellen. Seit Herbst 2012 tüftelten sie in äußerst vertraulicher Runde an einem Konzept, das am Donnerstag veröffentlicht wird und den Titel trägt: „Berlin – Stadt des Aufstiegs“. Angesichts des Flughafen-Debakels hätten die drei Spitzenleute der Berliner Sozialdemokratie kein passenderes Motto wählen können.

Der gemeinsame Auftritt soll nicht nur innerparteiliche Geschlossenheit demonstrieren. Es ist auch der Versuch, einen Tag nach dem offiziellen Rückzug Wowereits als Flughafen-Aufsichtsratschef mit neuen Themen in die Offensive zu kommen – und zu zeigen, dass der Regierungschef noch mit im Boot sitzt. Das wird auch das Ziel der Klausurtagung der SPD-Abgeordnetenhausfraktion Ende Januar im polnischen Kolberg sein. Wirtschaftsentwicklung und Stärkung des Standorts Berlin, aber auch die Ertüchtigung des öffentlichen Dienstes werden auf dem dreitägigen Kongress in den Vordergrund gestellt. Anschließend rücken schon die Vorbereitungen für den Bundestagswahlkampf in greifbare Nähe.

Als beliebter Wahlkampfredner außerhalb der Hauptstadt scheint Wowereit trotz des Flughafen-Desasters vorerst auch nicht aus dem Rennen zu sein. Eine Einladung aus Niedersachsen für Mittwoch sagte er wegen der Aufsichtsratssitzung ab, doch am Wochenende tritt er in Hessen auf, auch wenn die Genossen erst im Dezember wählen. Auch die Bayern haben ihre Wowereit-Buchung bisher nicht zurückgezogen. Ein großes Fragezeichen steht allerdings hinter der Wiederwahl des Regierenden Bürgermeisters zum stellvertretenden SPD-Vorsitzenden. Seit 2009 ist er Partei-Vizechef. Im November 2013, nach der Bundestagswahl, wird der Vorstand neu gewählt.

Zunächst einmal muss sich Wowereit mit der neuen Rolle im Flughafen-Aufsichtsrat abfinden – dort wurde er am Mittwoch doch zum Vize bestimmt, tauscht also mit Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck nur den Platz. Damit bleibt Wowereit Repräsentant des Miteigentümers Berlin, aber nicht mehr als Chef. Am 10. Juli 2001 wurde Wowereit vom damals rot-grünen Senat in das Kontrollgremium berufen. Als Nachfolger des CDU-Politikers Eberhard Diepgen, der dreieinhalb Wochen vorher als Regierender Bürgermeister abgewählt wurde. Damals war noch in der Schwebe, ob der Großflughafen in Schönefeld in privater oder öffentlicher Regie gebaut werden sollte. Der neu bestellte Aufsichtsratschef Wowereit versprach zwei Monate später, dass der Berliner Senat keine Privatisierung akzeptieren werde, die „zu Lasten der Länder und des Bundes geht“. Der Flughafen sollte spätestens 2007 in Betrieb gehen.

Dann wurde der Hauptstadt-Airport zu einem staatlich gesteuerten und finanzierten Bauprojekt. Diese Entscheidung habe sich, sagte Wowereit noch Anfang 2005 im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses, „insbesondere mit Blick auf die finanziellen Risiken als richtig erwiesen“. Jetzt stellt sich heraus, dass der Neubau des Flughafens nicht nur um mehrere Jahre in Verzug geriet, sondern doch zu Lasten der Länder und des Bundes geht. Zwischen 1994 und 2010 zahlten die drei öffentlichen Gesellschafter bereits 655 Millionen Euro an die Flughafengesellschaft. Weitere 1,2 Milliarden Euro wurden 2012 zur Verfügung gestellt. Zusätzliche Finanzrisiken von über einer Milliarde Euro werden jetzt nicht mehr ausgeschlossen. Außerdem bürgen Bund, Berlin und Brandenburg für 2,4 Milliarden Euro Kredite, und zwar in voller Höhe.

Als Aufsichtsratchef musste Wowereit nach geltender Rechtslage „mit der Geschäftsführung regelmäßig Kontakt halten und mit ihr die Strategie, die Geschäftsentwicklung und das Risikomanagement beraten“. Das hat erkennbar nicht zum gewünschten Ergebnis geführt. Berlins Regierungschef rückte deshalb am Mittwoch in die zweite Reihe.

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