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Berlin: Zöllner gegen Pflicht zur Früheinschulung

Neuer Bildungssenator will den erst seit 2005 geltenden Schulstart mit fünfeinhalb Jahren „flexibilisieren“

Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) will die starre Stichtagsregelung für die Schulpflicht ab fünfeinhalb Jahren kippen. Seine Verwaltung erarbeite zurzeit eine entsprechende Schulgesetzänderung, bestätigte Sprecherin Bärbel Schubert auf Anfrage. Geplant ist, statt eines bestimmten Stichtages zu einer flexibleren Regelung zu kommen, die je nach Reife des Kindes einen gewissen Spielraum lässt. Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Begründet wird die Änderung mit den „großen Entwicklungsunterschieden der Kinder“.

Die frühe Einschulung wird seit Sommer 2005 praktiziert und hat somit bisher zwei Jahrgänge betroffen. Sie war von Anfang an umstritten, zumal sie einherging mit etlichen weiteren Neuerungen, die ebenfalls die Arbeit in den ersten Klassen erschwerten: Auf einen Schlag waren nämlich auch die Rückstellungen mangels Schulreife sowie die Spezialklassen für Lernbehinderte abgeschafft worden. Dennoch gab es immer auch Befürworter der frühen Einschulung wie etwa den Grundschulverband.

Dessen Vorsitzender Peter Heyer ist weiterhin überzeugt, dass man die Kinder ruhig mit fünfeinhalb in die Schule holen kann, wenn man den Unterricht entsprechend gestalte. Genau dies sei aber nicht überall der Fall. Insbesondere bedauert Heyer, dass die Vorklassenleiter, die einst für genau diese Altersgruppe ausgebildet worden waren, zu selten im Unterricht eingesetzt würden. Ehemalige Vorklassenleiter berichten empört darüber, dass man ihre Kompetenzen etwa bei der Förderung in „Deutsch als Zweitsprache“ bis heute gar nicht nutzt, sondern sie stattdessen als Betreuung etwa beim Mittagessen oder bei den Fahrten ins Schwimmbad einsetzt.

Heyer fordert eine Bestandsaufnahme der bisherigen Erfahrungen mit den sehr jungen Schülern, anstatt schon jetzt wieder etwas zu ändern. Auch Landeselternsprecher André Schindler ist nicht gerade begeistert über Zöllners Vorhaben. Anstatt die Stichtagsregelung aufzuweichen, hielte er es für wichtiger, den Grundschulen mehr Mittel für die Förderung „sprachlich vernachlässigter Kinder“ und lernbehinderter Kinder zu geben.

Es gibt aber auch viel Zuspruch für eine Flexibilisierung der Schulpflicht. Besonders begeistert sind die Anthroposophen, die von Anfang an entsetzt darüber waren, dass man so kleine Kinder in die Schulen zwingt. Sie behelfen sich unter anderem damit, dass sie an ihren Kitas „Schulaußenstellen“ einrichteten, zu denen stundenweise „Wanderlehrer“ kommen, berichtet Detlef Hardorp, Sprecher der Waldorfschulen.

Auch Gerhard Schmid, Oberschulrat in Friedrichshain-Kreuzberg und Regionalsprecher des Bundes Freiheit der Wissenschaft, begrüßte gestern ausdrücklich die von Zöllner angestrebte Flexibilisierung bei der Schulpflicht. Jetzt komme es auf die Ausgestaltung an: Wie großzügig wird die Frist gehandhabt und wer entscheidet? Haben die Eltern das letzte Wort oder die Schulen? Fest steht bisher nur, dass es kein Zurück gibt zur früheren „Schulreifeuntersuchung“. Denn die Bildungsverwaltung ist davon überzeugt, dass Schulreife oder Schulfähigkeit nicht eine Bringeschuld der Kinder ist, sondern „eine Entwicklungsaufgabe von Kindergarten und Schule“, wie Landesschulrat Hans-Jürgen Pokall jetzt dem Landesschulbeirat mitteilte.

Kinder, die im Sommer 2007 eingeschult werden, sind von der Neuregelung übrigens noch nicht betroffen. Die geplante Gesetzesänderung gilt frühestens ab Sommer 2008.

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