zum Hauptinhalt

Zwischenruf zum BER: Es geht nicht mehr!

Mit dem EU-Verfahren gegen die Flugrouten zeigt sich eine neue Qualität in den kafkaesken Verwicklungen um den BER. Durch Mitsprache und Bürokratismus ist eine Situation eingetreten, in der Großprojekte allgemein nicht mehr möglich sind.

Eine andere Erklärung gibt es nicht mehr: Hinter den juristischen Scharmützeln um den Flughafen BER und seine Anwohner steckt eine diabolische Intelligenz, die die Verantwortlichen in immer neue, kafkaeske Verwicklungen schickt, und deren Ziel es einzig ist, die Eröffnung zu Lebzeiten sämtlicher Akteure unmöglich zu machen.

Auf diesem Weg ist diese Intelligenz bereits weit vorangeschritten. Denn in Brüssel wurde nun verkündet, passenderweise recht genau zum 1. Jahrestag der Nicht–Eröffnung 2012, dass die mit riesigem Aufwand vor kurzem beschlossenen Alternativ-Flugrouten mit Knick über den Müggelsee nicht zulässig seien. Es gab für diese leicht abweichenden Routen keine Umweltverträglichkeitsprüfung, und nun könnten die Belange von Kormoranen, Reihern und Seeadlern beeinträchtigt sein – theoretisch, denn auch der Stuttgarter Juchtenkäfer war ja nicht wirklich da, aber es gab Indizien, die den Schluss zuließen, er werde eventuell in späteren Jahren eine Ansiedlung in Betracht ziehen.

Aber theoretisch, das reicht aus – während sich seltsamerweise niemand bei der EU darum schert, wie viele Vögel an den Windrädern im Dienste der Energiewende ganz praktisch sterben. Das entnervende Palaver eines Jahres war also vermutlich umsonst. Denn wenn nun eine neue Umweltverträglichkeitsprüfung ergibt, dass die einst vorgesehenen Flugrouten in diesem Sinn die besseren waren, dann ist der Kreis geschlossen, dann können die beiden Länder im Grunde entweder ganz von vorn anfangen oder den Laden endgültig zusperren, aus, vorbei, baut euch euren Airport selbst.

Ja, sagen viele, dann gehen wir eben nach Sperenberg, das haben wir doch immer schon vorgeschlagen. Abgesehen davon, dass Berlin für diesen Schritt keine Zeit hat: Glaubt hier wirklich irgendjemand, dass sich in Sperenberg nicht exakt das gleiche Spiel abgespielt hätte? Vögel fliegen auch dort, und irgendjemand ist immer in der Nähe, der weiß, wie’s geht oder zumindest gute Anwälte hat: „Nimby“ heißt diese Haltung, „Not in my backyard“. Sonst überall gern, aber nicht in meinem Hinterhof.

Es ist dies das Grundprinzip der Auseinandersetzung seit Jahren. Gern würde man einmal einen Anwohner mit der Aussage zitieren, das Wohnen am Rande einer Großstadt bringe nun einmal gewisse Belästigungen mit sich, aber er sei bereit, diese Belästigungen im Dienste der Allgemeinheit zu tragen. Diejenigen, die sie seit Jahrzehnten in viel höherer Intensität ungefragt tragen müssen, die Anwohner von Pankow, Tegel, Reinickendorf und Wedding, bekommen zwar ab und zu heuchlerisch ein wenig Solidarität von drunten im Süden geschenkt, aber das ist es dann auch schon. Was soll eigentlich einer denken, der hier Jahrzehnte gewohnt hat und dann raunen hört, die angeblich so menschenverachtenden Belastungen durch die neuen Flugrouten seien gegen Zahlung angemessener Entschädigungen durchaus heilbar, nur eben leider nicht mehr für ihn?

Jene, die das Gewirr genauer kennen, sprechen von unheilbaren Zielkonflikten. Die schreckliche Wahrheit: So etwas wie ein Flughafenbau ist im Deutschland der Gegenwart schlicht nicht mehr möglich, selbst wenn sich alle, absolut alle darin einig sind, dass der Bau notwendig ist. Aber: Nimby!

Diese Situation hat der Gesetzgeber allerdings letzten Endes selbst heraufbeschworen. Durch immer neue grüne Ergänzungen und Weiterentwicklungen des Rechts in Richtung Bürgerbeteiligung und Umweltschutz, durch immer aufwendigere Prüf- und Nachweisverfahren, die alle im Sinne der lebendigen Demokratie und der Juchtenkäfergesundheit ganz wunderbar waren, ist ein sich selbst lähmendes System entstanden, eine Architektur des Stillstands. Und dort, wo noch Lücken im Sinne pragmatischer Vernunft sichtbar sind, wo ein fairer, zielorientierter Interessenausgleich zumindest möglich scheint, da erscheint alsbald, wie von den Nachbarn gerufen, irgendein juristischer Fundamentalist aus Brüssel und zieht die Bremse.

Aus Berliner Sicht bleibt bislang nur, jenen zu gratulieren, die ihre Flughäfen unter Dach und Fach bekommen haben, bevor diese Lähmung irgendwann im letzten Jahrzehnt eingetreten ist. Der BER ist einfach zu spät dran.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false