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Alfons Frese recherchiert und schreibt seit Jahrzehnten über Themen rund um die Tarifpartner und den Arbeitsmarkt.

© Tagesspiegel/Nassim Rad

Der Staat greift ein: Berliner Senat bereitet Ausbildungsumlage vor

Die Wirtschaft protestiert und warnt vor Kosten und Bürokratie, der DGB freut sich. Ein Kommentar zu den Senatsplänen.

Ein Kommentar von Alfons Frese

Corona liefert den Befürwortern staatlicher Eingriff auf dem Ausbildungsmarkt frische Argumente. Obgleich in diesem Jahr mehr Ausbildungsverträge unterschrieben wurden als 2021, ist die Corona-Lücke groß: Fast zehn Prozent Jugendliche weniger als 2019 haben in diesem Herbst ihren Berufsweg eingeschlagen. Der Ausbildungsmarkt kommt nur mit einer Ausbildungsumlage ins Gleichgewicht, meinen DGB und Berliner Senat. Eine Umlage bringt nur Kosten und Bürokratie, hält die Wirtschaft dagegen. Allein in Berlin würden 40 Prozent der Ausbildungsbetriebe nicht genügend Azubis finden, argumentiert die IHK. Wirksamer als eine Zwangsumlage sei ein Schulunterricht, der die jungen Menschen zur Ausbildung befähige.

Das ist wohl wahr – aber kein Berliner Phänomen, obgleich das Bildungsniveau hier noch schlechter ist als anderswo. Bundesweit haben 2,3 Millionen Menschen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss. Und nur 20 Prozent der Unternehmen bilden aus. In Berlin ist die Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverhältnisse zwischen 2000 und 2021 um 37 Prozent gesunken, in Brandenburg um fast 50 Prozent. Das ist irre angesichts des Arbeitskräftemangels.

Der Übergang von Schule zu Beruf funktioniert schlecht. Berufsorientierung geben die Schulen kaum, weshalb Unternehmen, Kammern und Verbände noch viel mehr informieren müssen. Die Jugendberufsagenturen können besser werden, indem sie mehr Schülerdaten bekommen. Und eine Ausbildungsgarantie, wie sie die Bundesregierung plant, kann ebenso helfen wie die Ausbildungsumlage des Senats. Es geht auch um die solidarische Verteilung der Ausbildungskosten. Warum soll ein Fünftel der Betriebe die berufliche Ausbildung für die gesamte Wirtschaft tragen?

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In der Bauwirtschaft gibt es das seit 1976. Alle Baubetriebe zahlen einen tarifvertraglich festgelegten Betrag an die Sozialkasse der Bauwirtschaft. Mit dem Geld werden sämtliche Kosten der überbetrieblichen Ausbildung in den 200 Ausbildungszentren und ein großer Teil der betrieblichen Ausbildungskosten finanziert. Es funktioniert.

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