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Sebastian Kurz muss sich Korruptionsvorwürfen ausgesetzt.

© Foto: Georg Hochmuth/dpa

Ermittlungen gegen Sebastian Kurz: Ehemaliger Vertrauter belastet Ex-Kanzler

Im Korruptionsverfahren gegen Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz dient sich ein einstiger Wegbegleiter als Kronzeuge an und belastet ihn schwer. 

Von Christian Bartlau

Schon über ein Jahr ist Sebastian Kurz’ unrühmlicher Abgang aus de r Politik her, doch vor einigen Tagen erschien der Altkanzler mal wieder auf der Bildfläche. Auf PR-Tour für sein neues Buch „Reden wir über Politik“ klapperte er die Redaktionen des Landes ab. Geschrieben von einer Society-Reporterin, finden sich darin keine skandalträchtigen Enthüllungen, nur ein paar harmlose Einblicke in den Alltag eines Berufspolitikers. Die Korruptionsvorwürfe, die den steilen Aufstieg des immer noch erst 36-Jährigen im Oktober 2021 abrupt stoppten, kommen nur am Rande vor: „Ich sehe die Ermittlungen gegen mich mittlerweile sehr gelassen.“

Ein Satz, der für die zweite Auflage des Buches wohl geändert werden muss. Am Dienstagvormittag hat Österreichs Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in einer schmucklosen Pressemitteilung ein gut gehütetes Geheimnis gelüftet und damit das nächste politische Beben in Wien ausgelöst: Thomas Schmid, die zentrale Figur in den zigfach verästelten Korruptionsaffären, die seit Ibiza das Land erschüttern, strebt einen Kronzeugenstatus an. Seine Vorleistung lieferte er in 15 ganztägigen Aussagen ab, in denen er nicht nur seinen einstigen Weggefährten Sebastian Kurz schwer belastet hat, sondern auch weitere Größen aus Politik und Wirtschaft.

Um die Ermittlungen nicht zu gefährden, hielten die Korruptionsjäger die Einvernahmeprotokolle monatelang unter Verschluss, seit gestern liegen sie im Akt und damit auch den Medien vor, die atemlos aus Schmids umfassenden Aussagen zitieren. In den meisten Fällen bestätigt der 46-Jährige den Verdacht der Ermittler, die Sebastian Kurz und seinem Umfeld unter anderem Bestechlichkeit und Veruntreuung vorwerfen. Straftaten also, die im Falle einer Verurteilung jahrelange Haftstrafen nach sich ziehen könnten.

Ich sehe die Ermittlungen gegen mich mittlerweile sehr gelassen.

Sebastian Kurz

Im Mittelpunkt steht der Vorwurf, Kurz habe 2016 als Außenminister gemeinsam mit Schmid, damals höchster Beamter im Finanzministerium, ein System aufgestellt, wie frisierte Umfragen zu Kurz’ Gunsten mit Inseraten aus Steuergeld im Boulevardblatt „Österreich“ platziert werden können. Schmid bekennt sich in diesem Punkt für schuldig und betont, er habe den Plan „nur deswegen umgesetzt, weil ich von Kurz den Auftrag bekommen habe“. Schmid will nicht nur den Aufstieg seines Wegbegleiters auf Kosten des Steuerzahlers organisiert haben, sondern auch kleinere Botengänge erledigt haben – so habe er im Auftrag von Kurz auf eine Gehaltserhöhung von dessen Lebensgefährtin Susanne Thier hingewirkt, die ebenfalls im Finanzministerium angestellt war.

Neben Details zu bekannten Skandalen hatte Schmid hatte auch Neues zu berichten: ÖVP-Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka etwa habe ihn angewiesen, eine Steuerprüfung des Alois-Mock-Instituts abzuwürgen, dem Sobotka vorstand. Das habe er ebenso erledigt wie die Steuerangelegenheiten des Automanagers Siegfried Wolf und des Immobilienmagnaten René Benko. Wie am Dienstag bekannt wurde, hat die Staatsanwaltschaft dessen Büro in Innsbruck durchsuchen lassen.

Schmid dient der Staatsanwaltschaft schon seit Jahren als eine Art Kronzeuge, wenn auch wider Willen: Aufgeschreckt durch das Ibiza-Video und Heinz-Christian Straches Andeutungen über Korruption im Staat, sammelten die Ermittler bei Razzien Handys von wichtigen Beamten ein, darunter auch das von Schmid, der ab März 2019 die milliardenschwere Staatsholding ÖBAG leitete. Dank eines Backups stellten sie rund 300.000 gelöschte Nachrichten wieder her, die seither Stoff für immer neue Skandale liefern. Insgesamt führt die Staatsanwaltschaft im sogenannten CASAG-Komplex 45 Beschuldigte, darunter neben Sebastian Kurz ehemalige Minister, Beamte – und sogar die Bundespartei der ÖVP.

In den öffentlich gewordenen Chats bezeichnete sich Schmid noch als Kurz’ „Prätorianer“ – warum er sich nun entschlossen hat, gegen den Altkanzler auszusagen, erklärt er mit einem Sinneswandel: „Wir haben Dinge getan, die nicht in Ordnung waren.“ Eine wichtige Rolle habe auch gespielt – gibt Schmid zu Protokoll – dass seine Mutter ihm ins Gewissen geredet habe. Gleichzeitig erwähnt er den Druck, den Kurz auf ihn gemacht habe, damit er „die ganze Schuld auf mich nehmen“ solle. Er wolle aber „nicht das Bauernopfer sein“.

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Sebastian Kurz zog in einer ersten Stellungnahme die Glaubwürdigkeit seines einstigen Intimus in Zweifel. Schmid wolle nur den Kronzeugen-Status erlangen, er habe immer wieder gelogen: „Am Ende wird sich herausstellen, dass das auch in diesem Fall zutrifft.“ Wie Kurz weiter schreibt, „freue“ er sich darauf, seine Unschuld vor Gericht zu beweisen. Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft noch nicht offiziell Anklage erhoben – nach der detaillierten Aussage Schmids scheint das aber wahrscheinlicher denn je.

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