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Gruppe Forschende aus Münster

© Max Fluder

Forschung bei den Weltspielen von Special Olympics: Vom Uni-Projekt ins Unified-Team

220 Forschende haben die Weltspiele von Special Olympics wissenschaftlich begleitet. Eine Gruppe aus Münster reiste mit sechs Forschungsfragen nach Berlin.

Von Max Fluder

Zu zweit sitzen sie auf den Zuschauerrängen, zwei Studentinnen, vielleicht Mitte 20. Sie haben einen Tisch vor sich, auf ihm Dokumente und ein Kugelschreiber. Die eine hat eine Kamera in der Hand und hält fest, was unten im Schwimmbecken gerade passiert. Wer gewinnt, wie laut sind die Jubelrufe? Die andere füllt eifrig das Formular aus, macht sich Notizen.

Was die beiden hier betreiben, ist ganz einfach zu beschreiben: Es ist Forschung zu den Weltspielen von Special Olympics, der weltweit größten Sportbewegung für Menschen mit Lernbeeinträchtigung und mehrfacher Behinderung. Forschung, die die Studierenden für ein Seminars am Institut für Sportwissenschaften der Universität Münster durchführen.

Sechs Kleingruppen verfolgen jeweils eine eigene kleine Forschungsfrage. Die teilnehmenden Studierenden sind alle Lehramtler, werden also mutmaßlich in der Zukunft Sport unterrichten. Geleitet wird das Projekt von drei Dozentinnen – Franziska Duensing-Knop, Ute Große-Westermann und Uta Kaundinya – die mit dem Seminar in Schulklassengröße aus Münster nach Berlin gereist sind.

Das Seminar aus Münster ist bei weitem nicht die einzige Gruppe an Menschen, die die Spiele wissenschaftlich begleitet. 220 Forschende, aufgeteilt auf 41 Teams, sind laut den Organisatoren von Special Olympics dabei. Sie forschen zur Motivation Athlet*innen; zur Klassifizierung; zum Unified-Konzept, wonach Menschen mit und ohne Lernbeeinträchtigung eine Sportart gemeinsam ausüben, und verschiedenen anderen Dingen.

„Unser Anliegen ist, Forscher*innen aus der ganzen Welt teilhaben zu lassen, um verschiedenste Bereiche rund um die Weltspiele genauer zu untersuchen“, sagt Kathrin Weber, die die Forschung bei Special Olympics verantwortet. „Ziel ist neben evidenzbasierten Ergebnissen und weiterführenden Forschungsfragen auch die Heranführung der Wissenschaftscommunity an die Special Olympics.“

Montagabend an der Messe Berlin. Die drei Dozentinnen haben einen Moment Zeit, um davon zu erzählen, warum sie ihren Studierenden das Seminar anbieten. „Wir bilden Multiplikatoren aus“, sagt Große-Westermann. Und Inklusion an der Schule, es ist ein Thema, das immer relevanter wird. Deswegen sei es wichtig, dass die Studierenden sich mit dem Thema auseinandersetzen, eigene Denkmuster hinterfragen. Das klappe sehr gut, sagt Duensing-Knop. „Da passiert etwas auf der Haltungsebene.“ Regelmäßig führen die Dozentinnen während der Exkursion nach Berlin Befragungen mit den Studierenden durch.

Das Seminar ist an der Uni Münster kein Pflichtseminar – genauso wie viele Dinge, die Inklusion an Schulen betreffen. „Es fand schon eine gewisse Vorselektion statt“, sagt Kundinya. Nichtsdestotrotz sei sie von dem, was die Studierenden hier an den Tag legen, begeistert; die Offenheit, die Motivation, sich mit Inklusion und den Special Olympics zu beschäftigen. Viele hätten zuvor noch nie etwas von den Spielen gehört.

Mira Dongowski, Jill Mandel und Jonas Menzel sind drei der Studierenden des Seminars. Bittet man sie, von ihren Erfahrungen in Berlin zu erzählen, kommen sie ins Schwärmen. Die drei kommen eher aus dem Leistungs- und Vereinssport, also dort, wo der Leistungsgedanke oftmals über allem stehe. „Kokurrenzgehabe“, nennt Menzel das. Mandel sagt: „Wir haben schnell das Gefühl bekommen, das Sport hier ganz anders ist als etwa bei den Olympischen Spielen.“

Er verfolge auch andere Zwecke. Jetzt, wo Jonas Menzel mit der Herangehensweise der Special Olympics vertraut ist, die mehr auf individuellen Erfolg sowie Teilhabe ausgelegt ist, ist es für ihn eine andere Art zu denken. „Es war schwierig, da zu switchen“, sagt er.

Dongowski zeigt sich von der Menschlichkeit der Spiele begeistert, sagt sie. „Es passiert einfach richtig viel Zwischenmenschliches.“ Umarmungen, Freudenstürme, auch authentischer Trauer, wenn ein Spiel verloren wurde. Besonders fiebern sie mit den Niederländern mit, dessen „Host Town“ Münster war. Die Studierenden waren bei dem Programm dabei, haben die Sportler*innen kennengelernt.

Die drei Studierenden sind ihn ihrem Master-Studium. Dort gibt es an der Uni Münster das Modul 5. Das ist ein Modul, in dem es um Inklusion geht. Vorrangig allerdings theoretisch. Menschen mit Lernbeeinträchtigung oder solchen mit körperlichen Behinderungen begegnen sie da kaum. Dongowski sagt: „Da habe ich nicht annähernd so viel aufgenommen wie hier.“

2024 finden die NRW-Landesspiele für Menschen mit Lernbeeinträchtigung in Münster statt. Die drei Dozentinnen wünschen sich, dass die Studierenden da irgendwie mitwirken, als Volunteers zum Beispiel. Spricht man wiederum mit den Studierenden selbst, glaubt man: Dieser Wunsch geht in Erfüllung, sie gehen sogar noch weiter. Einige haben Interesse daran, ein Unified-Team aufzubauen.

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