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Orks in „Der Herr der Ringe: Die Gefährten“

© Matt Grace / Prime Video

Hass auf „Herr der Ringe“, „Star Wars“ & Co.: Toxische Fans im Netz

Serien wie „Die Ringe der Macht“ oder Filme wie „Star Wars“ sind beliebt. Manche Fans aber verbreiten im Netz vor allem ihren Ärger oder Abscheu wegen bestimmter Veränderungen.

Wochen bevor der heiß erwartete Film „Star Wars: Episode 1 – Die Dunkle Bedrohung“ im Jahr 1999 in die Kinos kam, wurden vor manchen Lichtspielhäusern Zelte aufgeschlagen. Fans campierten vor dem Kino, um garantiert ein Ticket für die erste Vorstellung zu ergattern.

Man kann diese extreme Hingabe belächeln. Fraglos aber zeigte sich damals eine Seite der Fankultur, die vor allem durch Gemeinschaft geprägt war, fröhlich daherkam – und geradezu unschuldig. Ein echter Kontrast verglichen mit dem destruktiven Umgangston, der heute in unterschiedlichen Fan-Gruppen zu vernehmen ist, die sich vornehmlich im Internet austauschen.

Ein aktuelles Beispiel: Die neue Streaming-Serie „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ auf Amazon Prime Video. Sie erzählt eine Vorgeschichte zur weltberühmten „Herr der Ringe“-Buchtrilogie, die von Regisseur Peter Jackson und seinem Team in Publikumshits verwandelt wurde.

Die Serie „Die Ringe der Macht“ dagegen hat auf der großen, amerikanischen Filmbewertungsplattform „Rotten Tomatoes“ eine auffällig niedrige Publikumswertung von nur 39 Prozent an positiven Besprechungen (Stand: 19. September). Das ist ein eklatanter Kontrast zu den 84 Prozent, mit denen die Serie von Kritiker:innen bewertet wurde.

Review Bombing gegen „Die Ringe der Macht“

In Zusammenhang mit der Streaming-Serie „Die Ringe der Macht“ setzte ein sogenanntes „Review Bombing“ ein.

Beim Review Bombing legen sich manche User:innen gleich mehrere Accounts an, um in großer Anzahl schlechte Bewertungen zu verfassen. Hier wird nicht einfach nur ein grundsätzlich harmloses Qualitätsurteil hinterlassen, so wie es viele andere Fans tun. Stattdessen geht es um Zerstörung.

Teilweise haben die User:innen den jeweiligen Inhalt nicht einmal gesehen. So fanden sich bereits vor dem Start der Serie „Die Ringe der Macht“ unterhalb der Trailer auf YouTube etliche negative Kommentare, die das neue Format niedermachten.

Ein Monster in der Amazon-Serie „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“
Ein Monster in der Amazon-Serie „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“

© Amazon Studios

Amazon sah sich wegen des Review Bombings genötigt, bereits im August erste Maßnahmen zu ergreifen, damals in Zusammenhang mit einer anderen Produktion.

So sollen Bewertungen aktuell erst nach 72 Stunden und einer Prüfung durch Amazon freigeschaltet werden, bei der auch kontrolliert wird, ob User:innen mithilfe mehrerer Accounts kommentieren. Der Großkonzern sorgt sich um die Reputation seines exorbitant teuren Produktes.

Diskussionskultur wird zerstört

Der Schaden aber betrifft vor allem den Diskurs. Einerseits mag es zu begrüßen sein, dass das medial abgebildete Meinungsspektrum, das jahrzehntelang ausschließlich Hoheitsgebiet professioneller Kritiker*innen war, erweitert wird. Andererseits ist ähnlich wie bei politischen Diskussionen im Internet der Umgangston unter Fans teils dermaßen rau, dass es durchaus ratsam sein kann, sich gar nicht erst in Diskussionen einzumischen.

Dieses Phänomen zeigt sich in unterschiedlichen Franchises, von Superheldenfilmen über „Herr der Ringe“ bis hin zu „Star Wars“.

Früher wurde friedlich campiert, heute streiten sich manche „Star Wars“-Fans im Netz unversöhnlich darüber, ob die drei neuen, von 2015 bis 2019 veröffentlichten Kinofilme die komplette Saga ruiniert haben. Dabei ist insbesondere Rian Johnson, der Regisseur und Drehbuchautor des kontrovers diskutierten Films „Star Wars 8: Die letzten Jedi“, für manche Fans zur Hassfigur geworden.

Rian Johnson bei der Premiere seines neuen Films „Glass Onion: A Knives Out Mystery“.
Rian Johnson bei der Premiere seines neuen Films „Glass Onion: A Knives Out Mystery“.

© VALERIE MACON / AFP

Hollywood hört auf die Fans

Hollywood schaut sehr genau hin, was im Internet geschrieben oder in YouTube-Videos und Podcasts gesagt wird.

Beispiel „Star Wars: Episode 1 – Die Dunkle Bedrohung“: Der Film geriet für viele Fans zur Enttäuschung, sie ließen sich jahrelang im damals noch jungen Massenmedium Internet über die Prequel-Filme aus. „Episode 1“ und seine zwei Fortsetzungen wurden als kindisch und wegen der vielen Computereffekte als künstlich empfunden.

Ab 2015 veröffentlichte Disney eine neue „Star Wars“-Trilogie. In Reaktion auf die Stimmung im Netz war sie optisch und inhaltlich eklatant an George Lucas‘ ursprüngliche Filme aus den Achtzigern angelehnt und erinnerte kaum noch an die bei älteren Fans unbeliebten Vorgeschichten.

Der „Star Wars 8“-Regisseur Rian Johnson wiederum sollte, zumindest dem ursprünglichen Plan nach, eine eigene neue „Star Wars“-Trilogie entwickeln. So wurde es 2017 – und damit vor dem Aufschrei gegen ihn – verkündet. Johnsons neue Trilogie aber wurde bisher nicht gedreht. Das Projekt gilt als tot.

Lohnt es sich überhaupt, auf die Fans zu hören?

Ein weiteres Beispiel: Nach einer jahrelangen Fan-Kampagne, in der eine Neufassung des unbeliebten DC-Superheldenfilms „Justice League“ gefordert wurde, erschien 2021 dann tatsächlich der herbeigesehnte Film „Zack Snyder's Justice League“. Nie dürfte die Macht einer Gruppe Superhelden-Fans größer gewesen sein als zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung.

Ob sich die Hörigkeit von Hollywood gegenüber den Fans aber immer auszahlt, ist fraglich. Die neuen „Star Wars“-Filme waren an den Kinokassen zwar sehr erfolgreich, gleichzeitig wurde aber von vielen Zuschauer:innen kritisiert, dass sie nicht genug Neues bieten würden. „Star Wars 9“, der Abschluss der neuen Trilogie, spielte merklich weniger Geld ein als beide Vorgänger.

Den Erfolg von „Zack Snyder's Justice League“ einzuschätzen, der auf dem US-Streamingdienst HBO Max debütierte, fällt dagegen schwer. Streaming-Anbieter veröffentlichen ihre Abrufzahlen nur sehr ausgewählt und ohne gemeinsamen Standard. Es gibt Indizien dafür, dass „Zack Snyder's Justice League“ erfolgreich war, doch eine alte Regel Hollywoods hat auch heute noch Bestand:

Hits werden fortgesetzt – und was „Zack Snyder's Justice League“ betrifft, ist aktuell keine Fortsetzung in Sicht. Stattdessen dreht Regisseur Zack Snyder jetzt bei der Konkurrenz Netflix Filme.

Flash, Batman und Wonder Woman in „Zack Snyder’s Justice League“.
Flash, Batman und Wonder Woman in „Zack Snyder’s Justice League“.

© Sky Deutschland/© 2021 WarnerMedia Direct, LLC. All Rights Reserved. HBO/obs

Hat es sich in diesem Fall also doch nicht gelohnt, auf die Fans zu hören, die im Internet am lautesten sind? So viel ist klar: Gerade die Sozialen Netzwerke erschaffen ein Zerrbild vom gesamten Meinungsspektrum einer Zuschauerschaft. Der Anteil extremer Meinungen wirkt darin besonders groß. Mitunter greifen einige YouTuber und traditionelle Medien dieses Zerrbild dankbar auf, der Reichweite wegen.

Die Realität dürfte oft anders aussehen. Für den gescholtenen Kinofilm „Star Wars 8: Die letzten Jedi“ fand die Gesellschaft für Konsumforschung 2018 bei einer repräsentativen Befragung deutscher Kinozuschauer:innen heraus, dass er mit einer durchschnittlichen Wertung von 1,54 sehr gut ankam – und damit sogar noch besser als der im Internet gefeierte Sci-Fi-Film „Blade Runner 2049“.

Rassismus

Eine beunruhigende Entwicklung in Zusammenhang mit online ausgelebter Fan-Kultur betrifft den Rassismus. Immer wieder wird in Kommentaren die Hautfarbe von Protagonist:innen negativ thematisiert – vor allem seit Hollywood-Konzerne und Streamingienste wie Amazon Prime oder Netflix verstärkt darauf achten, Rollen divers zu besetzen.

Jüngstes Beispiel hierfür ist der Trailer zum neuen „Arielle“-Film von Disney, „The Little Mermaid“. Die Meerjungfrau wird hier von Halle Bailey gespielt. Im alten Zeichentrick-Klassiker war Arielle weiß.

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In Kommentaren wird bemängelt, dass es die Studios bei der Besetzung von Filmen und Serien heutzutage mit der politischen Korrektheit übertreiben würden. Andere User:innen verweisen auf Vorlagen, die ihrer Meinung nach zu stark abgewandelt wurden.

So wie im Fall von „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“, wo es Elben, Hobbit-Vorfahren und Zwerge gibt, die von People-of-Color-Darsteller:innen gespielt werden. Zuvor hatte Fantasy lange nur eine Farbe: Weiß.

Amazon Prime Video verteidigte in einem Statement die Besetzung der Rollen. „Wir sind solidarisch mit unserer Besetzung. Unsere Welt war noch nie ganz weiß, Fantasy war noch nie ganz weiß, Mittelerde ist nicht ganz weiß. BIPOC gehören zu Mittelerde und sie sind hier, um zu bleiben“, heißt es auf dem offiziellen Twitter-Account der Serie.

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Bedrohung gegen Schauspieler*innen

Stars werden mitunter sogar direkt verbal attackiert. Ismael Cruz Cordova, der den Arondir in „Die Ringe der Macht“ spielt, berichtete gegenüber Esquire von „purer und bösartiger Hassrede“. Sie erreiche ihn beinahe täglich – seit zwei Jahren. Cordova spielt als erste Person of Color einen Elben.

Ismael Cruz Cordova bei der Premiere von „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“.
Ismael Cruz Cordova bei der Premiere von „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“.

© Niklas HALLE’N / AFP

Auffällig oft richtet sich der Hass gegen Frauen. Ein Beispiel ist die amerikanische Schauspielerin Kelly Marie Tran, deren Eltern von Vietnam in die USA immigrierten. Tran spielte mit Rose Tico 2017 die erste nicht-weiße Heldin in „Star Wars“.

Die Schauspielerin sah sich bereits ein halbes Jahr nach dem Kinostart von „Star Wars 8: Die letzten Jedi“ zum Rückzug aus dem Sozialen Netzwerk Instagram genötigt und begab sich in eine Therapie. Rassistische und sexistische Kommentare waren Medienberichten zufolge der Grund. Tran hatte die hässlichste Seite der heutigen Fan-Kultur gesehen.

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