zum Hauptinhalt
Wenn Tierliebe zum Problem wird: Das krankhafte Sammeln von Tieren wird Animal Hoarding genannt. (Symbolbild)

© picture alliance/AP Photo

„Animal Hoarding“: Wenn Menschen Tiere sammeln

Das krankhafte Sammeln von Tieren, genannt „Animal Hoarding“, führt jährlich zu neuem Tierleid. Ursachen dafür können persönliche Schicksalsschläge und Lebenskrisen sein.

34,4 Millionen Haustiere lebten im Jahr 2022 in deutschen Haushalten. Hunde und Katzen gelten als besonders treue Begleiter, aber auch Kleintiere wie Kaninchen oder Hamster helfen beispielsweise gegen Einsamkeit. Problematisch wird es allerdings, wenn Tierliebe ausartet und nicht nur ein oder zwei tierische Mitbewohner angeschafft werden.

Im Februar dieses Jahres holte das Veterinäramt Altenkirchen in Rheinland-Pfalz im knapp zwanzig Kilometer entfernten Wissen an der Sieg Hunderte Ratten aus einem Haus. Anwohner hatten sich über die Geruchsbelästigung durch eine Nachbarin beschwert.

Nach einer ersten Rettungsaktion kamen knapp 400 Tiere zusammen. Am Ende waren es über 800 sogenannte Farbratten, die bei der Frau gelebt hatten.

Im Mai wandte sich das Ordnungsamt von Lippstadt in Nordrhein-Westfalen an den ansässigen Tierschutzverein. In der Stadt sollen zu dieser Zeit in einem Haus circa 60 verwahrloste Katzen gelebt haben.

„Schon nach kurzer Zeit wurde aus der Tierrettung ein Albtraum. (…) Zwei Mitarbeiterinnen waren täglich mehrfach im von Fäkalien verschmutzten, bestialisch stinkenden Haus im Einsatz, um die Tiere herauszuholen“, schrieb der Tierschutzverein Lippstadt damals auf seiner Homepage.

Das Leid der gehorteten Tiere ist kaum vorstellbar.

Nina Brakebusch, Deutscher Tierschutzbund

Solche Fälle werden „Animal Hoarding“ genannt, was das krankhafte Sammeln von Tieren bezeichnet. Seit 2012 dokumentiert der Tierschutzbund jährlich die bekanntgewordenen Fälle.

„Das Leid der gehorteten Tiere ist kaum vorstellbar: Verwahrlost, unterernährt und krank hausen sie auf engem Raum im eigenen Urin und Kot, pflanzen sich unkontrolliert fort“, sagt Nina Brakebusch, Fachexpertin für „Animal Hoarding“ beim Deutschen Tierschutzbund. Die Halter würden jedoch meist gar nicht merken, dass es ihren Tieren schlecht geht.

73 bekannte Animal Hoarding-Fälle in 2022

Im Jahr 2021 lag die Zahl der „Animal Hoarding“-Fälle in Deutschland bei 73, ebenso wie in 2022. 2013 wurden gerade einmal 20 Fälle bekannt. Wie der Tierschutzbund mitteilt, seien bei den 73 Fällen im vergangenen Jahr insgesamt 4506 Tiere betroffen gewesen. Es sei jedoch auch von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.

Vor allem seit 2020 stieg die private Tierhaltung massiv an. „Viele Tiere wurden während der Pandemie neu angeschafft – oft, um der pandemiebedingten Einsamkeit und Isolation entgegenzuwirken. Tiere können in solchen Zeiten ein wichtiger Halt sein“, sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund.

Weitere Faktoren für das Abrutschen in „Animal Hoarding“ seien persönliche Schicksalsschläge und Lebenskrisen. „Betroffene Personen sehen sich plötzlich nicht mehr in der Lage, angemessen für ihre Tiere zu sorgen und die Haltung wächst ihnen über den Kopf“, so Schmitz.

Wellensittichschwarm in einer Wohnung: Bei der Tiersammelsucht werden etliche Tiere unkontrolliert gehalten. (Symbolbild)
Wellensittichschwarm in einer Wohnung: Bei der Tiersammelsucht werden etliche Tiere unkontrolliert gehalten. (Symbolbild)

© imago/blickwinkel

Seit Beginn der Datensammlung 2012 seien Katzen am häufigsten von der Tiersammelsucht betroffen gewesen. Ausgehend von der Gesamtzahl der Tiere würden vor allem kleine Heimtiere gehortet. Zumeist gehören die Tiere in einem solchen Haushalt einer Art an, in einigen Fällen werden aber auch verschiedene Tierarten gesammelt.

So wurde im September ein „Animal Hoarding“-Fall im Unterallgäu bekannt, bei dem Tierretter wiederholt an ihre Grenzen stießen: „Was uns dort erwartete, war unfassbar“, benannte das Tierheim Beckstetten in Bayern die Zustände, die sie in einem 100 Quadratmeter großen Haus vorfanden. Ein älteres Ehepaar hortete dort 32 Hunde der Rasse Malteser, zudem circa 60 Meerschweinchen, einige Katzen und Wellensittiche sowie ein Kaninchen.

Tierheime am Limit

Vor allem für die ohnehin überlasteten Tierheime stellen solche Beispiele eine enorme Belastung dar. Im Auftrag der Kommunen nehmen sie die beschlagnahmten Tiere auf und versorgen sie.

Wie Nina Brakebusch berichtet, sei 2022 jedoch nur bei fünf Tierheimen eine vollständige Kostendeckung nach einem „Animal Hoarding“-Fall erfolgt. „Mehr denn je ist der karitative Tierschutz auf eine gerechte Entlohnung durch die Kommunen angewiesen“, so Brakebusch.

Das zuständige Veterinäramt oder die Polizei über die Zustände informieren.

Lea Schmitz, Deutscher Tierschutzbund

Die „Animal Hoarder“ selbst würden laut Lea Schmitz aufgrund ihrer Erkrankung nicht erkennen, dass sie ihre Tiere nicht artgerecht halten und versorgen können. Zudem würden sie dazu neigen, immer mehr Tiere aufzunehmen, um sie aus ihrer Sicht zu retten.

Bekannte oder Verwandte sollten behutsam mit den Tiersammlern umgehen und zunächst direkt den Kontakt zu ihnen suchen. „Beschuldigungen und Vorwürfe sind da aber fehl am Platz. Wenn man sich dagegen höflich erkundigt und sich für die Situation interessiert, ist es möglich, dass sich ein ,Hoarder’ anvertraut und auch bereit ist, Hilfe anzunehmen“, rät Schmitz. Zumeist sei dieser Weg jedoch vergebens. „Dann sollte man das zuständige Veterinäramt oder die Polizei über die Zustände informieren.“

„Animal Hoarding“ gilt bisher nicht als anerkanntes Krankheitsbild, was der Deutsche Tierschutzbund jedoch empfiehlt. Zudem fordert der Dachverband eine Heimzierschutzverordnung mit eindeutigen Vorgaben für Zucht und Haltung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false