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Privatisierung: Bezirke müssen Jugendclubs abgeben

Nach den Kitas steht jetzt bei den Jugendfreizeitheimen eine neue Privatisierungswelle bevor: Die Finanznot zwingt die Bezirke dazu, sich von Einrichtungen zu trennen und sie an freie Träger zu geben, die kostengünstiger arbeiten als die öffentliche Hand.

Nach den Kitas steht jetzt bei den Jugendfreizeitheimen eine neue Privatisierungswelle bevor: Die Finanznot zwingt die Bezirke dazu, sich von Einrichtungen zu trennen und sie an freie Träger zu geben, die kostengünstiger arbeiten als die öffentliche Hand. Im Rahmen der Haushaltsberatungen im Herbst wird mit entsprechenden Richtungsentscheidungen gerechnet. In den Bezirken tagen zurzeit Arbeitsgruppen, die Vorschläge zusammentragen. Darüber hinaus stehen auch andere Aufgabenbereiche der Jugendämter unter Einspardruck.

Die Bezirke sind unterschiedlich weit bei den Privatisierungen. Vorgeprescht war Lichtenberg bereits vor zwei Jahren: Ausgelöst durch ein immenses Haushaltsloch waren bis auf vier Jugendfreizeitheime alle Einrichtungen freien Trägern übergeben worden – damit sind etwa 90 Prozent der Häuser nicht mehr öffentlich. „Unterm Strich war das bislang eine gute Lösung“, urteilt Jugendstadtrat Michael Räßler-Wolff (Linke).

Dass die Bezirke durch Privatisierungen viel sparen können, ohne dass das Angebot erst mal leidet, liegt an der Kostenstruktur: Eine Angebotsstunde in öffentlicher Trägerschaft kostet wegen der hohen Verwaltungskosten weit über 50 Euro. Dabei werden alle Kosten rund um eine Einrichtung, von der Glühbirne bis zur Grünanlage, als Betreuungskosten abgerechnet. Vom Land erhielt der Bezirk aber lediglich knapp 44 Euro zugewiesen.

Von dieser finanziellen Knebelung befreite sich der Bezirk. Für die Angebotsstunde freier Träger weist Berlin 26,03 Euro zu. Lichtenberg konnte durch die gewonnenen Spielräume einen politischen Preis von 27,28 Euro festlegen, von denen 22,18 Euro netto in den Einrichtungen ankommen – für Berliner Verhältnisse ist das auskömmlich.

Nicht alle Bezirke finden das vorbildlich. „Lichtenberg ist damals vorgeprescht, ohne dies mit den anderen Bezirken abzusprechen“, kritisiert der Jugendstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinhard Naumann (SPD). Das habe dazu geführt, dass der Finanzsenator die Zuschüsse allgemein gesenkt habe – nach dem Motto: Was Lichtenberg kann, das könnt ihr auch. Die anderen Bezirke waren darauf nicht vorbereitet und müssen jetzt sehen, wie sie ihre Kosten schnellstmöglich senken können, weil 2010 das Geld nicht reicht.

In etlichen Bezirken wird jetzt in Arbeitsgruppen abgewogen, welche Häuser in öffentlicher Trägerschaft bleiben sollen und welche nicht. Naumann möchte aber keinesfalls Lichtenbergs Beispiel folgen: „Ein Drittel oder mindestens ein Viertel der Einrichtungen sollten öffentlich bleiben“, fordert Naumann. Als Beispiel nennt er das Haus der Jugend „Anne Frank“ – das traditionsreichste der Wilmersdorfer Einrichtungen, das längst zu einem Medienkompetenzzentrum ausgebaut wurde. Auch der Hauptpersonalrat warnt davor, den Bogen bei der Privatisierung zu überspannen. Einrichtungen freier Träger könnten sang- und klanglos geschlossen werden, sobald der Bezirk die Sachmittelzuweisungen kürze, gibt der Vorsitzende Uwe Januszewski zu bedenken.

Die Privatisierung der Jugendfreizeiteinrichtungen spielt auch eine Rolle in einem aktuellen Gutachten der Unternehmensberatung Steria Mummert Consulting AG, das im Senatsauftrag erstellt wurde und am Freitag den Jugendstadträten vorgelegt wird. Dort geht es um die gesamte Angebotsstruktur der Jugendämter und um die Frage, wie ihre Effizienz zu erhöhen ist. Behandelt wird diese Frage auch vor dem Hintergrund der Altersstruktur der Jugendämter: Angesichts einer großen Pensionierungswelle muss jetzt entschieden werden, welche Stellen neu besetzt werden sollen und welche wegfallen können.W. Kurzlechner, S. Vieth-Entus

Das Gutachten im Internet unter www.berlin.de/sen/bwf/

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