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Freiheitsstimme

© Gestaltung: Tagesspiegel/Dessin/Foto: Getty Images/GBlakeley

Kontrolle, Druck, Selbstzensur: Wie Donald Trump die Meinungsfreiheit zerstört

Von Mark Zuckerberg bis Jimmy Kimmel – das Vorgehen des US-Präsidenten erzeugt Angst und Anpassung in US-amerikanischen Medien, Konzernen und der Gesellschaft. Das sind seine Strategien.

Stand:

Es ist der letzte Fall in einer langen Reihe: Auf Druck von US-Präsident Donald Trump und seinen Getreuen hat der Fernsehsender ABC die satirische Late-Night-Show von Jimmy Kimmel abgesetzt. Immer offener, immer umfassender gehen Konservative gegen die Meinungsfreiheit vor. Sie schmieden Bündnisse, spannen Gerichte ein, nutzen Abhängigkeiten aus. Damit schaffen sie ein Klima der Angst, Verzagtheit und Selbstzensur.

1 Trump und die Tech-Milliardäre

Wer die Medien kontrolliert, dringt in die Köpfe der Menschen ein, steuert ihre Werte und Weltbilder. Denn Medien prägen das Bild, das sich ihre Nutzer von der Welt machen. Sie transportieren Informationen, beeinflussen politische Stimmungen, zementieren oder zerstören Ideologien.

Kein Zufall also, dass US-Präsident Donald Trump die führenden Vertreter der Medien- und Technologiebranche umgarnt. Anfang September empfing er sie zu einem Dinner im Weißen Haus. Gekommen waren fast alle, Tesla- und X-Chef Elon Musk war „leider“ verhindert.

An der langen Tafel saßen Meta-Chef Mark Zuckerberg, Microsoft-Gründer Bill Gates, Apple-Chef Tim Cook, OpenAI-Chef Sam Altman und viele andere. Von der engen Bande aus politischer Macht und Medien-Macht sollen beide Seiten profitieren.

Trump erwartet Investitionen im dreistelligen Milliardenbereich und eine Liberalisierung der Moderationsregeln. Zuckerberg war Anfang Januar bereits vorangegangen. Er schaffte Faktencheck-Teams in den USA ab sowie Diversitäts-Programme, durch die Frauen, Schwarze oder Latinos in seinem Unternehmen gefördert wurden. Viele Löschvorschriften wurden aufgehoben.

5
Milliarden Menschen nutzen weltweit soziale Medien

Die Digitalkonzerne wiederum erwarten von Trump, dass er sie weltweit vor Einflussnahmen auf ihre Plattformen schützt. Nicht supranationale Organisationen wie die Europäische Union sollten inhaltliche Regeln aufstellen können. Über dieses Privileg sollten allein die Betreiber verfügen.

Laut der Firma „Kepios“, die digitale Daten analysiert, haben im Jahr 2023 rund fünf Milliarden Menschen soziale Medien benutzt. Das sind knapp zwei Drittel der Weltbevölkerung. Im Kommunikations- und Informationsraum sind Facebook, Tiktok, Youtube und Instagram längst wichtiger als Fernsehsender wie CNN, BBC, Al Jazeera oder RT (ehemals Russia Today).

2 Trump und die Justiz


Doch auch die traditionellen Medien will Trump unter seine Kontrolle bekommen. Immer massiver geht er gegen sie vor. Zuletzt hat er eine Klage gegen die „New York Times“ eingereicht, in der er 15 Milliarden Dollar von der Zeitung fordert. Sie sei zu einem „Sprachrohr der radikalen linken Demokratischen Partei“ geworden, schrieb er auf seiner Plattform „Truth Social“.

Außerdem wirft er ihr vor, Lügen über ihn, seine Familie, sein Unternehmen, die Bewegung „Make America Great Again“ (MAGA) und die USA als Ganzes zu verbreiten. Die Aussicht auf Erfolg dieser Klage mag gering sein – die Rede- und Pressefreiheit ist durch den ersten Verfassungszusatz fest verankert –, doch Trump hofft darauf, dass sein Anliegen von einem mehrheitlich konservativ besetzten Obersten Gericht letztlich nicht vollständig abgeschmettert wird. Selbst einen Mini-Teil-Erfolg würde er als Sieg feiern.

15
Milliarden Dollar fordert Donald Trump von der „New York Times“

Das gilt auch für seine Klage gegen das „Wall Street Journal“. Es geht um einen Bericht der Zeitung im Zusammenhang mit dem Fall des verstorbenen Sexualstraftäters Jeffrey Epstein. Trump fordert mindestens zehn Milliarden Dollar Schadenersatz wegen eines Artikels, in dem über einen angeblichen Geburtstagsbrief von Trump an Epstein aus dem Jahr 2003 berichtet wird.

Weil die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) sich weigerte, den Golf von Mexiko als „Golf von Amerika“ zu bezeichnen, wurde ihr kurzerhand die Zugangsberechtigung zum Weißen Haus entzogen.

3 Trump und die Satire


Im Fokus des US-Präsidenten stehen insbesondere auch Late-Night-Comedians wie Stephen Colbert, Jimmy Kimmel, Jimmy Fallon und Seth Meyers. Schon in seiner ersten Amtszeit hatten sie ihn mit Satire, Spott und Hohn überzogen. Mitte Juli hatte CBS angekündigt, die Show mit Colbert im Mai kommenden Jahres zu beenden.

Jetzt zog ABC nach und stellte die Ausstrahlung von „Jimmy Kimmel live“ auf unbestimmte Zeit ein. Als Begründung wurden Kimmels Äußerungen über das Attentat auf den rechten Aktivisten Charlie Kirk angeführt. Kimmel hatte angedeutet, der mutmaßliche Täter könne MAGA-Anhänger gewesen sein.

Auf unbestimmte Zeit eingestellt: die Show des Moderators Jimmy Kimmel.

© imago/MediaPunch/Dee Cee Carter

Daraufhin hatte das „Center for American Rights”, das den Sendern NBC, ABC und CBS ohnehin Voreingenommenheit in ihrer Berichterstattung vorwirft, Beschwerde bei der Medienaufsichtsbehörde „Federal Communications Commission“ (FCC) eingereicht. Deren Leiter, Brendan Carr, forderte umgehend lokale Sender auf, die Sendung mit Kimmel nicht mehr auszustrahlen. Außerdem drohte er dem Disney-Konzern mit Maßnahmen, zu dem ABC gehört.

Die FCC ist eine vom Kongress geschaffene unabhängige Bundesbehörde. Sie vergibt Lizenzen und muss Fusionen genehmigen. Sie ist auch verantwortlich für Strafen, wenn als obszön eingestufte Worte gesendet werden. Carr, deren Vorsitzender, war von Trump nominiert und dem Senat bestätigt worden.

War es eine zufällige zeitliche Koinzidenz? Die Colbert-Show wurde abgesetzt, nachdem der Mutterkonzern von CBS, Paramount, eine Fusion mit dem Medienunternehmen Skydance angestrebt hatte. Das hätte die FCC genehmigen müssen. Im Fall Kimmel deutete Carr an, dass die FCC die Lizenzen der ABC-Tochtergesellschaft widerrufen könnte. Einige Beobachter nennen das Erpressung.

4 Trump und die Wissenschaft

Die Trump-Regierung hat ein System aufgebaut, das die Gesundheitsversorgung der Amerikaner und die Forschung im Land lenkt und abhängig von Fördergeldern macht. Bundesmittel werden eingefroren, ihre Auszahlung verzögert oder an politische Auflagen geknüpft. Die Harvard-Universität ist dafür das prominenteste Beispiel: Milliarden an Forschungsmitteln stehen auf der Kippe, weil die Universität Lehrinhalte, Zulassungen und Personalpolitik nicht im Sinne der Regierung „korrigiert“.

Das Beispiel wirkt furchteinflößend. Wenn selbst die reichste Universität der Welt in die Knie gezwungen werden kann – was heißt das dann für alle anderen? Die Elite-Universität Columbia hat sich der Dauererpressung bereits gebeugt.

Im Gesundheitsbereich wurde die neue Direktorin der Bundesbehörde abgesetzt, Kritiker traten zurück, und das zentrale Impf-Gremium wurde vollständig neu besetzt. Fachliche „checks and balances“ schrumpfen, der Druck zur politischen Loyalität wächst.

Demonstranten protestieren vor einem Bundesgericht gegen die Kürzung von Geldern für die Harvard University.

© Reuters/Brian Snyder

Im Januar kam heraus, dass die Wissenschaftsbehörde NSF („National Science Foundation“) Forschungsprojekte auf „unerwünschte“ Schlüsselwörter überprüft. Parallel dazu zieht die CDC („Centers for Disease Control and Prevention”) eingereichte Publikationen zurück, um sie sprachlich so anzupassen, wie es politisch gewollt ist. Auf Websites der Gesundheitsbehörde sind Datensätze zur öffentlichen Gesundheit verschwunden.

Wer Evidenz aus dem Netz nimmt, nimmt der Öffentlichkeit die Grundlage für Entscheidungen. Lehrkräfte und Studenten fragen sich, welche Formulierung zum Risiko wird.

Selbstzensur wird zur sozialen Norm

Diese Hebel greifen ineinander: Budgetdruck erzeugt Gehorsam; Personalrochaden entwerten unabhängige Expertise; Listen und Datenlöschungen verschieben Diskurse. Das Resultat: Verunsicherung.

Vielleicht ist der wirkmächtigste Mechanismus nicht der offene Eingriff, sondern das Schweigen, das er erzeugt. Eine Studie, die das Phänomen der Selbstzensur untersucht, zeigt, dass Einschüchterung nicht nur individuell wirkt, sondern sich sozial vervielfältigt: Wer sieht, dass Kollegen schweigen, schweigt eher selbst; wer von Familie oder Vorgesetzten gewarnt wird, übernimmt deren Zurückhaltung.

Angst und Risikowahrnehmung verstärken diesen Kreislauf, bis Selbstzensur zur sozialen Norm wird, schreiben die Politikwissenschaftler Samson Yuen und Fracis Lee. Selbstzensur ist also nicht nur Folge staatlicher Eingriffe – sie ist der Multiplikator.

5 Trump und die Bundesstaaten

Im Bildungsbereich übernehmen lokale konservative Kräfte – vom Schuldirektor aufwärts bis zum republikanischen Gouverneur – den Kampf gegen alles, was als „links“ und „woke“ gilt. Ein paar Beispiele:

In Floridas Grundschulen gilt das Verbot, im Unterricht über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität zu sprechen. Gouverneur Ron DeSantis will es auf alle Altersstufen ausweiten.

Ebenfalls in Florida wird eine Schulleiterin entlassen und von Polizisten abgeführt, weil sie vor 11- bis 12-jährigen Schülern die weltberühmte David-Skulptur von Michelangelo gezeigt hatte. Der Vorwurf: Sie habe Pornografie präsentiert.

US-Präsident Donald Trump besucht Ron DeSantis, Gouverneur von Florida .

© Reuters/Evelyn Hockstein

In Texas müssen Buchhändler ihre Bestände daraufhin untersuchen, ob deren Inhalte „sexuell relevant“ oder „sexuell explizit“ sind. Anschließend müssen die Bücher mit einem Warnhinweis versehen werden. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, wird ihnen jegliche Zusammenarbeit mit öffentlichen Schulen und Bibliotheken verwehrt.

Den politischen Diskurs kontrollieren und lenken zu wollen, geschieht aus Machtkalkül. Demgegenüber ist die Lobby derer, die gegen rechts und links für das Recht auf Meinungsfreiheit plädieren, in den USA recht klein geworden. Ihnen wird vorgeworfen, auch Hass und Hetze zu legitimieren. Der Vorwurf trifft. Denn aus liberaler Sicht ist es für eine Gesellschaft besser, Hass und Hetze zu ertragen als Verbote und Zensur.

6 Trump und die Angst


Vor knapp zehn Jahren brachte Donald Trump seine Überzeugung unverblümt auf den Punkt: „Wahre Macht ist – ich möchte das Wort gar nicht verwenden – Angst“, sagte er im März 2016 gegenüber den Journalisten Bob Woodward und Robert Costa.

Einschüchterung und Drohgebärden ziehen sich wie ein roter Faden durch Trumps Karriere. Schon im Geschäftsleben nutzte er aggressive Praktiken, strategische Drohungen und manipulative Taktiken, um Partner, Konkurrenten und Behörden unter Druck zu setzen und sie zum Schweigen zu bringen oder aus dem Weg zu räumen. Dieses Muster setzte sich in seinem politischen Werdegang fort – von der Festigung seiner Kontrolle über die Republikanische Partei bis hin zu seinen Wahlkämpfen und Präsidentschaften.

Wenige Tage nach dem Attentat auf den rechten Influencer Charlie Kirk kündigte der US-Präsident an, die Antifa-Bewegung als Terrororganisation einstufen zu wollen, sie sei eine „kranke, gefährliche, radikale Katastrophe“.

Das fügt sich in das Muster der Administration ein, politische Gegner als existenzielle Bedrohung für die Vereinigten Staaten darzustellen. So hatte Trump Journalisten und Medienvertreter in der Vergangenheit wiederholt als „Feinde des Volkes“ bezeichnet.

Seine Formel ist sehr klar und unkompliziert: Habt große, große Angst.

Barry Glassner, US-amerikanischer Soziologe über das Vorgehen von Donald Trump

Trumps Vizestabschef Stephen Miller spricht von einer Verschwörung gegen die USA und kündigt ein hartes Vorgehen gegen die Linke an. „In seiner Rhetorik verschmelzen Antifa, progressive NGOs und teils auch die Demokratische Partei zu einer einheitlichen Bedrohung, gegen die er Maßnahmen fordert“, warnt der Politologe Christian Lammert im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Im englischsprachigen Diskurs wird Trumps Strategie häufig unter dem Begriff „fear-mongering“ diskutiert. Das gezielte Schüren von Angst – vor Kriminalität, Einwanderung, politischem Wandel oder Chaos – mobilisiert Anhänger, diskreditiert Gegner und unterdrückt Kritik.

Denn Angst liefert starke Motive: Menschen suchen Sicherheit, meiden Risiko und orientieren sich an Autorität. Sie verengt den Fokus und macht empfänglich für einfache Antworten.

„Seine Formel ist sehr klar und unkompliziert: Habt große, große Angst“, fasst Barry Glassner, Soziologe und Autor von „The Culture of Fear“, Trumps Vorgehen zusammen.

Die oft als erratisch beschriebene Art des US-Präsidenten fügt sich in dieses System ein: Widersprüchliche Aussagen, abrupte Personalwechsel, öffentliche Bloßstellungen – alles hält Gegner und selbst Verbündete in ständiger Alarmbereitschaft. Dieses Klima verstärkt seine Kontrolle und schwächt die Fähigkeit der Opposition, organisiert oder effektiv zu reagieren.

Diese Mechanismen erzeugen nicht nur kurzfristige Einschüchterung, sondern drohen auch eine tiefere psychologische Wirkung zu entfalten, warnt Glassner: Gegner beginnen, sich selbst zu zensieren, bekommen Zweifel an der Legitimität des Konflikts oder sie erleben Angst vor Repressalien.

Wenn Oppositionelle mit Hass, Drohungen und juristischen Schikanen rechnen müssen, überlegen sie zweimal, bevor sie öffentlich widersprechen.

Und so begaben sich selbst hochrangige CEOs großer Technologieunternehmen nach Trumps Wahlsieg in eine auffällige Haltung des Entgegenkommens. Sein ehemaliger Berater Steve Bannon resümiert: „Er hat sie gebrochen, und sie haben kapituliert.“

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