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Steffen Seibert war Journalist. Er moderierte die Heute-Nachrichten und das Heute-Journal des ZDF. Seit August 2010 ist er Regierungssprecher.

© dpa

Regierung im Netz: Du sollst nicht "verlautbarungstwittern"

Die politische Kommunikation hat sich verändert. Regierungssprecher Steffen Seibert spricht im Interview über Bürgerbeteiligung, Twitter, Youtube und dieses Crowd-Dings.

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Herr Seibert, Sie sind der erste twitternde Regierungssprecher. Wann waren Sie zum ersten Mal in Ihrem Leben online?

Keine Ahnung, in welchem Jahr das war. Beruflich hatte ich natürlich früh damit zu tun. Privat habe ich lange Abstand gehalten. Noch Anfang des Jahrtausends wollte ich keinen Computer zu Hause. In sozialen Netzwerken bin ich immer noch nicht – privat habe ich kein Mitteilungsbedürfnis im Netz.

Befremdet Sie das Mitteilungsbedürfnis anderer?

Nein, da hat sich einfach eine andere, sagen wir digitale Lebensweise herausgebildet – und die ist nicht meine. Es ist normal, dass 20-Jährige, die mit dem Internet schon aufgewachsen sind, anders leben als ein 51Jähriger.

Ihr Twitter-Account heißt @RegSprecher. Wer ist das?
Der Regierungssprecher, nicht die Privatperson Steffen Seibert.

Der österreichische Kanzler ist neun Personen.
Wo Regsprecher draufsteht, soll auch der Regierungssprecher drinstecken, nicht ein Amt – obwohl natürlich auch ich Kollegen habe, die mir bei der Informationsbeschaffung helfen oder Links recherchieren. Außerdem hat mein Twitteraccount ja sehr klein angefangen: Ich dachte zunächst, ich schreibe pro Tag einen Tweet. Dann habe ich drei Dinge festgestellt: Der Zeitaufwand ist eher gering, an Themen ist kein Mangel und das Beantworten von Fragen gehört irgendwie dazu. Also wurde mein Twittern mit der Zeit intensiver – heute melde ich mich im Schnitt sicher vier- oder fünfmal pro Tag zu Wort. Das war ein Lernprozess.

Einmal haben Sie „Obama“ und „Osama“ verwechselt. Nach dem Tod von Osama bin Laden haben Sie getwittert: „Kanzlerin: Obama verantwortlich für Tod tausender Unschuldiger“.
Ja, leider – seitdem lese ich jeden Tweet dreimal durch und dann nach ein paar Augenblicken noch einmal, bevor ich ihn abschicke.

Im März wurden Sie angegriffen, weil Sie eine Reise der Kanzlerin erst auf Twitter meldeten und danach die Bundespressekonferenz informierten. Unterschwellig klang die Kritik mit: Twitter sei nicht „angemessen“, nicht staatstragend genug.
Ich achte sehr darauf, dass jede politisch relevante Nachricht nicht exklusiv auf Twitter, sondern immer auch auf den konventionellen Wegen bekannt gegeben wird. Die allermeisten Journalisten haben mit meiner Twitterei auch gar kein Problem. Warum auch? Wenn Sie @RegSprecher folgen, werden Sie sehen, dass das der ernsthafte Versuch ist, zu informieren.

Ansonsten ist Twitter nicht gerade für Ernsthaftigkeit bekannt …
Es gibt da alles, von hoch seriös bis komplett gaga. Manche Kommentare, die ich bekomme, sind sehr informiert und nachdenklich, andere einfach unterirdisch grob oder lächerlich … Was soll's. Jeder ist für das verantwortlich, was er von sich gibt.

Sie folgen nur sehr wenigen anderen Twitterern.
Genau 18 anderen accounts, von EuKommission bis Weißes Haus, Human Rights Watch bis Vatikan. Ich weiß, es gibt ein Twitterdogma, dass man vielen anderen folgen müsse.
Du sollst nicht „verlautbarungstwittern“.
Nur, wann soll ich das denn alles lesen? Als Regierungssprecher habe ich ohnehin das Glück, den ganzen Tag aus den verschiedensten Quellen mit Informationen gefüttert zu werden..

Sie haben nun erstmals einen Rückkanal ausprobiert. Die Nutzer konnten Fragen stellen, die die Kanzlerin in Youtube-Videos beantwortet hat. Was hat die Kanzlerin gesagt, als sie hörte, dass sie eine Frage zur Cannabis-Legalisierung beantworten muss?
Wie Sie sehen können, hat Sie sie mit dem gleichen Ernst beantwortet wie andere Fragen auch. Das Thema ist ja auch nicht irrelevant, wenn auch vielleicht nicht eines der allerdrängendsten zurzeit. Aber wenn die Frage im Internet – massiv angeschoben durch den deutschen Hanfverband – Unterstützer findet, dann beantwortet die Kanzlerin sie auch.

Sehen Sie auch Einsatzmöglichkeiten für Crowdsourcing?
Was-Sourcing?

Crowdsourcing, wenn man auf die Netzgemeinde zurückgreift, um Wissen und Ideen zu generieren.

Das kann der Politik nur guttun. Aber so eine wahnsinnig neue Erfindung ist es ja auch nicht: Wenn Angela Merkel als CDU-Parteivorsitzende auf Regionalkonferenzen tausenden von Mitgliedern gegenübersitzt und mit ihnen diskutiert, dann holt sie sich auch deren Wissen und Impulse. Gute Politiker treten nicht vor die Menschen und sagen, hört mal zu, wir haben alle Antworten. Gute Politiker lassen die Erfahrungen und das Wissen der Bürger an sich heran und lernen daraus. Das Netz wird dafür in Zukunft wunderbare Formen bieten und die Bundesregierung wird lernen, mit ihnen umzugehen.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung debattiert am 30. November unter dem Motto "Digitale (Un-)Kultur und Demokratie". Der Tagesspiegel ist Medienpartner und diskutiert unter anderem die Frage: Hilft das Internet, uns zu aufgeklärten Bürgern zu machen?

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