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Dompteur im Zirkus, so sieht Frontmann Campino seine Rolle in der Band.

© dpa

Eine Doku über Die Toten Hosen: Der Rotz ist ab

Früher Punker, heute Wohlfühl-Rocker: Seit 30 Jahren stehen die Die Toten Hose auf der Bühne. Zum Jubiläum zeigt die ARD nun eine Doku, in der Campino & Co nicht nur von Geld und Groupies erzählen.

Er habe noch nie mit einer Band gearbeitet, „die so wenig musikalisches Talent hatte“, sagt Produzent Jon Caffery. Aber: „Sie hatten den Ehrgeiz.“ Und „Disziplin und Reife“, ergänzt Musiker Bob Geldof. Für Senior-Punker Charlie Harper sind Die Toten Hosen schlicht „eine der besten unbekannten Bands der Welt“.

In Deutschland sind sie jedenfalls eine der erfolgreichsten. Im 30. Jahr ihres Bestehens hatten sie mit „Tage wie diese“ wieder einen Nummer-eins-Hit. Die Düsseldorfer Ex-Punker, angekommen im Wohlfühl-Rock, leben den Spagat: Nahe bei den Fans wie bei ihrer Wohnzimmer-Tournee („Magical Mystery Tour“) und umarmt von Medien und Kommerz. „Wir hatten starke Lust auf Erfolg“, sagt der einstige Partyschreck Campino in dem zweistündigen Dokumentarfilm mit dem nicht eben bescheidenen Titel „Nichts als die Wahrheit“. Deswegen seien die „Hosen“ Kompromisse eingegangen, „die einfach fragwürdig waren“.

Der Film ist aber keine Campino-Show. Erstmals kommen neben dem Frontmann auch Bassist Andi und die Gitarristen Breiti und Kuddel sowie der 1999 hinzugekommene Schlagzeuger Vom ausführlich zu Wort. Autor und Regisseur Eric Friedler, der für zwei politisch-historische Dokumentationen („Aghet – ein Völkermord“ über den Genozid an den Armeniern und „Das Schweigen der Quandts“ über die Verstrickungen der BMW-Industriellenfamilie in die Nazi-Verbrechen) jeweils einen Grimme-Preis erhielt, hat kein Album für die Fans gedreht, keine bewundernd-langweilige Chronologie. Friedler hatte freie Hand, und er nutzte sie: Obwohl „totale Kontrollfreaks“ (Caffery), ließen sich die „Hosen“ auf die Bedingung ein, keine Kontrolle über den Film zu haben.

So wurde ein facettenreicher, überraschend offener Blick auf die Persönlichkeiten, auf das Innenleben und das Selbstverständnis der Band möglich. Auf den Drogenkonsum der frühen Jahre, den Umgang mit Geld und Groupies, das politische Engagement, auf die Entwicklung von rotzigen Anti-Stars, die über die Bühne torkeln, zu gereiften Familienvätern, die den Erfolg nicht verachten, aber einen Auftritt bei der RTL-Chartshow immer noch als „totale Scheiße“ ablehnen.

Gedreht hat Eric Friedler vor und hinter den Kulissen, bei Proben und bei Konzerten. Sehenswert ist das Archivmaterial, darunter wacklige Aufnahmen vom illegalen „Hosen“-Konzert in der DDR 1988. Schauspielerin Marianne Sägebrecht findet den Clip „Eisgekühlter Bommerlunder“ immer noch gut, Norbert Hähnel („Der wahre Heino“) und Wolfgang Niedecken treten als Zeitzeugen auf, und Die Ärzte bleiben entspannt auf Distanz. Natürlich seien die keine Punker mehr, sagt Farin Urlaub. Thomas Gehringer

„Nichts als die Wahrheit“, Samstag, 23 Uhr 40, ARD

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