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Jetzt spreche ich. Bis vor Kurzem war Fox News eine Art Präsidentensender, Staatsfernsehen unter den Bedingungen des freien Marktes, getrieben von einer Quoten- und Empörungsgier, die die Spaltung der Gesellschaft in ein Geschäftsmodell verwandelt hat.

© imago images/Xinhua

Zwischen Fox News, Twitter und CNN: Die Jahre nach Trump

Der amerikanische Noch-Präsident verdankt seinen Aufstieg auch den Spektakel-Medien. Was lässt sich für den seriösen Journalismus lernen?

Die neuesten Auftritte und Ausfälle des amerikanischen Noch-Präsidenten anzuschauen, das war lange ein bisschen so wie Kartoffelchips essen. Man konnte nicht aufhören, aber irgendwann war einem garantiert schlecht. Und wenn man sich nach Tagen des Wartens auf das Wahlergebnis ein wenig umhört, dann laborieren viele Menschen derzeit an einem Syndrom herum, das man „Trump fatigue“ nennen könnte. Es handelt sich um eine elementare Spektakelmüdigkeit in Kombination mit ausgeprägter Bullshitverachtung.

Endlich rückt der Tag heran, so heißt es, an dem der Lügner und Rassist nicht mehr interessieren muss. Endlich nähert sich jener meditative Glücksmoment, an dem man die gerade aktuellen Wut-Tweets ignorieren kann.

Das könnte zumindest in ein paar Monaten tatsächlich so weit sein, denke ich. Schon heute wirkt Donald Trump wie ein plötzlich entzauberter Sektenführer. Und doch lohnt es sich jetzt zu fragen, was der seriöse Journalismus aus den vergangenen Jahren lernen kann. Der Mann, Hybridfigur aus Reality-TV-Star und Internet-Troll, hat, so viel ist klar, auf dem Weg nach oben das Mediensystem gehackt. Trump hat das knappe Gut der Aufmerksamkeit in nie da gewesener Weise kannibalisiert – ganz so, als gäbe es jenseits seiner Einfälle und Ausfälle keine Themen, die die Weltgesellschaft interessieren müssten. Wie konnte es dazu kommen?

2011 begann Trump in der Morgensendung „Fox & Friends“ seine politischen Ambitionen zu testen. Er tat dies, indem er rassistische Verschwörungstheorien verbreitete. Barack Obama sei in Wahrheit gar kein US-Amerikaner und daher als Präsident nicht wirklich legitimiert. Andere Medien griffen seine haltlosen Spekulationen auf, verstärkten sie – auch im Versuch der Demontage. Mir ist aus dieser Anfangsphase des „Politikers“ Donald Trump vor allem eine Fernsehszene in Erinnerung geblieben, die auf CNN zu sehen war.

Hier befragt der Top-Journalist Wolf Blitzer Trump nach seinen rassistischen Einfällen – ganz so, als sei es angebracht, diese überhaupt zu widerlegen. Er konfrontiert ihn mit einer Kopie von Obamas Geburtsurkunde und zitiert den damaligen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney, der die Verschwörungstheorien für absurdes Gerede hält.

Darauf Trump: „Er hat seine Meinung, und das ist wunderschön. Und ich bin nun mal anderer Meinung, und das ist auch wunderschön.“ In dieser kurzen Konfrontation zeigt sich die Erregungsgier des Fernsehens und die Neigung der Trump-Gegner, ein Nonsens-Thema im Versuch der Entlarvung zum Aufreger hochzujazzen. Hier wird deutlich, dass der seriöse Journalismus vor einem Dilemma steht: Wie über infame Annahmen berichten, ohne diese selbst immer noch größer zu machen?

Staatsfernsehen unter den Bedingungen des freien Marktes

Letztlich geht es um die reflektierte Ignoranz der Idiotie, die vielleicht Quote und Klickzahlen verspricht, aber die Informationskreisläufe verseucht. Der Kern von Trumps Propagandamethode besteht darin, die Unterscheidung von Faktum und Meinung zu pulverisieren. Hier muss der seriöse Journalismus ansetzen – und auf den Tatsachen bestehen.

Wenn man den Blick weitet, dann sieht man: Hinter jedem medialen Erfolg von Populisten stehen immer auch andere Player mit eigenen Interessen. In diesem Fall ist dies beispielsweise der Fox-News- Gründer und Besitzer von Boulevardzeitungen Rupert Murdoch, vermutlich einer der mächtigsten und skrupellosesten Medienunternehmer des klassischen Print- und Fernsehgeschäfts.

Seine Leute haben auf drei Kontinenten entscheidend dabei geholfen, die politischen Verhältnisse zu destabilisieren. In Großbritannien agitierten sie für den Brexit, in Australien gegen die Tatsache des menschengemachten Klimawandels, in den USA verhalfen sie Trump zur Wahl.

Bis vor Kurzem war Fox News (nun drückt sich auch hier allmählich die Realität des Wahlergebnisses durch) eine Art Präsidentensender, Staatsfernsehen unter den Bedingungen des freien Marktes, getrieben von einer Quoten- und Empörungsgier, die die Spaltung der Gesellschaft in ein Geschäftsmodell verwandelt hat. Wie könnte der seriöse Journalismus reagieren? Es braucht mehr denn je einen investigativen Medienjournalismus, der solche Formen der strategischen Partnerschaft aufdeckt.

Nötig ist die unerschrockene Tiefenrecherche, die das ökonomische Kalkül, das hinter der populistischen Polarisierung steht, offenbart. Die Mesalliance der Skrupellosen sollte zumindest ein Imagerisiko sein.

Und schließlich: Die Jahre mit Trump haben die offene Flanke einer falsch verstandenen Neutralität offengelegt, auch im Feld der seriösen Medien. Wie will man, beispielsweise, über die Position der Demokraten in Sachen Klimawandel (Akzeptanz von Wissenschaft) und der Republikaner (Leugnung) nach dem Muster der ausgewogenen Berichterstattung berichten? Wie einen notorischen Lügner mit einem klassischen Politiker vergleichen? Spielen nicht beide jeweils in einer gänzlich andersartigen Arena, die sich nicht mit gemeinsamen Maßstäben bewerten lässt? Solche Fragen zeigen, dass das Neutralitätsritual des seriösen Journalismus selbst zum Einfallstor für den Populismus werden kann.

„Die ausgewogene Behandlung eines unausgewogenen Phänomens verzerrt die Realität“, so der US-Politikwissenschaftler Norman Ornstein. Er hat recht. Denn dem „Er-sagt-sie-sagt“-Journalismus fehlt es erkennbar an Bullshit-Immunität. Er normalisiert das Inakzeptable und suggeriert eine Gleichwertigkeit von Personen und Positionen, die nicht existiert. Aber was tun? Drei Vorschläge. Es gilt auf dem Weg zu einer engagierten, kämpferischen Objektivität, erstens, gesicherte Erkenntnisse und Fakten als Ausgangspunkt für die Art der Konfrontation zu wählen – unabhängig von der Aura eines Amtes und dem Status der Person.

Vorsicht, es ist schlicht falsch, was im Weißen Haus gesagt wird!

Es muss, zweitens, in der Wahl der Inhalte klarer werden, dass das Provokationspotenzial und die schmierig-schillernde Kuriosität einer Äußerung noch kein hinreichendes Relevanzkriterium darstellt. Ist es ein Thema für CNN, dass ein prominenter Immobilientycoon sich in den Schmuddelecken des Netzes herumtreibt und dort Verschwörungstheorien über Barack Obama entdeckt? Muss man dies mit ihm selbst diskutieren, ihm für die infame Attacke eine Plattform geben? Nein.

Schließlich braucht es die absolut unmissverständliche Einordnung, das klärende, faktenbasierte Meta-Signal – zur Not auch unter Live-Bedingungen. Genau dies ließ sich zuletzt beobachten. So brachen diverse große Fernsehsender die Übertragung einer Pressekonferenz von Trump ab, weil dieser seine Wahlbetrugsbehauptungen ohne Belege wiederholte. Man entschied sich für die Ansage: Vorsicht, es ist schlicht falsch, was im Weißen Haus gesagt wird!

Selbst Twitter, gerade noch ein Medienunternehmen, das das im Silicon Valley übliche Laissez-faire-Gerede propagierte, markiert die Tweets des Noch-Präsidenten in nie gekannter Zahl als irreführend und schränkt ihre Weiterverbreitung ein. „Twitter ist außer Kontrolle“, schrieb Donald Trump. Schon wieder ist das nicht korrekt. Tatsächlich kehrt das Bemühen um Wahrheitsorientierung als Reaktion auf die Katastrophe der Desinformation zurück.

Bernhard Pörksen

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