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Simone Laudehr (Deutschland) und Therese Sjögran (Schweden) im Zweikampf-Duell

© imago

Superquoten bei Sport und Krimi: Ein Schuss, ein Tor - ein Schuss, ein Toter

Fußball gewinnt immer im Fernsehen - der „Tatort“ auch. Was kein Zufall ist - der Thrill-Faktor und die Emotionen sind bei beidem enorm und wer der Sieger oder Mörder ist erfährt man erst am Ende.

Im Fußballkosmos ist das eine Sensation. Die Frauen schlagen die Männer, deutlich sogar. Die Einschaltquote in der ARD beim WM-Achtelfinale der deutschen Elf gegen Schweden: 6,12 Millionen sahen das 4 : 1 der Neid-Truppe, Marktanteil 26 Prozent; Quote im ZDF beim U-21-Gruppenspiel der siegreichen Hrubesch-Elf gegen Dänemark: 4,91 Millionen (MA: 18,2 Prozent). Die Übertragung der Männer-Partie begann im Zweiten zur besten Sendezeit um 20 Uhr 45, Anpfiff im Ersten war um 22 Uhr.

Jeder Vergleich hinkt, sonst wäre er keiner. Das Spiel der Frauen war ein WM-Spiel, es ging es um Ausscheiden oder Weiterkommen, das ist ein höherer Thrill-Faktor als eine nur vielleicht entscheidende Begegnung in der deutschen Gruppe der U-21-Europameisterschaft.

Was beide Quoten – 6,12 Millionen in der Frauen-ARD, 4,91 Millionen im Männer-ZDF – zusammenführt: Sie waren beide am Samstagabend überragend, in der Quotentabelle die Ränge eins und drei; Platz zwei ging an die „Tagesthemen“, die enorm von der Platzierung in der Pause des WM-Spiels profitierten. Für die öffentlich-rechtlichen Programme sind die Werte eine starke Rechtfertigung für jene (geheim gehaltenen) Summen, mit denen die TV-Lizenzen eingekauft wurden. Zugleich zeigt sich: Fußball ist im Fernsehen ein (über-)gewichtiges Fernsehprogramm geworden – mit starken Nebenwirkungen. Wann immer in einem Sender ein Fußballspiel mit Entscheidungs-, sprich Spannungsmoment übertragen wird, reagiert die Konkurrenz. Am weitesten treibt es dabei das ZDF, das auch an diesen Abenden mit Fußball bei den Wettbewerbern seine aktuelle Marktführerschaft verteidigen will. Also werden sogenannte frauenaffine TV-Stücke eingesetzt. Rosamunde Pilcher grüßt dann Inga Lindström, die Zuschauerinnen nicken im Takt mit.

Thrill-Moment (2). Im "Tatort" lässt die Mörderfrage die Zuschauer fiebern

© WDR

Große TV-Anstrengung bei der WM, keine bei der Bundesliga

Wie sehr der Fußball im Fernsehen eine ganz eigene, eine fernsehmediale Spezialität geworden ist, mag auch die Tatsache belegen, dass die öffentlich-rechtlichen Anstrengungen beim Frauen-WM-Turnier im Fernsehen keine Entsprechung bei den sonstigen Wettbewerben finden: Die Frauen-Bundesliga ist ein schwarzes Loch in den Regelsendungen. Natürlich verhält sich das Medium da nicht anders als die Publika. Die Frauen-Wettbewerbe melden nur einen Bruchteil der Fans in den Stadien im Vergleich mit dem Männersport.

Eine Frauenfußball-WM erfüllt eben die wesentlichen Kriterien des anderen Blockbusters im deutschen Fernsehen, des „Tatorts“. Für die Zuschauer ist das Fußballergebnis so offen wie die entscheidende Frage, wer denn nun der Mörder ist. Thrill-Faktor und Emotionen sind beim Sport enorm, schließlich wird der Ausgang live gezeigt. Ist das beim „Tatort“ anders? Jeder Sonntagabendkrimi ist eine Premiere, wer da einschaltet, erfährt erst im Live-Erlebnis der 90 Minuten (!!!), warum, wieso und weshalb jemand gemeuchelt hat. Der Krimi setzt auf den Antagonismus von Gut gegen Böse, die meisten Länderspiele der deutschen Mannschaften sind nichts anderes. Oder ist der Italiener auf dem Rasen nicht ein böser Mensch, der den braven Teutonen das Gewinnen mit allen, auch unerlaubten Mitteln schwermachen will?

Damit kein Irrtum aufkommt: Das Fernsehen ist nicht sui generis ein Fan des Fußballspiels. Die Sender, öffentlich-rechtlich wie privat, sind von einem ganz anderen Sportsgeist beseelt als die Akteure und Fans, nämlich vom Quotengeist, die Sender agieren rational. Das Fernsehen ist da, wenn – Minimum – passable TV-Zuschauerzahlen erwartet werden können. Weil aber der Fußball diese Millionen-Massen bewegen kann, geht ein Sender mit dem Ansetzen einer Übertragung kaum ein Resonanzrisiko ein.

Gibt es überhaupt noch Grenzen für diesen Fernsehsport? Wie selbstverständlich zeigen die ARD-Dritten Spiele der Dritten Bundesliga. Nicht zu vergessen: RTL ist mit dem Erwerb der TV-Rechte an den Qualifikationsspielen für EM 2016 und WM 2018 in Konkurrenz zu ARD, ZDF und dem Abo-Sender Sky getreten. Noch in diesem, spätestens im nächsten Jahr werden die Bundesliga-Rechte für die Spielzeiten ab 2017/2018 auf den Pokertisch geworfen. Die englische Premier League hat die Spielzeiten 2016 bis 2019 für 5,14 Milliarden Euro ans Fernsehen verkauft. Das wird die Bundesliga nicht erreichen, an einem Erlössprung bei der nächsten Rechterunde zweifelt keiner der Pokerspieler.

Die Vorhersage, dass es deswegen und wegen der ungebrochenen Faszination dieses Sports zu vermehrter Fernsehzeit kommen wird, ist alles andere als mutig. Der Zuschauer sollte schon heute reagieren: Lebt er in einem Mehrpersonenhaushalt, braucht er ein Zweit-, besser ein Drittgerät , wenn demnächst Fußball in zwei Programmen parallel läuft.

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