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Auf den Wolf gekommen. Der RBB geht gegen Spaltungstendenzen in der Gesellschaft an und hat sich für den Bürgertalk in Brandenburg eines tierischen Aufregers (hier in Töplitz) angenommen.

© Privat

Neuer Bürgertalk auf RBB: Wir müssen reden. Worüber?

Der RBB startet seinen Bürgertalk in Brandenburg – aber nicht mit einem Thema, von man eigentlich glaubt, dass es Brandenburg am meisten umtreibt.

Kaum ein Thema spaltet Brandenburg so sehr wie das Thema AfD. In drei Monaten wird dort gewählt. Laut jüngster Umfrage könnte die AfD im einst so roten Brandenburg mit über 20 Prozent stärkste Partei werden.

„Kaum ein Thema spaltet Brandenburg so stark wie der Wolf.“ Das sagt der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) zum Start seines neuen Bürgertalks am Donnerstag und fragt seine Zuschauer: „Sollte man die wilden Tiere schützen oder schießen, um weitere Angriffe auf Nutztiere zu vermeiden?“

Der Wolf ist also offenbar wichtiger als die AfD. Kommt einem das thematisch nicht ein bisschen daneben gegriffen vor? „Unsere Erfahrung ist: Die Themen ,Wolf und Biber’ bewegen viele Menschen“, sagt Thomas Baumann, Leiter politische Gesprächsformate im RBB. „Gerade im Raum Frankfurt, im Oderbruch. Da stoßen Tierschutz und Sicherheit aufeinander.“ Überdies gebe es zum Thema „Wolf“ einen wenige Wochen alten Beschluss der Bundesregierung, mit dem sich der Bundestag befassen wird. „Wenn das alles nicht politisch ist.“

Das kann man so so sehen, muss man aber nicht. Immerhin, mit dem neuen Format trifft der RBB einen Nerv der Zeit: näher an Bürger ran, in Zeiten, in denen, so Baumann, Spaltungstendenzen in unserer Gesellschaft zu beobachten sind. „Die Bürgerinnen und Bürger müssen stärker mitreden dürfen, direkt und ungefiltert.“ SWR, MDR und WDR haben mit ähnlichen Formaten gute Erfahrungen gesammelt. Zum Procedere: Der RBB-Bürgertalk kommt live von wechselnden Orten in Berlin und Brandenburg.

Die Moderatorinnen Janna Falkenstein und Tatjana Jury fassen die Pro- und Contra-Positionen des Publikums zusammen und konfrontieren damit zwei politisch verantwortliche Gäste. Das sind bei der Premiere Olaf Möller, Grüner, Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie sowie Karsten Hilse, MdB, AfD, umweltpolitischer Sprecher und "Wolfs-Experte" seiner Fraktion. TV-Programmlich ist das keine Revolution. So etwas in der Art gab es in den 1970ern bei „Pro und Contra“ (ARD). Dort wurden die Zuschauer nach der Kontroverse zwischen zwei Lagern am Ende von Moderator Emil Obermann zur Abstimmung gebeten.

Was ist, wenn der Wutbürger im Studio handfester wird?

Abstimmen lässt der RBB zu seinen Streitfragen auch, im mobilen Studio im Oderturm in Frankfurt (Oder). Im Zentrum der AfD-Hochburgen also, damit nochmals zur Eingangsfrage an Thomas Baumann. Man komme in ein Bundesland, das demnächst von der AfD als stärkster Kraft mit-regiert zu werden droht.

Ist das nicht der Hauptgrund, dass der RBB jetzt zu den Bürgern geht? „Nein, wir machen die politischen Kräfteverhältnisse nicht zum Ausgangspunkt unser Überlegungen. Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern in Berlin und Brandenburg ein Forum bieten, bei umstrittenen Themen öffentlich mitzureden.“

Das oft betuliche RBB-Fernsehen wird unabwägbarer. Ob Wolf, Merkel oder die AfD – was ist, wenn der Wutbürger im Studio handfester wird? Im strengen Sinn ,gecastet’ werde niemand, sagt Baumann. „Natürlich sucht die Redaktion, in diesem Fall mit Unterstützung des Regionalstudios Frankfurt (Oder), nach Menschen, die bereit sind, zur Streitfrage eine klare Haltung zu äußern.“ Am Donnerstag sind das unter anderem der Schäfer Wilfried Vogel und der Wolfsschützer Stefan Voss. „Wir werden in der Sendung aber auch Menschen zu Wort kommen lassen, die einfach am Abend ins mobile Studio kommen, deren Haltung wir vorab nicht kennen.“

Dramaturgisch gesehen berge das ein Risiko. „Aber gerade eine Redaktion, die eine Sendung unter dem Label ,Bürgertalk’ anbietet, muss dieses Risiko eingehen.“ Der Bürgertalk solle sich auch nicht im Meinungsstreit erschöpfen. Am Ende des 60-minütigen Austauschs werde nach Lösungsmöglichkeiten gesucht, mit denen sich die streitenden Lager einverstanden erklären können.

Solche Schlichtungsversuche gab es bei Obermanns „Pro und Contra“ nicht (da wurde einfach überstimmt, unversöhnlichst), auch keine Smartphones und Soziale Netzwerke. Zu den wesentlichen Merkmalen der neuen RBB-Sendung soll gehören, dass das TV-Publikum live und online mit Hilfe eines Smartphones über die wilden Tiere mitreden kann Ob das den Hashtag #wirmuessenreden zum Glühen bringt? Das Thema AfD sollte sich der RBB bei der nächsten Ausgabe aus Brandenburg nicht entgehen lassen.

„Wir müssen reden!“, Donnerstag, RBB, 20 Uhr 15; das Format läuft zehn Mal im Jahr auf dem Sendeplatz

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