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Nichts zu machen: Queen Elizabeth (Imelda Staunton, Mitte) kann die Ehe von Prinz Charles (Dominic West) und Diana (Elizabeth Debicki) nicht retten.

© Netflix

Schlechte Presse für „The Crown“: Haus Windsor im freien Fall

Die Fortsetzung der Netflix-Serie lässt wenig Gutes an den Royals, die britische Presse noch weniger an Showrunner Peter Morgan.

Mehr Royals geht kaum: Wer in der TV-Ecke der britischen Tageszeitung „The Sun“ die Sektion Streaming aufruft, wird mit Berichten, Gerüchten und News zu einer Serie geradezu bombardiert: Seit Wochen läuft die Vorberichterstattung zur Netflix-Serie „The Crown“ auf Hochtouren. Wer spielt Prinz William? Wer Charles Bruder Andrew, wer Camilla Parker Bowles? Wie wird „der Krieg von Prinzessin Diana gegen die königliche Familie“ ausgetragen und warum sind die Netflix-Bosse wegen dieser Serie so nervös? Es gibt wohl keinen Aspekt, der nicht schon Wochen vor dem morgigen Start von „The Crown“ behandelt wurde.

Die Zeitungen im Vereinigten Königreich befinden sich in einem veritablen Überbietungswettbewerb. Der „Daily Mirror“ hat im Oktober mindestens acht größere Geschichten zur der mit Spannung erwarteten Fortsetzung veröffentlicht, bei der „Times“ finden sich zehn Treffer im Oktober und eine Online-Suche beim „Guardian“ kommt allein für November auf zehn Treffer.

Ob Boulevard oder seriös: Die Serie hat die britische Presse seit der ersten Staffel elektrisiert. Seit dem Tod von Queen Elizabeth II. und dem Wechsel der Regentschaft zu König Charles III. hat das Interesse noch einmal massiv zugenommen. Und mit ihr die Kritik an der Netflix-Produktion von Showrunner Peter Morgan.

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Die „Sun“ wirft dem Streamingdienst Netflix vor, „die herzlichen Bitten von Prinz William“ ignoriert zu haben. Der Streamingdienst möge auf die Nutzung des – durch Täuschung erschlichenen – BBC-Interviews von 1995 mit seiner Mutter verzichten, bat er. Stattdessen seien Diana sogar erfundene Zitate in den Mund gelegt worden.

Die „Sun“ geht zwar nicht näher auf den Inhalt des Interviews ein, doch wie Netflix das Gespräch szenisch aufbereitet, wird in allen Einzelheiten geschildert. So erfährt der Leser, dass die „BBC-Bombe“ in insgesamt „vier Minuten und 23 Sekunden“ behandelt wird, dass Prinz Charles die Übertragung des Interviews „schreiend und fluchend“ verfolgt hat und er am Ende der Szene in Tränen ausbricht, während Camilla hilflos zuschaut.

In den Trümmern von Schloss Windsor 1992: Queen Elizabeth (Imelda Staunton) und Prinz Philip (Jonathan Pryce).
In den Trümmern von Schloss Windsor 1992: Queen Elizabeth (Imelda Staunton) und Prinz Philip (Jonathan Pryce).

© Keith Bernstein/Netflix

Eine Woche davor wurde Netflix dafür kritisiert, die historische „Annus Horribilis“-Rede von 1992 mit erfundenen Zitaten ausgeschmückt zu haben. Das Jahr ihres Rubinjubiläums sie kein Jahr, „auf das ich mit unverfälschter Freude“ zurückblicken werde, hatte die Queen gesagt. Jedermann wusste, dass damit neben dem Brand auf Schloss Windsor die verschiedenen royalen Ehekrisen und Trennungen gemeint waren. Dass sie aber „Fehler der Vergangenheit“ anerkannt habe, sei eine Übertreibung, so die Kritik. „Dies wird nur das Gefühl verstärken, dass sich „The Crown“ mit der Wahrheit große Freiheiten nimmt und dem Ruf der Monarchie auf unfaire Weise unermesslichen Schaden zufügt“, zitiert die „Sun“ einen „TV-Insider“.

Ohnehin scheint sich in der britischen Presse das Narrativ festgesetzt zu haben, Netflix gehe es allein um größtmögliche Aufmerksamkeit. Ohne Rücksicht auf Verluste werde die königliche Familie und die Monarchie in Misskredit gebracht. Und dass allen Bitten und Warnungen aus berufenem Mund zum Trotz.

Der „Guardian“ greift mit John Major und Tony Blair gleich die Kritik zweier ehemaliger Premierminister auf, die Netflix eine übermäßige Dramatisierung der Vorgänge vorwerfen. „Als Tatsache aufgeführte Fiktion“, bezeichnet Major die Darstellungen in der neuen Staffeln. Die Episoden seien kleinlich und oft einfach nur langweilig, schreibt der „Guardian“ in seiner Rezension. Morgan suche nach Nebenhandlungen, um die Tatsache zu verbergen, dass alles bereits gesagt sei, was er über die Windsors habe sagen wollen.

Auch mit dem Personal der fünften Staffel geht der „Guardian“ hart ins Gericht. Elizabeth Debicki, die Lady Diana verkörpert, sei eine „weitere Darstellerin, die sich der Karikatur zuwendet“. Womit sie laut „Guardian“ perfekt zu Charles-Darsteller Dominic West passt, der mit der linken Hand in der Jackentasche „desillusioniert herumtappt“. In ihrer Rezension kommt die renommierte Zeitung zu dem Fazit, es sei an der Zeit, dass diese „kleine langweilige Show für immer endet“.

Mehr wie ein langwieriger Schlaganfall als eine Hinrichtung

Die für ihre Seriosität bekannte „Times“ urteilt, dass sich die Serie viele Freiheiten mit dem Leben echter Menschen nimmt, es sich am Ende aber eher wie ein zärtlicher langwieriger Schlaganfall als eine Hinrichtung anfühlt. Um im gleichen Satz noch zu spoilern, dass der tragische Tod von Prinzessin Diana erst in der nächsten Staffel behandelt wird.

Tatsächlich kommt die Fortsetzung von „The Crown“ mit ihrer Erzählung von Aufstieg und Fall des Hauses Windsor unter Königin Elizabeth nun in jener Phase an, die vor allem von royaler Abgehobenheit und Dekadenz geprägt zu sein scheint: Nicht nur die Ehe von Charles und Diana kriselt und zerbricht, auch Prinz Andrew und Sarah Ferguson stehen für eine nichterfüllte Hoffnung. Auch die Scheidung von Elizabeths Tochter Anne von Mark Phillips wird rechtskräftig.

Bücher, Interviews, dreckige Wäsche

Und während Schloss Windsor in Flammen steht, wird jede Menge dreckiger Wäsche öffentlich in Büchern und TV-Interviews gewaschen. Kurzum: Mit Emphase schildert Peter Morgan, wie die Monarchie in die schwerste Krise nach dem Zweiten Weltkrieg gerät. Und als Sinnbild der Lage dient die in die Jahre gekommene königliche Yacht Britannia. Als ob es das noch gebraucht hätte.

Dabei ist Peter Morgan mit Kritik großzügig. Er lässt an keiner Figur ein gutes Haar. Die in die Jahre gekommene Königin – die Besetzung wechselt von Olivia Colman zu Imelda Staunton - wird zunehmend schrullig. Ihr Ehemann Prinz Philip (Jonathan Pryce) verfällt auf der Suche nach dem nächsten kostspieligen Hobby auf Kutschen als Sportgeräte.

Überhaupt die Königsfamilie: während sich Großbritannien in einer tiefen Rezession befindet, fahren die Windsors in Edelkarossen zu ausgelassenen Partys auf ihre Schlösser und legen Diamant-Colliers an.

Auch die jüngere Generation bietet wenig Anlass zu Hoffnung. Der unter Geltungsdrang leidende Thronfolger versteht den Sinn der Ehe nicht, die Prinzgemahlin hat den Sinn der Firma Windsor nicht kapiert. Immer dazwischen Camilla Parker Bowles. Und am Horizont Dodi Al-Fayed und sein Vater Mohamed (Salim Daw), der Millionenbeträge dafür aufwendet, als Mitglied der englischen Oberschicht angesehen zu werden.

Wurde in den vorherigen Staffeln noch hervorgehoben, mit welcher Hingabe die Queen ihre nichtsdestotrotz schwierige Aufgabe nach besten Wissen und Gewissen zu erfüllen sucht, die neue Staffel ist nicht dazu geeignet, die Monarchie in Großbritannien zu stützen. „The Crown“, Staffel fünf mit zehn Folgen, ab Mittwoch auf Netflix

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