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Ein israelischer Star der Berliner Club-Szene wird ermordet, Kommissarin Stein (Katharina Lorenz) ermittelt.

© ARD Degeto/Frédéric Batier

Tel-Aviv-Krimi in der ARD: Keine Sehnsucht nach Israel?

Katharina Lorenz spielt eine deutsch-jüdische Kommissarin aus Kreuzberg in einem deutsch-israelisch-palästinensischen Spannungsfeld.

Die Zeugin, eine vor 30 Jahren mit ihrem Mann nach Berlin geflohene Palästinenserin, begegnet Sara Stein reserviert. „In der Zeitung steht, Sie sind jüdisch.“ „Na, wenn’s in der Zeitung steht“, entgegnet die Kommissarin trocken. Dass sie jüdischer Abstammung ist, schert sie nicht groß. „Ich bin halt nicht so ’ne Super-Jüdin“, sagt sie ihrem neuen Freund aus Israel.

Sara Stein lebt mitten in Kreuzberg, in einem Wohnblock am Kottbusser Tor, und fühlt sich im lauten, schäbigen, bunten Umfeld pudelwohl. Abends joggt sie durch den Kiez, beim türkischen Imbiss gegenüber ist sie Stammgast. Meist ernährt sie sich von Döner, was vielleicht ein bisschen dick aufgetragen ist.

Aber wie sie sich hier entspannt und freundlich durch Berlins Schmuddelecken bewegt, wirkt erfrischend selbstverständlich. Und manchmal sagt die Polizistin Sara Stein auch schöne Sätze wie diesen hier: „Wir können zusammen schweigen, bis die Kühe nach Hause kommen.“

Gaza-Krieg verhinderte Dreharbeiten vor Ort

Wieder ein neuer Fernseh-Krimi also. Aber „Der Tel-Aviv Krimi“ ist keine Massenware von der Stange, nicht nur wegen der besonderen Thematik, sondern auch wegen der dichten, realitätsnahen Atmosphäre, die die Kamera von Holly Fink schafft. Und nach Anna Loos („Helen Dorn“), Lisa Wagner („Kommissarin Heller“) und zuletzt Melika Foroutan („Kommissarin Louise Boni“) wird die Riege der Hauptdarstellerinnen erneut sehenswert verstärkt.

Die Rheinländerin Katharina Lorenz, 38, am Wiener Burgtheater engagiert, darf im Fernsehen noch entdeckt werden. Sie zählt nicht zur Riege der Stars, mit denen ein Sender auf Nummer sicher gehen würde. Dafür spielt sie die Sara Stein mit einer überzeugenden Mischung aus Power, Ernsthaftigkeit und selbstbewusster Weiblichkeit. Dass die „waschechte Berlinerin“ Stein keine Spur berlinert, muss einen da nicht stören.

Und Deutschland kehrt sie ja ohnehin den Rücken. Dass die erste Folge der neuen ARD-Reihe „Der Tel-Aviv Krimi“ fast ausschließlich in Berlin spielt, war nicht geplant und ist den politischen Realitäten geschuldet. Eigentlich sollte die Geschichte einer deutschen Jüdin, der die Religion wenig bedeutet, die sich aber in Tel-Aviv mit ihrer Identität auseinanderzusetzen hat, in Israel beginnen. Dann brach der Gaza-Krieg aus, die Produzenten entschieden sich gegen Dreharbeiten vor Ort.

„Haben Sie denn keine Sehnsucht nach Israel?“

Stattdessen wird nun die Vorgeschichte erzählt: Sara Stein lernt in Berlin den israelischen Pianisten David Shapiro (Itay Tiran) kennen. Das verleiht dem Auftaktfilm „Tod in Berlin“ einen ansehnlichen Schuss Romantik und die ungewöhnliche Gelegenheit, Franz Schuberts „Winterreise“ in einem Krimi anzustimmen. Der erste Vers – „Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh’ ich wieder aus“ – passt ja auch sehr schön.

Auf Reisen begibt sich der von Matthias Tiefenbacher inszenierte Film in gewisser Weise bereits in Berlin: Die Israelin Tamar Levi (Hen Yanni), ein Star der Club-Szene, wird erstochen. Mit ihrem palästinensischen Freund Khalid Rahman hatte sie Streit; auf die Windschutzscheibe ihres Autos ist das Wort „Mörderin“ geschmiert.

Am Tatort vor dem Club waren ein unbekannter Jude, der Sara Stein später mit einem Messer angreifen wird, sowie Khalids Eltern: Verdächtig ist insbesondere Vater Tarik, der mit einem blutbefleckten Hemd zu seiner wartenden Frau zurückkehrt. Den Rahmans war die Beziehung ihres Sohnes zu einer Jüdin ebenso suspekt wie Ronit Levi die Beziehung ihrer Schwester zu einem Palästinenser. Die religiöse Jüdin missbilligt das wilde Leben Tamars – und versteht Sara Stein nicht: „Haben Sie denn keine Sehnsucht nach Israel?“, fragt sie.

Geschicktes Manöver durch ein Spannungsfeld

Martin Kugler und Maureen Herzfeld manövrieren mit ihrem Drehbuch geschickt und ausgewogen durchs deutsch-israelisch-palästinensische Spannungsfeld, ohne dass die Krimi-Handlung unter politischen Exkursen begraben würde. Sara Stein, der Vorurteile und das gegenseitige Misstrauen zuwider sind, verhält sich neutral – was in Berlin nicht weiter schwierig ist.

Im zweiten Film, „Shiv’a“, den die ARD am kommenden Donnerstag ausstrahlt, hat sie den Pianisten geheiratet und tritt ihren Dienst bei der Polizei in Tel-Aviv an. „Egal wen wir als Mörder ermitteln, es wird immer irgendwem nicht passen“, schimpft Sara Stein im ersten Film. In Tel-Aviv wird das sicher nicht anders.

„Der Tel-Aviv Krimi – Tod in Berlin“; Donnerstag, ARD, 20 Uhr 15

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