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Bei der Elite. 1926 ist der junge Kriminalkommissar Fritz Kiehl (Christian Clauß) Mitglied der Mordinspektion Berlin. Sie ist weltweit die erste ihrer Art.

© ZDF und Raimonds Birkenfelds

"Terra X" zum Polizistenalltag 1926: Tatort Berlin

„Terra X“ schildert die Arbeit der Mordinspektion in der Reichshauptstadt an einem Tag im Jahr 1926. Muskel-Adolf ist auch dabei

Kennen Sie QWERTZ? Das kennen Sie nicht? Werfen Sie nur einen Blick auf Ihre Computertastatur, oberste Buchstabenreihe, links – da steht's: QWERTZ. Ein Nonsense-Wort – und der Name für die zu Schreibmaschinen-Zeiten entstandene, in die Computerära gerettete Tastaturbelegung: die am häufigsten genutzten Buchstaben möglichst weit auseinander, damit sich die Typenhebel nicht verhaken. So ließ sich schneller tippen.

Eines der vielen beiläufig eingestreuten, technik-, kultur-, sozialhistorischen Details, die die Dokufiktion „Terra X: Ein Tag in Berlin 1926“ so spannend wie unterhaltsam machen, weit über ihren eigentlichen Hauptzweck hinaus: die Schilderung eines Tages im Arbeitsleben des fiktiven Kriminalkommissars Fritz Kiehl, Mitglied der Berliner Mordinspektion. Klar, dass man dort, im Polizeipräsidium am Alexanderplatz, der „Roten Burg“, nur neueste Bürotechnik nutzt, QWERTZ-Schreibmaschinen etwa oder frühe, Parlaphon genannte Diktiergeräte.

Genug der Technik, schließlich geht es um Mord. Der Direktor des Concordia-Kinos in der Friedrichshainer Andreasstraße (das gab es wirklich) ist erschossen, die Tageskasse geraubt worden. Die Schutzpolizei hat den Toten aus Pietätsgründen auf den Schreibtisch gehoben, Kiehl und sein Kollege – immer zwei Beamte bilden eine „Mordehe“ – können es nicht fassen. Und jeder heutige „Tatort“-Kundige wird ebenfalls den Kopf schütteln über solche, alle Spuren verwischende Pfuscharbeit.

Aber bis in die Zwanziger Jahre war sie nicht nur in Berlin üblich, gab es nicht mal spezialisierte Mordermittler. Erst der legendäre Ernst Gennat, der kuchenverschlingende „Buddha der Kriminalisten“, änderte das, schuf die erste, aus drei Abteilungen bestehende Mordinspektion der Welt, ließ eigens ein „Mordauto“ ausrüsten, mit allen damals möglichen Hilfsmitteln zur Tatortarbeit, legte auch eine zentrale „Todesermittlungskartei“ an, um zusammenhängende Mordfälle erkennen zu können, erreichte so eine Aufklärungsquote von 90 Prozent.

Muskel-Adolf ist auch mit von der Partie

Eine kriminalhistorische Jahrhundertleistung, deren Erfolgsprinzipien noch heute Gültigkeit besitzen und die im „Terra X“-Beitrag von Arne Peisker, Jens Afflerbach und Sigrun Laste anhand des ein wenig konstruiert wirkenden, zuletzt selbstverständlich aufgeklärten Mordfalls vorgeführt wird, im genreüblichen Mix aus Spielszenen, historischen Aufnahmen und Expertenwissen.

Übrigens hilft bei der Lösung indirekt auch eine Truppe leichtbekleideter Tänzerinnen mit, damals das Vorprogramm jedes Berliner Kinos, das auf sich hielt. Und auch die – ebenfalls historische – Unterweltgröße Muskel-Adolf, Vorsitzender des Geselligkeits-Clubs Immertreu 1919 e.V., leistet ihren Beitrag zur Verhaftung des Mörders. Schließlich befinden wir uns im Jahre 1926, mitten in den Goldenen Zwanzigern – da gehören Ringvereine, ein ausschweifendes Nachtleben voller Sex, Drogen und Swing-Musik, aber auch große soziale Gegensätze einfach dazu, die ganze schrille Palette des gesellschaftlichen Lebens in der kurzen stabilen Phase der Weimarer Republik. „Babylon Berlin“ eben.

Wohl nicht zufällig ähnelt Christian Clauß, Darsteller des wackeren Kriminalisten Fritz Kiehl, seinem Kollegen Volker Bruch, der in der so betitelten TV-Serie die Hauptfigur Gereon Rath spielt, auch er ein Mitarbeiter Ernst Gennats. Deren Vorlage war Volker Kutschers Roman „Der nasse Fisch“, und sollte jemand noch immer nicht wissen, wie es zu dem Titel kam, so erfährt er es nun über „Terra X“. Ein „nasser Fisch“ war für Gennat etwas, das es gar nicht geben durfte: ein ungelöster Fall. Andreas Conrad

„Terra X: Ein Tag in Berlin 1926“, Sonntag, ZDF, 19 Uhr 30

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