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Talkgastgeberin Anne Will

© dpa

TV-Talk "Anne Will" zu USA: Jeder zimmert sich sein eigenes Trump-Bild

An Donald Trump kommt auch Anne Will nicht vorbei. Der frühere US-Botschafter findet die Diskussion "sehr typisch deutsch". Geboten werden vor allem Behauptung statt Beweis.

Donald Trump, okay, da ist wohl kein Vorbeikommen. Regt eben täglich aufs Neue auf, der neue US-Reality-TV-Präsident. Und Schrecken verbreitet er auch, besonders in Deutschland. Jetzt war Vizepräsident Mike Pence bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Hatte er irgendeine Gewissheit, ja Beruhigendes über den künftigen Kurs der US-Regierung im Gepäck? Schon eine Frage, mit der sich „Anne Will“ beschäftigen konnte: „Sind Trumps USA noch ein verlässlicher Partner?“

Eine definitive Antwort war nicht zu haben. Nicht von der US-Regierung, nicht von den Diskutanten im Talkstudio. Jeder zimmert sich sein ganz eigenes Trump-Bild, jeder fixiert seine Meinung auf der nach oben offenen Ablehnungsskala. Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der „Zeit“,  ist da ganz vorne.  Er bezeichnete Trump als „größte Demokratiegefahr“, um später nachzulegen, ob die USA überhaupt eine Demokratie bleiben würden.

Wer so spricht, der bringt John Kornbum präzise in Wallung. Der vormalige US-Botschafter in Deutschland benannte, durchaus herablassend, die hiesige Trump-Diskussion als „sehr typisch deutsch“. Er forderte, das aber zu Recht, dass die Deutschen wie die Europäer insgesamt nicht eine emotionale, sondern eine politische Haltung zur neuen US-Administration entwickeln sollten. Vielleicht wollte er auch nur beruhigen, als er frühere US-Präsidentschaften – Beispiel Ronald Reagan – in eine Linie mit Trump stellte: Aus dem chaotischen, lautsprecherischen Beginn konnte später durchaus eine vernünftige, partnerschaftliche Politik werden.

Das jedoch waren nur Anmerkungen in einer lebhaften, kontroversen, irritierenden Diskussion. Peter Altmaier (CDU), der Chef des Bundeskanzleramtes, hielt mit Tapferkeit in der Stimme fest, dass der US-Vizepräsident ein starkes Treuebekenntnis zur Nato, zu den europäischen Verbündeten, zum Engagement der USA in Europa abgegeben habe. Das wollten nicht alle in der Runde so gehört haben, selbst ein besonnener Teilnehmer wie Klaus Scharioth, früherer deutscher Botschafter in Washington, hatte da seine Zweifel.

Debatte um Militärausgaben

Vertiefte Gewissheiten konnte oder wollte die Runde nicht artikulieren, es überwogen die Vermutungen und die Spekulationen. Je länger die Talkshow dauerte, desto deutlicher zeigte sich,  dass es einem US-Präsidenten Trump gelingen könnte, einen Spaltpilz in die deutsche Politik zu bringen, speziell bei der Frage, wie viele Milliarden mehr Deutschland in den Verteidigungshaushalt stecken sollte. Die USA wenden 3,5 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) auf, Deutschland 1,2 Prozent. Ob sich die Amerikaner auf die deutsche (Zeit-)Rechnung einlassen werden, dass Ausgaben für auswärtige Politik, Entwicklungshilfe und für die Integration von Flüchtlingen da bitte miteingerechnet werden müssten?

Moderatorin Anne Will, die die Diskussion mit wachem Verstand wenn auch nicht immer zu lenken, so doch im Rahmen mühsamer Bereitschaft zum Zuhören und Ausreden-Lassen halten konnte, erlaubte sich die ironische Anmerkung, dass dann selbst die Kosten für die Feuerwehr auf den Zettel müssten, oder?

Bekannt wurde, dass die Militärausgaben bis 2024 jährlich um acht Prozent bis zum offenbar längst beschlossenen und von Deutschland akzeptierten Nato-Ziel von zwei Prozent BIP steigen werden. Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, erkannte hier eine „völlig absurde“ Aufrüstungsdebatte zu Lasten eines guten Verhältnisses zu Russland. Wie auch immer, eine Diskussion über einen sich blähenden Verteidigungsetat ist dringend geboten.

Wäre es nach dieser Talkshow, die für ihre 4,43 Millionen Zuschauer mindestens so sehr von ihrem Gehalt wie von der Lärmentwicklung lebte, zu viel verlangt, wenn sich künftige Trump-Runden auf mehr  Rationalität und das Erarbeiten von Erkenntnissen verständigten? Ansonsten sich nämlich das miese Gefühl einstellt, dass die Art und Weise der Trump-Kommunikation die Kommunikation über Trump bestimmt: Attacke statt Analyse, Behauptung statt  Beweis, Apokalypse statt Aufklärung.

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