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Der Tory-Abgeordnete Greg Hands votierte und argumentierte bei "Anne Will" für den Brexit.

© imago images / Jürgen Heinrich

TV-Talk "Anne Will" zum Brexit: Wie lange denn noch?

Alle sind genervt, wenn das Stichwort "Brexit" fällt. Fast alle, denn der Talk bei "Anne Will" zeigte, dass sich eine weitere Debatte lohnt.

Selten, dass eine Talkshow ihr Thema als Seufzen formuliert. „Anne Will“ hat es getan: „Wie lange denn noch?“ Konnte es die Redaktion anders formulieren, wenn es um den Brexit geht? Die britische Politik wirkt trotz oder wegen der unzähligen Abstimmungen im Parlament richtungsloser denn je, die Hoffnung, dass aus den Gesprächen zwischen Premierministerin Theresa May und Labour-Chef Jeremy Corbyn eine Lösung hervorlugen könnte, hat sich erst mal nicht erfüllt. Sollen sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf eine Verlängerung der Brexit-Frist einlassen, nur damit das Drama um weitere Akte verlängert wird? 

„Anne Will“ musste den alten Fragen neues Leben einhauchen, also waren Philippa Whitford, Abgeordnete der Scottish National Party im britischen Unterhaus, und Greg Hands, Tory-Abgeordneter und Ex-Staatssekretär im britischen Außenhandelsministerium, ins Talkstudio nach Berlin eingeflogen worden; ganz so, als könnten die Briten die Briten erklären, weil sich die Deutschen die Briten längst nicht mehr erklären können. Whitford und Hands markierten freilich nur die gegensätzlichen Lager-Positionen im Vereinigten Königreich, Whitford argumentierte gegen den Brexit, Hands dafür.

Orientierung geboten

Ein Talk über den Brexit ist für eine Talkshow eine echte Herausforderung. Dem Publikum draußen in den Fernsehsesseln muss Orientierung gegeben werden, eine Analyse, wo die Brexit-Debatte steht: Wer will was, wann und warum? Das gelang in den 60 Minuten ordentlich, die eine sehr gut informierte Anne Will mit ruhiger Hand führte. Was nicht gelang: eine stichhaltige Antwort zu liefern, wie lange der Brexit-Prozess noch dauern und wie er tatsächlich enden wird. Ist vielleicht auch zu viel verlangt, das Vereinigte Königreich wirkt ins Chaos verliebt, die EU schwankt zwischen softem Entgegenkommen und strenger Trennung.

CDU-Politikerin Ursula von der Leyen war an diesem Abend mehr Europäerin als deutsche Verteidigungsministerin, an der Pathos-Grenze entlang redete sie der Einheit Europas inklusive Großbritannien das Wort. Der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen kritisierte die Haltung der EU in den Verhandlungen, die seien alles andere als „partnerschaftlich“. Die ARD-Korrespondentin in London, Annette Dittert, beschwor, was sicherlich eine Mehrheit der Deutschen beschwört: Dass in Großbritannien ein zweites Referendum abgehalten wird – und dann die Mehrheit für den Verbleib votiert. Tory-Mann Hands protestierte heftig. Hier hätte die Sendung mehr Vertiefung leisten können, warum Millionen Briten den Brexit wollen, wo er doch – so die deutsche Lesart – so viele Nachteile nach sich ziehen wird.

Könnte man sagen, „Anne Will“ habe nur schmale Erkenntnisse und vage Ergebnisse geliefert; könnte man sagen, aber wo bleibt die Anerkenntnis, dass die Runde sich mit Ernst und Leidenschaft über ein Thema gebeugt hat, bei dem andere nur noch abwinken. Darin steckt auch eine Warnung, wie sie Ursula von der Leyen formuliert hat: „Wir wollen nicht hochmütig werden.“

Wo bleibt das Mieten-Thema?

Die Gefahr ist gegeben. Der ARD-Talk am Montag, für „Hart aber fair“ schlägt mit dem Thema „Sorry, liebe Briten: Wer nimmt Euch jetzt noch ernst?“ den falschen Ton an. Mal davon abgesehen, dass von den beiden ARD-Talks mindestens einer ein anderes, bedrängendes Thema glatt übersehen hat: die aufgeflammte Debatte um Mieten und Enteignen. Auch die Deutschen können Brexit.

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