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Wer hat das Sagen?: Unabhängigkeitskrise bei "Le Monde"

Die Journalisten von "Le Monde" und Aktionär Daniel Kretinsky sind im Streit um die Eigentümerstruktur bei Frankreichs wichtigster Zeitung.

Bisher erfüllte der Name „Le Monde“ die internationale Medienwelt immer mit Ehrfurcht, galt die französische Tageszeitung doch als ein Vorbild für seriösen, unabhängigen Journalismus. Doch nun macht sich die Prestigeredaktion Sorgen um ihre redaktionelle Unabhängigkeit. Sie fürchtet den Einfluss des tschechischen Milliardärs und Metro-Interessenten Daniel Kretinsky, der in Europa aggressiv Medienbeteiligungen aufkauft, gleichzeitig aber sehr aktiv im Energiesektor ist und zahlreiche Kohlekraftwerke besitzt, was Konflikte mit Redaktionen schaffen könnte.

Im Oktober 2018 war der Einstieg des 44-jährigen Kretinsky bei „Le Monde“, die eine Auflage von 330 000 Exemplaren hat, bekannt geworden. Präsident Emmanuel Macron hatte damals erklärt, der Staat wache über die Unabhängigkeit der Journalisten, war aber nicht gegen den Kauf, weil es sich um einen Europäer handelt. Kretinsky hatte von Bankier Matthieu Pigasse 49 Prozent von dessen Anteilen seiner Holding „Le Nouveau Monde“ übernommen, der Gesellschaft, über die dieser bei „Le Monde“ aktiv ist. Es war die erste große Bewegung im Kapital der Zeitung, seit diese 2010 von einer Gruppe von Privatinvestoren, dem 2017 verstorbenen Pierre Bergé, Xavier Niel und Matthieu Pigasse, aufgekauft wurde. Die Minderheitseigner, darunter Journalisten und Leser, waren nicht vorher darüber informiert worden. Wie viele Anteile die einzelnen Investoren an „Le Monde“ halten, geben die Anteilseigner nicht bekannt, insgesamt halten sie 75 Prozent, die Minderheitseigner 25 Prozent.

Redaktion fordert Vetorecht

Rund 460 Journalisten haben Kretinsky und Pigasse vor einer Woche aufgefordert, einer Vertretung von Journalisten, Mitarbeitern, Lesern und Minderheitsaktionären der Zeitung ein Vetorecht im Hinblick auf Veränderungen in der Eigentümerstruktur einzuräumen. Sie hatten als Ultimatum Dienstag genannt. Der wichtige Anteilseigner Xavier Niel hat laut „Le Monde“ die Vereinbarung schon unterschrieben. Pigasse erklärte, er wolle die Mehrheitsanteile von seiner Gesellschaft Le Nouveau Monde behalten. Kretinsky bliebe Minderheitsaktionär. Das wird von den Journalisten von „Le Monde“ bezweifelt, zumal Pigasse in einem Interview mit „Le Figaro“ und in einem Brief an die Journalisten am Wochenende betonte, er wolle die Forderung so nicht unterschreiben. Sie spekulieren, dass Kretinsky ein Vorkaufsrecht für die restlichen Pigasse-Anteile hat. Kretinsky soll das Vetorecht mit Skepsis sehen.

Die Journalisten haben in der Zwischenzeit prominente Unterstützung bekommen. Rund 500 bekannte Persönlichkeiten sprachen sich für die Forderung nach dem Mitspracherecht der Redaktion aus. „In dieser Zeit, in der selbst Fakten infrage gestellt werden, sind Freiheit und Unabhängigkeit der Presse öffentliche Güter, die wertvoller sind als je zuvor“, so die Stellungnahme, die „Le Monde“ veröffentlichte. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Whistleblower Edward Snowden, Friedensnobelpreisträger Lech Walesa, Schriftsteller Paul Auster, die Schauspielerinnen Isabelle Huppert und Juliette Binoche, Sängerin Jane Birkin, Schriftsteller Salman Rushdie, Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty, aus Deutschland unter anderem Philosoph Jürgen Habermas.

Kretinsky ist Energieunternehmer

Da Kretinsky sein Vermögen mit Energiegeschäften gemacht hat, vor allem in stark verschmutzende Kohlebergwerke investiert hat, könnte es Konflikte mit Redaktionen geben, die über die Klimadebatte berichten, befürchtet die Redaktion von „Le Monde“. Die Tageszeitung „Libération“ thematisierte dieses ebenfalls und beschrieb ihn als „einen der größten Verschmutzer des Kontinentes“. Mit dem Einstieg in „Le Monde“ öffne er sich auch eine Tür für Europa und die Diskussionen zwischen Paris und Brüssel. Es wird spekuliert, dass er es auf Gas-Anteile von Versorger Engie abgesehen hat. Der französische Staat, der mit rund 23 Prozent daran beteiligt ist, könnte eines Tages seine Anteile verkaufen. Mit dem Einkauf in „Le Monde“ sorgt Kretinsky für seine Imagepflege. Er ist gelernter Anwalt und hat in Dijon studiert, daher seine Affinität zu Frankreich. Er ist Chef der Energiegruppe EPH und der wichtigsten Mediengruppe seines Landes „Czech Media Invest (CMI)“. Er ist außerdem Eigner der französischen Zeitschriften „Marianne“ und „Elle“ sowie „Télé 7 jours“, „Ici Paris“und „France Dimanche“.

Seine Gruppe CMI besitzt drei wichtige Zeitungen in Tschechien, zudem 29 Magazine und Frauenzeitschriften. CMI entstand 2013 durch den Aufkauf von Aktiva von Axel Springer und der Schweizer Gruppe Ringier in Tschechien. Seine Energiegruppe ist in Osteuropa mächtig, hat aber auch Aktiva in Deutschland, Großbritannien und Italien. Zu seinem Imperium gehören rund 50 Kraftwerke.

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