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Aus Sicherheitsgründen soll ihr Sohn Linus auf Fotos künftig unkenntlich gemacht werden, wünschen sich Bundespräsident Christian Wulff und seine Frau Bettina. Foto: dpa

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Verpixelte Angelegenheit: Macht Euch (k)ein Bild

Bundespräsident Christian Wulff inszeniert sich mit seinen Kindern in der Öffentlichkeit, Fotos will er aber nicht. Ein Wunsch, der unter dem Aspekt der Pressefreiheit umstritten ist.

Es ist noch keine zwei Monate her, da eröffnete der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff im Zoo Hannover ein neues Eisbären-Gehege, mit dabei waren seine Frau Bettina und ihr Sohn Linus. Das Gesicht des Zweijährigen war am nächsten Tag in der lokalen Presse zu sehen, auch die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hatte es über den Ticker geschickt. Doch kaum ist Wulff Bundespräsident, ändern er und seine Frau die Publikationslinie für Fotos ihrer Kinder.

Am vergangenen Freitag hatte die First Family ihren ersten gesellschaftlichen Auftritt beim Sommerfest im Schloss Bellevue, wieder war Linus mit dabei. Während „Eventpress“ und andere Agenturen Bilder des Sohns ungepixelt anboten, verbreiteten dpa und ddp die unkenntlich gemachte Version. Viele Zeitungen wie die „Bild“ druckten diese Bilder. Jedoch gilt der Pixel-Wunsch der Wulffs nicht für alle Kinder: Annalena, Wulffs Tochter aus erster Ehe und mit 17 noch minderjährig, darf weiterhin gezeigt werden, die beiden jüngsten Kinder, Linus und der sechsjährige Leander, den Bettina Wulff mit ihn die Ehe brachte, sollen künftig aus Sicherheitsgründen unkenntlich gemacht werden, heißt es aus dem Bundespräsidialamt. Ein Wunsch, der im Fall von öffentlichen Auftritten unter dem Aspekt der Pressefreiheit umstritten ist.

Zwar seien Kinder von Prominenten grundsätzlich tabu, sagt Medienanwalt Christian Schertz. Das Bundesverfassungsgericht betonte immer wieder, Minderjährige sollten das Recht haben, unbeobachtet von den Medien und im Schutz vor der Öffentlichkeit aufzuwachsen. Als wegweisend gilt hier das nach der Prinzessin von Monaco benannte Caroline-Urteil, wonach über Details aus dem Privatleben von Prominenten nur eingeschränkt berichtet werden darf. „Doch lassen sich Personen der Zeitgeschichte, wie es ein Bundespräsident ist, von ihren Kinder zu einem öffentlichen Ereignis begleiten, dann ist der zeitnahe Abdruck von Fotos mit Kindern rein rechtlich erlaubt“, sagt Schertz.

Gerade Politiker nutzen ihre Kinder immer wieder, um sich in der Öffentlichkeit und vor allem vor ihren potenziellen Wählern als mitten im Leben stehende Menschen zu inszenieren – und sollten sich deshalb auch nicht wundern, wenn Medien das entsprechend dokumentieren.

Wulff ging am Freitag mit Linus auf dem Arm durch die Menge, hatte ihn beim offiziellen Programm auf dem Schoß, ließ ihn von Dirigent Kurt Masur hochheben – alles vor den Objektiven der Kameras. Warum er die Kinder nicht eher abseits warten ließ, statt sie in den Mittelpunkt zu stellen, wenn ihm Sicherheit so wichtig ist? Wulff sehe sie so selten und wolle sie deshalb auch bei so wichtigen Anlässen wie dem Sommerfest dabei haben, heißt es aus dem Bundespräsidialamt.

Nun dürften Fernseh-Moderatoren wie Stefan Raab, Harald Schmidt oder Günther Jauch ihre Kinder kaum öfter sehen – und trotzdem verzichten sie in der Regel darauf, sich von ihnen offiziell zur Ereignissen begleiten zu lassen. „Ich empfehle für den Fall, dass Söhne und Töchter ihre prominenten Eltern begleiten wollen, dass sie zu verschiedenen Zeiten die Veranstaltung betreten, sich auf unterschiedliche Plätze setzen und keinesfalls gemeinsam vor Kameras posieren. So kann erst gar keine Konfliktsituation entstehen, und der Schutz der Kinder bleibt gewahrt“, sagt Schertz. Noch nie sei deshalb ein Foto von Raabs oder Schmidts Kindern gedruckt worden.

Werden Kinder erst einmal in der Öffentlichkeit herumgereicht, sind rechtliche Schritte gegen eine Veröffentlichung von Fotos schwer umzusetzen. „Denn sobald ein Prominenter sein Privatleben für die Medien öffnet und insbesondere seine Kinder zeigt, lockert er gleichzeitig den Schutz auf Privatsphäre für seine Kinder“, sagt Schertz. Schließlich habe der Prominente schon zuvor als Erziehungsberechtigter zugestimmt, die Kinder in die Öffentlichkeit zu bringen.

Die Folgen bekam auch CSU-Chef Horst Seehofer zu spüren. Für eine Homestory in der „Bunten“ inszenierte er sich als glücklicher Familienvater mit seinen Kindern. Als dann ihm weniger genehme Berichte von seiner Geliebten und ihrem gemeinsamen Baby auftauchten, war es rechtlich kaum möglich, die Veröffentlichung dieser Fotos zu verhindern. Geht es den Politikern wirklich um den Schutz ihrer Kinder, sollten sie diese erst gar nicht zu PR-Zwecken nutzen – und nicht von den Medien verlangen, Fotos nur so zu veröffentlichen, wie es ihnen genehm ist.

Wulffs Nachfolger David McAllister holte seine beiden Töchter nach seiner Wahl zum niedersächsischen Ministerpräsidenten am Donnerstag vors Sprecherpult im Landtag und ließ die Fotografen auf die Auslöser drücken. Eine einmalige Angelegenheit, heißt es aus der niedersächsischen Staatskanzlei. Der nächste Wahlkampf kommt bestimmt.

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