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KRITISCH gesehen: Welcher Film?

Bei Anne Will wird über die RAF und den Baader-Meinhof-Film diskutiert. Die Runde reagiert erwartungsgemäß.

Anne Will: Baader-Meinhof goes Hollywood – Der Film, der Terror und die Opfer.ARD.

Ernstes Thema, ernste Gesichter. Nein, aus der Rolle fällt keiner, keiner verliert die Fassung, und heftigen Streit gibt es schon gar nicht trotz gelegentlich erkennbarer Differenzen. Wie auch? Die Runde, die am Sonntagabend vor knapp drei Millionen Zuschauern bei „Anne Will“ über die RAF und den Baader-Meinhof-Film diskutieren soll, reagiert erwartungsgemäß. Hans-Jochen Vogel tadelt die negative Darstellung der staatlichen Macht im Film, Clais Baron von Mirbach fordert mehr Aufmerksamkeit für die Opfer, die Schauspieler Martina Gedeck und Moritz Bleibtreu beharren auf ihrem Recht zur Interpretation und Drehbuchautor Stefan Aust verwahrt sich gegen alles, was bemängelt wird. Und im Fernsehpublikum hat ohnehin noch keiner die Chance, eine eigene Meinung zum Thema zu entwickeln: Der Film kommt erst am Donnerstag in die Kinos.

Kaum zu fassen, dass noch vor einigen Jahren das Vorhaben der Berliner KunstWerke, eine RAF-Ausstellung zu veranstalten, einen ganzen Sommer zu heftigsten Diskussionen führte. Um Deutungshoheit geht es zwar immer noch, auch um historische Gerechtigkeit, und doch ist die Einsicht in die Fiktionalität von Erinnerungen gewachsen. Nicht umsonst erinnern beide Schauspieler daran, dass für sie, die sie die RAF nur aus Medienberichten kennen, die Auseinandersetzung mit der Legende im Vordergrund steht. „Auch Maria Stuart, auch Johanna oder Medea waren einmal real, aber wir kennen sie nur noch aus den Geschichten.“ Und keine Geschichte, auch kein Film könne die absolute Wahrheit erzählen, mahnt Martina Gedeck.

Die anderen, Beteiligte oder Betroffene des dreißig Jahre zurückliegenden Geschehens, sind immer noch mehr mit der Frage beschäftigt, ob die damaligen Entscheidungen, in Stockholm, bei der Lorenz-Entführung, bei Schleyer richtig waren. Nur als Clais von Mirbach über die Ermordung seines Vaters berichtet, ernst, beherrscht, konzentriert, herrscht wirklich betroffenes Schweigen in der Runde. Die Wirklichkeit ist immer noch stärker als jeder Film. Und trotzdem erscheint es als Zumutung, gerade diese Filmszene herauszugreifen, in Anwesenheit der Witwe und der Kinder. Fernsehen ist voyeuristisch, in solchen Momenten. Doch die Zeit der erregten Diskussionen scheint vorbei. Christina Tilmann

Christina Tilmann

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